Kreuzwegprozessionen in Jerusalem und Gewalt am Tempelberg

Tradition und Zusammenstöße

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen haben am Freitag die traditionellen Kreuzwegprozessionen in der Jerusalemer Altstadt stattgefunden. Am Zugweg kam es zeitweise zu Gedränge und Auseinandersetzungen.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Die Lateinische Pfarrei von Jerusalem, begleitet von Pfadfindern und Polizeibeamten gehen mit zwei großen Holzkreuzen den Kreuzweg, die Via Dolorosa, in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Die Lateinische Pfarrei von Jerusalem, begleitet von Pfadfindern und Polizeibeamten gehen mit zwei großen Holzkreuzen den Kreuzweg, die Via Dolorosa, in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Es kam zum Gedränge zwischen einheimischen Christen und Muslimen, die zum zweiten Freitag im Ramadan auf den Tempelberg strömten.

Den Anfang der Prozessionen entlang der Via Dolorosa mit den 14 Stationen des Leidenswegs Jesu von seiner Verurteilung bis zur Kreuzigung und zum Grab machte die Lateinische Pfarrei von Jerusalem, die begleitet von Pfadfindern und Polizeibeamten mit zwei großen Holzkreuzen durch die Gassen der Altstadt zog. Viele Menschen trugen im Gedenken an den Kreuzestod Jesu schwarze Trauerbinden.

Pilgerströme zur Grabeskirche und zum Tempelberg

Anschließend zogen die Franziskaner mit Kustos Francesco Patton über die Via Dolorosa bis zur Grabeskirche. Aufgrund der islamischen Mittagsgebete fand die Prozession auf polizeiliche Anordnung früher statt als üblich. Erstmals seit Beginn der Pandemie schlossen sich auch wieder ausländische Pilger dem Kreuzweg an. Die Polizei errichtete an zahlreichen Stellen in der Altstadt Barrieren, um die Pilgerströme zur Grabeskirche und zum Tempelberg zu kontrollieren.

Die Lateinische Pfarrei von Jerusalem, begleitet von Pfadfindern und Polizeibeamten gehen mit einem großen Holzkreuz den Kreuzweg, die Via Dolorosa, in Jerusalem an Karfreitag / © Andrea Krogmann (KNA)
Die Lateinische Pfarrei von Jerusalem, begleitet von Pfadfindern und Polizeibeamten gehen mit einem großen Holzkreuz den Kreuzweg, die Via Dolorosa, in Jerusalem an Karfreitag / © Andrea Krogmann ( KNA )

Am Freitagabend wird die seit Jahrhunderten von den Franziskanern gepflegte Tradition der Kreuzabnahme und Grablegung in der Grabeskirche gefeiert. Dazu wird auf dem Golgota-Hügel eine hölzerne Jesusfigur vom Kreuz abgenommen, auf dem Salbstein gesalbt und zum Grab getragen.

Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Polizisten

Aufgrund verschiedener Kalendersysteme begehen die Ostkirchen Ostersonntag in diesem Jahr erst am 24. April. In diesem Jahr fallen die christlichen Osterfeiern und das am Freitagabend mit dem Seder-Mahl beginnende einwöchige jüdische Pessachfest in den islamischen Fastenmonat Ramadan, der am 1. April begonnen hat.

Am frühen Freitagmorgen kam es auf dem Tempelberg, arabisch Haram al-Scharif, zu mehrstündigen Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Polizisten, bei denen laut örtlichen Medienberichten drei Beamte und mindestens 152 Palästinenser verletzt wurden, acht von ihnen schwer. Israelische Polizisten drangen demnach in die Al-Aksa-Moschee ein, nachdem palästinensische Steinewerfer sich in dem Gotteshaus verbarrikadiert hatten. Nach Polizeiangaben wurden hunderte Personen festgenommen. Für die Mittagsgebete sollte die Heilige Stätte wieder wie geplant für Zehntausende Beter geöffnet werden.

Palästinensische Gruppen verurteilten Vorgehen der Polizei

Palästinensische Gruppen verurteilten das Eindringen der israelischen Polizisten in die Moschee. Das palästinensische Präsidialamt bezeichnete das Vorgehen der israelischen Polizei als "ernste Eskalation und Kriegserklärung" und rief zum internationalen Eingreifen auf, während Hamas und die Terrorgruppe "Islamischer Dschihad" laut Berichten zu Massenbesuchen von Palästinensern auf dem Haram al-Scharif aufriefen.

Israelische Sicherheitskräfte gehen bei Zusammenstößen mit palästinensischen Demonstranten auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt in Stellung / © Mahmoud Illean/AP (dpa)
Israelische Sicherheitskräfte gehen bei Zusammenstößen mit palästinensischen Demonstranten auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt in Stellung / © Mahmoud Illean/AP ( dpa )

Der israelische Minister für öffentliche Sicherheit, Omer Bar-Lev, betonte unterdessen, Israel habe "kein Interesse daran, dass der Tempelberg zu einem Epizentrum der Gewalt wird, das sowohl muslimische Gläubige dort als auch jüdische Gläubige an der Klagemauer verletzt".

Die Spannungen am Tempelberg hatten sich verschärft, nachdem eine radikale jüdische Tempelaktivistengruppe mit einer Kampagne für die Durchführung eines rituellen Pessachopfers auf dem Tempelberg geworben hatten. 

Der Tempelberg

Tempelberg mit Felsendom (Mitte) / © Oded Balilty (dpa)
Tempelberg mit Felsendom (Mitte) / © Oded Balilty ( dpa )

Der Tempelberg, arabisch "Haram al-Scharif" (edles Heiligtum) ist für Juden, Muslime und Christen eine wichtige Heilige Stätte. Bis zur Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 befand sich an dieser Stelle der jüdische Tempel, zentrales Heiligtum Israels.

Zahlreiche mythische und biblische Traditionen und Legenden wie die Erschaffung Adams und Evas, die Opferung Isaaks und die Himmelfahrt Mohammeds sind mit dem Ort verbunden. Die Stätte liegt im Südosten der Jerusalemer Altstadt oberhalb des Kidron-Tals.

Quelle:
KNA
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