Langjähriger Catholica-Beauftragter Friedrich Weber zieht Bilanz V

"Ökumene gehört ins Zentrum"

Der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber ist am Samstag offiziell aus seinem Amt verabschiedet worden. Im Interview zeiht er Bilanz seiner Bemühungen in der Ökumene.

Bischof Weber / © S. Hübner
Bischof Weber / © S. Hübner

KNA: Herr Bischof Weber, neun Jahre lang haben Sie mit kritischer Sympathie aus lutherischer Perspektive die katholische Kirche beobachtet. Hat sich dadurch ihre Sicht der "Catholica" verändert?

Weber: Catholica begegnen mir in Menschen. Und die erlebe ich - seien sie Gemeindeglieder, Priester oder Bischöfe - als Christenmenschen, denen genauso wie uns Evangelischen an der Christusgemäßheit des Zeugnisses gelegen ist. Ich habe den liturgischen und spirituellen Reichtum in der römisch-katholischen Kirche ebenso entdeckt wie ihre Universalität, die das je Landestypische nicht vergisst, es aber doch in den großen Horizont der weltumspannenden Kirche Jesu Christi deutlich und erkennbar einfügt. Und nicht zuletzt: In diesen Jahren sind sehr verlässliche Freundschaften entstanden.

KNA: Hat die Beschäftigung mit Catholica-Themen auch Rückwirkungen auf Ihre Sicht auf die evangelischen Kirchen gehabt?

Weber: Mein Evangelisch-Sein ist profilierter geworden. Nicht abgrenzend gegen die katholischen Geschwister, aber hinsichtlich der spezifischen Antworten, die aus theologischer Arbeit geboren werden, eindeutiger. Ich sehe aber auch die Defizite und Gefährdung in der evangelischen Kirche schärfer, die sich aus einem missverstandenen Individualismus protestantischen Seins und aus einer landeskirchlichen Selbstgenügsamkeit ergeben können.

KNA: Welche ökumenischen Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten sind für Sie besonders wichtig?

Weber: Innerevangelisch ist es die Leuenberger Konkordie von 1973, mit der die Mitgliedskirchen einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Das schließt die gegenseitige Anerkennung der Ordination und die Ermöglichung der Interzelebration ein. Dass damit die Bekenntnisbindung der einzelnen Kirchen nicht obsolet ist, hält die Konkordie in ihren Artikeln 30 und 37 fest. Die 1973 in Leuenberg gewonnene Form eines ökumenischen Miteinanders der reformatorischen Kirchen als "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" ist für mich auch in meiner Arbeit als Catholica-Beauftragter und darüber hinaus richtungsweisend. Der ihr zugrundeliegende differenzierte Konsens ermöglichte die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von 1999.

Fundamental ist die "Charta Oecumenica" von 2001, die allerdings oft mehr beschworen als gelebt wird. Wichtig war für mich zudem die Erfahrung, dass evangelische und römisch-katholische Kirche 1997 sich gemeinsam zur wirtschaftlichen und sozialen Lage verhalten haben, dass es 2007 im Magdeburger Dom zwischen 11 Kirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) zur wechselseitigen Anerkennung der Taufe kam und der Ausrufung des Schöpfungstages als eines neuen ökumenischen Feiertags 2010 seitdem seine regelmäßige Feier gefolgt ist.

KNA: Was war Ihre größte Enttäuschung in der Ökumene?

Weber: Ich will kein Enttäuschungs-Ranking bilden, aber mich haben schon die zu lange geführte Diskussion in der römisch-katholischen Kirche zu den Pius-Brüdern, das Scheitern einer gemeinsamen Bibelübersetzung, die geringen Fortschritte bei ökumenischen Gemeindepartnerschaften und die nach wie vor nicht mögliche gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie für konfessionsverschiedene Ehepaare enttäuscht. Aber auch das Desinteresse am christlichen Leben der anderen, auf das ich gelegentlich bei Visitationen vor Ort gestoßen bin, war mehr als irritierend.

KNA: Sie waren und sind an ökumenischen Dialogen auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt. Wenn Sie es allein entscheiden könnten: Was würden Sie an der Struktur der ökumenischen Dialoge ändern, um eine größere Wirksamkeit zu erzielen?

Weber: Das Problem liegt zum Teil darin, dass meist bilaterale Gespräche geführt werden, bei denen Ergebnisse erzielt werden, die mitunter andere ausschließen. Die Gespräche müssten bei jeweiliger spezieller Konfiguration das Ganze im Blick haben, eventuell durch die Gastmitgliedschaft der je anderen konfessionellen Weltbünde bei den bilateralen Gesprächen. Dass die Ergebnisse eines Gesprächs dann durch die Kirchen rezipiert werden müssen, ist eigentlich selbstverständlich, aber durchaus nicht üblich. Nötig sind nach meiner Meinung Rezeptionsvorschläge.

KNA: Welche Chancen sehen Sie dabei im Zusammenhang mit dem Gedenken an "500 Jahre Reformation"?

Weber: Ich sehe die große Chance, dass die Verletzungen aufgearbeitet werden, die wir uns jahrhundertelang gegenseitig zugefügt haben, und dass wir ein gemeinsames Christuszeugnis vor der Welt abgeben. Dieses muss deutlich machen, dass wir in Christus geeint sind. Weiter könnte es auch zu einer neuen Wertschätzung der unterschiedlichen Traditionen kommen und vor allem zur Erkenntnis, dass ökumenische Bemühungen in das Zentrum des Glaubens gehören.

KNA: Was ist für Sie die Quintessenz aus Ihrem langjährigen ökumenischen Engagement?

Weber: Begegnung und Gespräch, gemeinsame Gottesdienstfeier, konzentrierte theologische Arbeit und Lachen und auch Trauern mit den vielen intensiv in der Ökumene Arbeitenden haben Vertrauen wachsen lassen und mitunter Berge des Missverständnisses bewegt und Vorurteile und schlechte Vorerfahrungen überwunden. Ich habe zugleich die Qualität theologischer Arbeit meiner Dialogpartner als einen Schatz und mitunter neuen Zugang zu theologischen Fragen entdeckt.

Und nicht zuletzt: Es sind wunderbare Freundschaften entstanden. Die bewahren einen auch davor, "ökumenischen Erfolgen" nachzurennen. Zusammenkommen, zusammenbleiben, auch wieder auseinandergehen, aber mit dem festen Versprechen, nicht nachzulassen, die in Christus geschenkte Einheit der Kirche schon jetzt immer wieder sichtbar werden zu lassen, darauf kommt es an. Menschen, die diesem Ziel nacheifern, habe ich in allen christlichen Konfessionen gefunden.


Quelle:
KNA