Werden Lateinamerikas Linksautokratien geschont?

Der Papst schweigt und die Bischöfe reden

In den drei Linksautokratien Kuba, Venezuela und Nicaragua wagen immer mehr Bischöfe einen Konfrontationskurs zu den Machthabern. Dagegen liegt Papst Franziskus offenbar weitgehend auf einer Linie mit Lateinamerikas Linken.

Autor/in:
Tobias Käufer
Eine junge Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "Pope pray for Venezuela" / © Paul Haring (KNA)
Eine junge Frau hält ein Schild mit der Aufschrift "Pope pray for Venezuela" / © Paul Haring ( KNA )

Bislang war Bischof Victor Hugo Basabe auch in Venezuela eher nur Insidern bekannt. Seit gut einer Woche aber kennen die meisten Venezolaner den Namen des Interims-Verwalters der Erzdiözese Barquisimeto.

Denn Basabe wagte etwas, was sich viele konservative Katholiken in Lateinamerika auch vom Papst wünschen würden: offene Kritik am sozialistischen Regime des Landes.

Basabe warf der Regierung von Präsident Nicolas Maduro vor, die wirtschaftliche Realität Venezuelas vor der Welt verstecken zu wollen. Den Preis dafür zahlten jene vielen hunderttausend Migranten, denen in anderen Ländern Ausländerfeindlichkeit und Vorurteile begegneten.

"Nein zu Gewalt und Hass"

Diese Worte reichten, um den Zorn von Maduros Mann fürs Grobe auf sich zu ziehen. Diosdado Cabello, Vizepräsident der Regierungspartei PUSV und Nummer zwei der internen Hierarchie hinter Maduro, leitete einen medialen Feldzug gegen Basabe ein.

Staatschef Maduro und Papst Franziskus  / © Pool (dpa)
Staatschef Maduro und Papst Franziskus / © Pool ( dpa )

In seiner eigenen TV-Show, in der Cabello Kritikern gern auch mal mit einem roten Schlagstock droht, warf der Sozialist der Kirche einen politischen, niederträchtigen und bösartigen Diskurs vor; in Wahrheit sei Basabe ein Oppositionspolitiker.

Präsident Maduro persönlich legte wenige Tage später nach und suchte öffentlich einen Schulterschluss mit evangelikalen Pfingstkirchen. In Zeiten, in denen der Teufel in Soutane sichtbar werde, "sagen wir Nein zu Gewalt und Hass", erklärte er. Maduro, dem Menschenrechtsorganisationen und das UN-Menschenrechtskommissariat Folter, Mord und außergerichtliche Hinrichtungen vorwerfen und vor dessen Regierung sieben Millionen Menschen geflohen sind, war mal eben in die Opferrolle geschlüpft.

Brutale Polizeigewalt und Hinrichtung

Tatort Nicaragua: Dem Bischof Rolando Alvarez drohen wegen "Verschwörung zur Untergrabung der nationalen Integrität" bis zu acht Jahre Haft. Einen "Deal" mit der Justiz lehnte Alvarez laut lokalen Medienberichten bislang ab. Der sieht vor, dass der regierungskritische Bischof ins Exil geht und dafür von einer Gefängnisstrafe verschont bleibt.

Ähnliches droht dem katholischen Priester Benito Enrique Martinez, der nach der brutalen Polizeigewalt und der Hinrichtung nicaraguanischer Studenten öffentlich ausrief: "Raus mit dem Mörderpaar!" Gemeint waren der sandinistische Präsident Daniel Ortega und seine Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo.

Polizei in Nicaragua / © Jeiner Huete_P (shutterstock)

Auf Kuba sind die Bischöfe längst geübt darin, die Dinge so zu formulieren, dass nicht gleich der Staatsanwalt vor der Tür steht. In ihrer Weihnachtsbotschaft schrieb die Bischofskonferenz der Karibikinsel, in Kuba herrsche ein Umfeld von "Angst, Misstrauen, Routine, Lügen und Hass". Ihre Bitte nach Amnestie für politische Gefangene umschrieben die Bischöfe damit, dass "jene, die unter Hunger, Einsamkeit, Unfreiheit leiden, von uns eine Geste der Gnade oder Barmherzigkeit erwarten".

Papst befremdet und enttäuscht

Mit all diesen Äußerungen bringen sich Kirchenvertreter in Gefahr: physisch wie juristisch. Dennoch hat sich Papst Franziskus offenbar entschieden, zu dieser Situation nichts zu sagen. Der Argentinier, dem Kritiker eine traditionelle Nähe zum populistischen Peronismus attestieren, liegt damit weitgehend auf einer Linie mit Lateinamerikas Linken, die - von Chiles Präsident Gabril Boric mal abgesehen - meist auf Tauchstation geht, wenn es um Menschenrechtsverletzungen in den drei Links-Autokratien geht.

Das stößt in konservativen Kirchenkreisen wie auch bei Vertretern von oppositionellen Gruppen in den betreffenden Ländern auf Befremden, aber auch auf Enttäuschung. Zumal der Papst keine Zeit verlor, sich nach den antidemokratischen Aggressionen von Anhängern des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro Anfang Januar in Brasilia umgehend zu Wort zu melden.

Prominente Unterstützung

Der kürzlich gestorbene australische Kardinal George Pell hat noch zuletzt kritisiert, dass es unter Franziskus schwere Versäumnisse bei der Unterstützung der Menschenrechte in Venezuela, Hongkong, der Volksrepublik China und jetzt bei der russischen Invasion der Ukraine gegeben habe.

Bianca Jagger (Archiv) / © Denis Makarenko (shutterstock)
Bianca Jagger (Archiv) / © Denis Makarenko ( shutterstock )

Und Bianca Jagger, in Managua geborene Menschenrechtsaktivistin und Ex-Frau von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger, wendet sich immer wieder mit der Forderung an den Papst, er möge sich klar hinter den verhafteten Bischof und die anderen festgenommenen Geistlichen stellen. Die Aufforderungen von Franziskus zum Dialog zieht sie in Zweifel und argumentiert: "Der Weg des Dialogs ist nicht gangbar mit einer Regierung, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht."

Venezuela - Lage und Hintergrund

In Venezuela wächst die Angst vor einem Bürgerkrieg. Bei Massendemonstrationen gegen die sozialistische Regierung von Präsident Nicolas Maduro sind in den vergangenen Tagen mehrere Menschen getötet worden. Die Polizei setzt Tränengas ein, um die Oppositionsanhänger auseinanderzutreiben. Das Militär wurde in Alarmbereitschaft versetzt, 500 000 Milizen sollen mit Gewehren ausgerüstet werden. Zudem wurde der sogenannte "Plan Zamora" aktiviert, der den Sicherheitskräften Sondervollmachten bei der Bekämpfung "feindlicher Kräfte" verleiht.

Kirche in der neuen Diözese Petare in Caracas, Venezuela / © Erik Gonzalez (shutterstock)
Kirche in der neuen Diözese Petare in Caracas, Venezuela / © Erik Gonzalez ( shutterstock )
Quelle:
KNA