Lateinamerikas Hoffnungsträger sorgen für Ernüchterung

Vier Regierungswechsel ohne Zeitenwende

Vor gut einem Jahr wurde die politische Zeitenwende in Lateinamerika eingeläutet. Vier Regierungswechsel ließen aufhorchen. Die erste Zwischenbilanz von Castro, Boric, Petro und Lula fällt indes durchwachsen aus.

Autor/in:
Tobias Käufer
Lula da Silva / © Isaac Fontana (shutterstock)

Xiomara Castro, Gabriel Boric, Gustavo Petro und Luiz Inacio Lula da Silva - vier Hoffnungsträger, die Lateinamerika verändern sollen. Die Wahlsiege der Linkspolitiker in Honduras, Chile, Kolumbien und Brasilien wurden vor allem vom Westen begrüßt. Sie lösten konservative und rechtspopulistische Vorgänger ab.

Mit Castro und Boric hat nun die Hälfte des Quartetts ihr erstes Amtsjahr hinter sich, Petro ist seit mehr als einem halben Jahr an der Macht und der seit Januar amtierende Lula steckt noch in der Startphase.

Hoffnung auf Besserung 

Zur Amtseinführung von Xiomara Castro reiste eigens US-Vizepräsidentin Kamala Harris in die honduranische Hauptstadt
Tegucigalpa. Die regierenden Demokraten in Washington hofften nach verlorenen Jahren mit dem inzwischen wegen Drogenhandels in den USA vor Gericht stehenden Vorgänger Juan Orlando Hernandez, mit Castro besser zurechtzukommen.

Präsidentin Xiomara Castro von Honduras / © Moises Castillo (dpa)
Präsidentin Xiomara Castro von Honduras / © Moises Castillo ( dpa )

Doch das Werben nutzte nichts, die Ehefrau des Ex-Präsidenten Manuel Zelaya lehnte wenig später aus Solidarität mit dem nicht eingeladenen Kuba ihre Teilnahme am Amerika-Gipfel in den USA ab. Mittlerweile hat Castro bekanntgegeben, dass ihr Land diplomatische Beziehungen mit China aufnehmen wird – was unter anderem bedeutet, dass Taiwans diplomatische Vertretung das mittelamerikanische Land verlassen muss. Harris' Mission in Honduras ist damit vorerst gescheitert. 

Jung, demokratisch, links

In Chile ist seit einem Jahr Gabriel Boric im Amt. Er steht für eine neue junge demokratische Linke, die sich nicht scheut, auch Menschenrechtsverletzungen im eigenen Lager anzusprechen. Boric geht mit seiner Kritik an den Zuständen in Kuba, Nicaragua und Venezuela ein großes Risiko ein, denn im linksextremen Flügel Lateinamerikas werden seine Einlassungen überhaupt nicht gerne gesehen. Während ihm im Ausland weiter die Sympathien zufliegen, sind seine Umfragewerte im eigenen Land abgestürzt.

Die verlorene Abstimmung über eine neue Verfassung dokumentiert das Misstrauen in die neue Linksregierung, die inzwischen bereits einige personelle Wechsel im Kabinett vornehmen musste. Eine Steuerreform scheiterte ebenso. Boric bleiben noch drei Jahre, um das Ruder herumzureißen. Er selbst sagt, er strecke allen Parteien im Land seine Hand zum Dialog aus.

Imageprobleme 

In Kolumbien hat Linkspolitiker Gustavo Petro vor allem mit Problemen in der eigenen Familie zu kämpfen. Sowohl gegen den Sohn als auch den Bruder des Präsidenten, der seit August im Amt ist, gibt es schwere Vorwürfe: Sie sollen sich im Rahmen des landesweiten Friedensprozesses bereichert haben. Beide bestreiten die Vorwürfe, doch das Image des Präsidenten und damit auch seines Kernprojektes "Paz total" (Totaler Frieden) ist angeknackst.

 Gustavo Petro, Präsident Kolumbiens, seine Frau Veronica Alcocer, und seine Vizepräsidentin Francia Marquez / © Fernando Vergara/AP (dpa)
Gustavo Petro, Präsident Kolumbiens, seine Frau Veronica Alcocer, und seine Vizepräsidentin Francia Marquez / © Fernando Vergara/AP ( dpa )

Petro reagiert auf Kritik zunehmend dünnhäutiger und attackiert kritische Medien in einem Stil, wie er zuletzt bei Jair Messias Bolsonaro in Brasilien oder Donald Trump in den USA üblich war. Die Redaktion des Portals "La Silla Vacia" nannte er "Kanaillen". Petros anfangs noch hohe Umfragewerte sind deutlich gesunken. Sein politisches Schicksal wird eng mit der Umsetzung des Friedensplanes verknüpft sein, was seine Position in den Verhandlungen schwächt.

Durchwachsener Start für Lula

Bleibt Brasiliens neuer alter Präsident Lula da Silva, der inzwischen im dritten Amtsmonat ist. Vom Rest der Welt nach vier Bolsonaro-Jahren heiß ersehnt, hat Lula einen durchwachsenen Start hingelegt: Die Versenkung eines mit Giftmüll vollgepackten Flugzeugträgers im Ozean, in die Höhe geschnellte Amazonas-Abholzungszahlen und die Entscheidung, den Anbau genmanipulierten Weizens in Brasilien zuzulassen, wollen so gar nicht zum Image des Klima- und Umweltschützers passen.

Mittelfristig, so sind zumindest seine Unterstützer aus Europa überzeugt, wird es Lula aber gelingen, die Abholzung zu reduzieren. Große Hoffnungen setzen die Europäer zudem in ein Handelsabkommen mit dem Staatenbund Mercosur, das laut Lula in Kürze abgeschlossen werden könnte. Um dieses Thema ging es auch Deutschlands Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) bei seinem Besuch in Brasilien und Kolumbien, der an diesem Donnerstag endet.

Quelle:
KNA