Künstliche Intelligenz schützt Aachener Dom vor Bränden

Karl der Große unter ständiger Beobachtung

Ganze 50 Kameras in 16 Räumen und 20 Kilometer Leitungen: Um den Aachener Dom vor einem Feuer zu schützen, greifen Experten zu modernster Technik. Die Bilder vom Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame sind noch allzu präsent.

Autor/in:
Annika Schmitz
Aachener Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aachener Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Mehrere Minuten können vergehen, bis die Rauchmelder in 30 Meter Höhe bei einem Feuer anschlagen. Wertvolle Minuten - da könnte das Chorgestühl des Aachener Doms schon längst in Flammen stehen.

So ist es jedenfalls bislang gewesen. Künftig jedoch sollen es nur noch wenige Sekunden sein: Dann nämlich schützen 50 Kameras mit modernster Technik den ehemaligen Krönungsort der deutschen Könige.

Brand in Notre-Dame

Rückblick: Am 15. April 2019 verursachen Bauarbeiten einen Brand in der berühmten Pariser Kathedrale Notre-Dame. Es dauert nicht lange und sie brennt lichterloh. Der mittelalterliche Dachstuhl, Teile des Deckengewölbes sowie der Dachreiter aus dem 19. Jahrhundert werden komplett zerstört.

Menschen stehen am Ufer der Seine und blicken auf den Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 15. April 2019. / © Corinne Simon (KNA)
Menschen stehen am Ufer der Seine und blicken auf den Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 15. April 2019. / © Corinne Simon ( KNA )

In Aachen kommt Dombaumeister Helmut Maintz ins Grübeln. Wie gut ist der an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert erbaute Dom, der erste Kuppelbau nördlich der Alpen seit der Antike, vor einer ähnlichen Katastrophe geschützt? Eine erste Antwort: Beim Dach sieht es gar nicht mal so schlecht aus. Die Holzdachstühle aus dem 17. Jahrhundert sind mit einer Brand- und Löschanlage ausgestattet, eine Wiederholung der Pariser Katastrophe scheint unwahrscheinlich.

Anders jedoch sieht es im Innenraum des Doms aus. Bricht hier ein Feuer aus, könnte das Gebäude und somit auch die letzte Ruhestätte von Karl dem Großen schnell und schwer in Mitleidenschaft gerissen werden. Neben möglichen Brandlasten wie dem hölzernen Chorgestühl, der Orgel und den großen Schränken in der Sakristei ist auch die Elektrikanlage mit ihren teils 40 Jahre alten Kabeln eine Gefahrenquelle.

Neues Brandschutzkonzept entwickelt

Maintz nimmt Kontakt mit verschiedenen Experten auf, auch die Fachhochschule Aachen holt er ins Boot. Sie entwickeln ein Brandschutzkonzept, das mithilfe Künstlicher Intelligenz den Innenraum des Doms nicht nur vor Feuer, sondern auch vor Einbruch und Vandalismus schützen soll. Dafür werden eine Million Euro veranschlagt, drei Viertel finanziert der Dombauverein, ein Viertel übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen.

Aachener Dom / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aachener Dom / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Um den Dom für die Öffentlichkeit nicht schließen zu müssen, wurde die neue Elektroleitung installiert, während die alte noch in Betrieb war. 20 Kilometer Kabel, darunter auch Datenleitungen, wurden verlegt - kein leichtes Spiel beim Denkmalschutz und all den Mosaiken, Marmor und Malereien, sagt Maintz: "Rechts oder links, wie kommen wir da vorbei?"

Eine Firma, die auf die Entwicklung von Kameras spezialisiert ist, bringt in 16 Räumen 50 der schwarzen kleinen Kästen an. Jeder einzelne von ihnen ist ein leistungsstarker Computer, der mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Zum ersten Mal kommt ein solches Schutzkonzept in einem Dom zum Einsatz, heißt es.

Die Experten demonstrieren in der Chorhalle, wie die Technik funktioniert. Sie entzünden in einer kleinen Schale ein Feuer, schnell schlagen Flammen in die Höhe. Es dauert keine drei Sekunden, da löst die Kamera einen Alarm aus.

Wäre dies keine Demonstration, würde nun direkt die Feuerwehr alarmiert. Die Löscheinheit erhält aber nicht nur den Hinweis auf ein Feuer im Dom, sie kann zudem direkt über ein Video den genauen Brandort abrufen. "Die wissen schon bevor sie ins Gebäude gehen, was da passiert", kommentiert Ingenieur Ralf Wolters von dem mit dem Projekt betrauten Ingenieurbüro.

Mit Kameras auch vor Einbrüchen schützen

Zudem sollen die Kameras den Dom vor Einbrüchen schützen. Erspähen sie nachts eine Bewegung, geben sie der Polizei Bescheid. Tritt während der Öffnungszeiten eine Person zu nah an einen der wertvollen Gegenstände, ertönt ein lauter Alarmton.

Karlsschrein im Aachener Dom (KNA)
Karlsschrein im Aachener Dom / ( KNA )

Und sind zu viele Menschen gleichzeitig im Gebäude, werden die Domschweizer übers Handy informiert und können einschreiten. Dank der neuen Datenleitungen hat der Dom bald nicht nur überall WLAN, perspektivisch kann so die gesamte Gebäudetechnik digital gesteuert und etwa Luftfeuchtigkeit und Temperatur reguliert werden.

Die Künstliche Intelligenz scheint gut trainiert: Sie kann unterscheiden, ob jemand eine Kerze zum Gebet anzündet oder ein unkontrolliertes Feuer ausbricht. Anders jedoch sieht es beim Weihrauch aus. Rauch bleibt Rauch, steigt er nun zur Ehre Gottes empor oder nicht. Vor Weihrauch-lastigen Gottesdiensten wird die neue Anlage deswegen ausgeschaltet werden müssen.

Bistum Aachen

Die Spitze des Aachener Doms / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Die Spitze des Aachener Doms / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Das Bistum Aachen mit einer Fläche von 4.022 qkm liegt im Westen von Deutschland. Es erstreckt sich von der Nordeifel (Mechernich, Schleiden) bis zum Niederrhein (Krefeld). Die angrenzenden Diözesen sind Köln, Münster, Essen, Trier, Lüttich (Belgien) und Roermond (Niederlande).

Das Bistum Aachen umfasst insgesamt 57 Kommunen. In den drei Großstädten Aachen, Mönchengladbach und Krefeld leben 383.319 von 1.037.352 Katholikinnen und Katholiken, die anderen in den 54 weiteren Kommunen.

Quelle:
KNA