Indisch-sri-lankische Christen feiern Heilige Woche

Starker Glaube, viele Sprachen in Jerusalem

Sari, Wickelrock und Sprachenvielfalt: Mit ihrem Palmsonntag haben indische und sri-lankische Christen in Jerusalem die Heilige Woche eröffnet. Am Schabbat, denn Sonntag ist auch für Christen in Israel ein Arbeitstag.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Indische und srilankische Christen feiern Palmsonntag in Jerusalem. Die Prozession zieht über den Ölberg. / © Andrea Krogmann (KNA)
Indische und srilankische Christen feiern Palmsonntag in Jerusalem. Die Prozession zieht über den Ölberg. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Es ist ein ungewohntes Bild in Betfage östlich des Ölbergs von Jerusalem. Männer, Frauen und Kinder aus Sri Lanka und verschiedenen Landesteilen Indiens haben sich im Innenhof des Heiligtums versammelt, das den Stein markiert, von dem aus Jesus der Überlieferung nach auf einen Esel gestiegen und dann nach Jerusalem eingezogen sein soll.

Palmprozession über den Ölberg

Viele tragen exotisch anmutende Kleidung, Frauen in bunten Tuniken, Männer im Wickelrock. In den Händen Ölzweige, Palmwedel - begleitet von Pauken und Trompeten, wollen sie es Jesus gleichtun. Mit der Palmprozession der Migrantengemeinden über den Ölberg haben in Jerusalem die Feiern zur Heiligen Woche begonnen.

Die Lingua franca an diesem Morgen ist Englisch, aber eigentlich sprechen sie Singhalesisch, Konkani, Malayalam und noch ein paar weitere Sprachen Indiens. "Warum feiert ihr nicht gemeinsam?", lautet eine der Fragen, die die indischen und sri-lankischen Gemeinschaften im Heiligen Land häufig zu hören bekommen. "Warum feiert ihr Deutschen nicht zusammen mit den Polen, ihr seid doch alles Europäer", so die Antwort aus den beiden sehr unterschiedlichen Gruppen.

Englisch als Verkehrssprache

Ihren Alltag verbringen die Christen in einem hebräischsprachigen, jüdischen Umfeld, Englisch ist häufig die Verkehrssprache. Wenigstens den Glauben wollen sie in ihrer Muttersprache praktizieren. Auch darum ist Sari aus Sri Lanka so dankbar für den neuen Patriarchalvikar Nikodemus Schnabel.

Der Benediktinerpater von der deutschsprachigen Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg ist im Juli zum Leiter des Vikariats für Migranten und Asylsuchende ernannt worden. "Uns fehlt es an singhalesischsprachigen Priestern", sagt Sari, "aber Pater Nikodemus bemüht sich darum." Für die Zwischenzeit haben der Benediktiner und seine sri-lankische Gemeinde eine Übergangslösung gefunden: Er betet auf Englisch, die Gemeinde antwortet in ihrer Muttersprache.

Nikodemus Schnabel, Benediktinerpater und Patriarchalvikar des Vikariats für Migranten und Asylsuchende des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem (VMAS), während des Palmsonntagsgottesdienstes in Jerusalem. / © Andrea Krogmann (KNA)
Nikodemus Schnabel, Benediktinerpater und Patriarchalvikar des Vikariats für Migranten und Asylsuchende des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem (VMAS), während des Palmsonntagsgottesdienstes in Jerusalem. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Immer mehr Menschen drängen sich um den Freiluftaltar. "Wenn die indischen und sri-lankischen Christen sagen, es kämen ein paar hundert, sind es am Ende mindestens 1.500", sagt Nikodemus Schnabel und lacht. Es sei "wohl die einzige Gruppe im Heiligen Land", die ihre zahlenmäßige Präsenz regelmäßig großzügig abrunde. Genaue Zahlen haben weder Schnabel noch die von ihm mit der Seelsorge betrauten Ordenspriester. Mit geschätzt etwa 8.000 sind die Konkani-sprechenden Inder die größte Gruppe, sagt Pater Santosch Lobo, der die Konkani-Gemeinde in Tel Aviv betreut.

Was immer die verschiedenen Gruppen sprachlich trennt, ihre Lebensrealität als Arbeitsmigranten in Israel trägt vielfach die gleichen schwierigen Züge. "In der Hierarchie der Migranten gehören Inder und Sri-Lanker zu den unterprivilegiertesten", erklärt Schnabel, der die oft harten Arbeitsbedingungen der in der Pflege oder Reinigung Beschäftigten mit moderner Sklaverei vergleicht. "Oft begegnen diese Gläubigen mangelnder Religionsfreiheit. Ihre Arbeitgeber erlauben ihnen keine christlichen Symbole, manche müssen sich zum Gottesdienst schleichen oder müssen für ihre Vertretung bezahlen", so der Benediktiner.

Palmsonntag am Samstag

Gottesdienste zu ungewöhnlichen Zeiten und an ungewöhnlichen Orten sind die Antwort der Migrantenseelsorge. Wie der Palmsonntag am Samstag zum Beispiel: "Sonntag ist ein Arbeitstag. Schabbat ist der jüdische Ruhetag, deshalb feiern wir schon heute", erklärt Schwester Anuscha. Die sri-lankische Ordensfrau lebt seit knapp vier Jahren im Heiligen Land und ist begeistert vom Zusammenhalt der Migrantengemeinde, der sich etwa in den gemeinsam organisierten Mahlzeiten nach den Gottesdiensten äußert.

Indische Christen der Malajalam-sprechenden Gemeinde feiern am Palmsonntag Messe in der Grotte von Gethsemane / © Andrea Krogmann (KNA)
Indische Christen der Malajalam-sprechenden Gemeinde feiern am Palmsonntag Messe in der Grotte von Gethsemane / © Andrea Krogmann ( KNA )

Laut und freudig empfingen die Jünger Jesus in Jerusalem und zogen sich so den Zorn einiger Pharisäer zu, heißt es im Tagesevangelium. "Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien", erwiderte Jesus die Kritik. Die Steine Jerusalems schreien bis heute vor Freude über das Heilsgeschehen, ermutigte Schnabel seine Gemeinde, der Heiligen Stadt und ihrer Friedensbotschaft zu lauschen und "trotz aller Probleme und Herausforderungen" in die Freude einzustimmen.

Diese Freude ist spürbar, als die bunte Menge gemeinsam über den Ölberg zieht und auch in den jeweiligen Messfeiern zum Abschluss der Prozession: Die kleine Gruppe der Sri-Lanker um den deutschen Benediktinerpater auf dem Gelände der Dominus-Flevit-Kirche, die Malayalam-Inder in der Grotte unter dem Garten Gethsemane und die Konkani-Inder, die die Kirche der Nationen am Fuß des Ölbergs bis zum letzten Platz füllen.

Lateinisches Patriarchat von Jerusalem

Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem betreut die rund 60.000 bis 70.000 römisch-katholischen Christen im Heiligen Land. Seine Jurisdiktion erstreckt sich über das Staatsgebiet von Israel, Jordanien, Zypern und die Palästinensischen Gebiete. Die Ursprünge des Patriarchats liegen in der Zeit der Kreuzfahrer, die sich als "Lateiner" bezeichneten. Es erlosch jedoch mit dem Fall Akkos 1291. Im Jahr 1847 belebte Papst Pius IX. das Patriarchat neu.

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)
Quelle:
KNA