Bischof Bode reflektiert die Wochen der Krise

"Krankheit hat mich auf Corona vorbereitet"

Vor zwei Jahre musste sich der Bischof von Osnabrück über Monate aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Jetzt ist er dankbar für diese Erfahrung, weil sie ihn auch auf die Corona-Zeit vorbereitet hat: Bischof Bode im Interview.

Bischof Franz-Josef Bode in seinem Ornat / © Lars Berg (KNA)
Bischof Franz-Josef Bode in seinem Ornat / © Lars Berg ( KNA )

HIMMELKLAR: Wie ist bei Ihnen die Lage? Wie geht es Ihnen gerade?

Franz-Josef Bode (Bischof von Osnabrück): Insgesamt geht es mir gesundheitlich ganz gut. Ich habe ja durch diese Corona-Zeit ruhigere Abende, obwohl es bei Tage eigentlich hektischer ist. Ich würde sagen, es gibt zwar mehr Zeit, aber nicht wirklich Muße oder Ruhe, weil man immer angespannt ist wegen der Ungewissheit, ob wieder neue Dinge kommen. Im Moment befassen wir uns sehr stark mit den Öffnungen für die Gottesdienste, da müssen ja tausend Sachen bedacht werden. Das ist schon ziemlich anstrengend.

HIMMELKLAR: Sie haben gesagt, dass die Abende ein bisschen ruhiger sind. Was machen Sie da jetzt?

Bode: Ich gucke mir manchmal kurz unsere Livestreamgottesdienste an, wie es so gelaufen ist und gucke natürlich die Nachrichten, was das Neuste mit Corona ist. Meistens schaue ich auch noch irgendeinen schönen Krimi.

HIMMELKLAR: Sie sind ja ein Mensch, der gerne unter Menschen ist. Fehlt Ihnen das?

Bode: Ja, das fehlt mir sehr. Ich bin natürlich telefonisch mit vielen in Kontakt und treffe auf kleinen Sitzungen und mit Abstand den Tag über viele Leute. Ich bestelle mir auch Einzelgespräche ins Haus, da ich keine Visitationen machen kann. Gespräche mit Leuten habe ich genügend, aber dieses gesellige Zusammensein fehlt mir sehr. Wir mussten jetzt auch den Urlaub absagen, ich wollte mit einer Priestergruppe los nach Italien, das wird auch nicht gehen. Das ist schon alles ein bisschen traurig, meine Geschwister sehe ich nie, das ist schon nicht so schön.

HIMMELKLAR: Was sagen Sie eigentlich als Seelsorger dazu? Wie sollen Menschen mit so einer Situation umgehen, wo man im Prinzip gar kein privates gesellschaftliches Leben mehr hat?

Bode: Man muss schon sehr die Möglichkeiten nutzen per Telefon oder mit Skype und Video Kontakte zu schaffen, sodass man möglichst mit Leuten am Tag eine gewisse Zeit im Gespräch ist. Man sollte seinen Tag auch immer gut strukturieren. Das ist dann besser zu ertragen, als wenn man in den Tag hineinlebt. Diese gewisse Ordnung ist wichtig. Ich glaube, dass jetzt Geduld notwendig ist und man muss sich Kontakte anderer Art schaffen. Man muss sich eben mehr hören im Moment als berühren und sehen.

HIMMELKLAR: Jemand hat ja auch gesagt, dass Berührung nicht gleichzusetzen sei mit Körperkontakt.

Bode: Das ist richtig. Es gibt ein "Berührt sein" von etwas: Gottesdienst, Musik, Natur. Wir haben natürlich eine ganz große Hilfe dadurch, dass jetzt so schönes Wetter ist. Ich bin sehr privilegiert, ich habe ein großes Haus und einen großen Garten. Wenn ich das vergleiche mit Menschen, die auf ein paar Quadratmetern mit Familie zusammenwohnen müssen, ist das vollkommen anders.

Ich habe das Ganze ja auch ein bisschen einüben können, ich war ja vor zwei Jahren sehr lange krank und habe eine sehr lange Rekonvaleszenz-Zeit gehabt, das war fast genauso, allerdings konnten mich da Leute besuchen. Das war der Unterschied.

HIMMELKLAR: Was haben Sie aus der Zeit für jetzt mitgenommen? Was können Sie da für Ratschläge geben?

Bode: Dass man wirklich geordnet den Tag anfängt, ich stehe jeden Morgen weiterhin um sechs Uhr auf und mache mich in aller Ruhe fertig und bete bei mir. Wir feiern irgendwann am Tag die Messe, sei es, dass es gestreamed ist im Dom oder dass ich das privat hier bei mir tue. Es ist noch ein Domkapitular, der hier mit mir wohnt im Haus, mit mir isst, sodass ich nicht alleine bin . Dann gehe ich meine normalen Bürodinge an, wir haben ja jetzt sehr viele Videokonferenzen, das musste ich ein bisschen lernen. Wir haben ja auch mit der Bischofskonferenz das erste Mal eine Videokonferenz gemacht. Dafür habe ich einen schönen Platz hier im Haus. Ich mache viele Vorbereitungen für die Predigten für die Gottesdienste, weil ich da sehr bewusst auch immer kurz etwas sage zu den Texten, was die Leute sehr dankbar aufnehmen. Dadurch habe ich jeden Tag etwas zu schreiben und kreativ zu produzieren, insofern ist der Tag eigentlich gut gefüllt. Ich kann da nicht klagen.

HIMMELKLAR: Sie haben gerade die Sitzung der Bischofskonferenz per Videokonferenz angesprochen. Da ging ja dieses herrliche Bild um, wie Sie da alle 27 Leute in Ihren Videofenstern sind. Wie haben Sie das von Ihrer Seite erlebt? Funktioniert das sich auf diese Art auszutauschen oder ist das kompliziert?

Bode: Also ich bin ein bisschen erstaunt. Ich bin sonst immer ein Gegner dieser Dinge gewesen. Ich bin erstaunt, wie gut das klappt, wenn es gut moderiert wird. Selbst mit 30 Leuten können Sie das gut machen. Man spricht ja sehr geordnet, man muss sich kurz fassen, man wird aufgerufen, in der Chatfunktion stehen ja die Namen. Ich muss sagen, bei Sachen, wo man jetzt nicht zu sehr die atmosphärische und argumentative Seite braucht, wie bei längeren Diskussionen zum Beispiel im Fall eines Missbrauchs, da wird es schwieriger. Aber wenn Sie Dinge nur abhandeln, besprechen oder ein paar Argumente zum weiteren Vorgehen sammeln, um Entscheidungen zu treffen, kann das manchmal sogar zielführender sein. Ich denke, dass es so ein bisschen auf die Materie ankommt.

HIMMELKLAR: Funktioniert das denn auch beim Synodalen Weg? Da sind ja die Foren im Moment auch per Video gestaltet.

Bode: Ja, ich bin erstaunt. Ich kann das nur vom Frauenforum sagen, da bin ich ja Vorsitzender mit Frau Sattler zusammen, wir haben das in drei Arbeitsgruppen geteilt. Die sind dann nicht so groß. Wir haben mit allen drei Arbeitsgruppen eine Videokonferenz gehabt. Da ist eine Moderatorin, die das ausgezeichnet macht, die Frau Singer von dem Zentralkomitee und Frau Kunz macht ein Protokoll. Das ist gut vorbereitet, wenn man da zwei Stunden rangeht, kann man manchmal mindestens so viel erreichen wie ansonsten mit vier Stunden, weil man dann einfach etwas konzentrierter ist. Es ist zwar anstrengender, aber es ist eine gute Möglichkeit, sodass wir in unserem Frauenforum mit diesen Gruppen ganz gut vorwärts kommen. Wir wissen ja noch nicht, ob die Gesamtsynodalversammlung stattfindet, aber wenn, könnten wir schon einen ersten Teil einbringen.

HIMMELKLAR: Lassen Sie uns mal ein bisschen aufs Bistum schauen. Grundsätzlich gesprochen sind ja ländliche Regionen nicht so heftig vom Virus betroffen und wünschen sich auch mehr und schnellere Öffnungen. Wie sieht denn das bei Ihnen alles aus?

Bode: Ja, also bei uns in den ländlichen Räumen sind die Zahlen nicht so dramatisch. Aber der Corona-Virus war uns sehr nahe gekommen, ein Domkapitular ist daran mit 87 Jahren gestorben und zwei weitere waren infiziert. Also wir hatten es also sehr nahe und dadurch, dass wir hier große Krankenhausträger sind in Osnabrück, haben wir mit ganz vielen Problemen zu kämpfen. Wir haben 250 Kindergärten im Bistum. Das sind natürlich viele Dinge, die man in der Krisenstabsstelle ständig bedenken muss. Der Druck auf die Gottesdienstfrage ist nicht so dramatisch. Ich habe immer gesagt, dass man auch auf andere Weise mit Gott verbunden sein kann und dass man das nicht nur über das Sakrament kann. Diese virtuellen Gottesdienstgemeinden haben durchaus eine hohe Funktion und auch die anderen Gottesdienstformen sind sehr wichtig. Das betrifft nicht nur die Eucharistie. Wir sollten auf keinen Fall dahinkommen, dass der Gottesdienst wieder zur neuen Gefährdung für die Leute wird. Wer Zuhause bleibt, um sich und andere nicht zu gefährden, den muss man auch stützen und man darf ihn nicht in eine falsche Gewissensnot bringen.

HIMMELKLAR: Ohne Gesang, mit Hygiene, mit Abstand, ohne Friedensgruß und wie auch immer die Kommunion geregelt wird, ich finde das irgendwie noch bedrückender als überhaupt nicht zu gehen.

Bode: Ja, viele haben ja doch diesen Eindruck, wenn sie Livestreamgottesdienste verfolgen, dass sie eine Beziehung zur Gemeinde aufbauen können. Dabei konzentriert sich das Ganze doch sehr. Das ist ja nicht eine Teilnahme an einer feiernden Gemeinde, wie das beim Fernsehgottesdienst der Fall ist, sondern da nimmt man Teil an dem Geschehen im Altarraum, mit Cantor und mit Lektor und mit dem Zelebranten und Organisten. Es entsteht eine kleine Beziehung, aber jeder weiß, dass Tausende mithören und diese virtuelle Gemeinde stellt man sich mit der Zeit auch immer mehr vor, sodass schon eine innige Teilnahme stattfinden kann, die vielleicht intensiver ist als wenn man in der letzten Reihe des Doms steht oder in einer Kirche nur in jeder zweiten Bank jemand sitzt. Unter diesen Umständen, die Sie erklärt haben, kann man schon abwägen und den Weg wählen, wo man innerlich am besten dabei sein kann. Das ist ja das Entscheidende.

HIMMELKLAR: Was bringt Ihnen im Moment Hoffnung in dieser Zeit?

Bode: Also die Hoffnung ist für mich, dass Menschen doch durch diese vollständig neue und außergewöhnliche Situation nachdenklicher werden. Sie verändern ihren Umgang mit allem, mit der Zeit, mit der Schöpfung und mit Menschen. Das alles ist nicht selbstverständlich und man lebt bewusster, weil dies alles so in Frage stellt, das dürfen wir nicht verlieren. Wir werden durch diese Situation offener und barmherziger. Das muss bleiben. Mein großer Wunsch und meine Hoffnung ist, dass sich etwas verwesendlicht und wir nicht wieder in so einen leichtfertigen Umgang mit dem Leben verfallen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Das Interview ist Teil des Podcasts Himmelklar – ein überdiözesanes Podcast-Projekt koordiniert von der MD GmbH in Zusammenarbeit mit katholisch.de und DOMRADIO.DE. Unterstützt vom Katholischen Medienhaus in Bonn und der APG mbH. Moderiert von Renardo Schlegelmilch.

 

Podcast: Himmelklar - Fürchtet Euch nicht (MDG)
Podcast: Himmelklar - Fürchtet Euch nicht / ( MDG )