Kongress erinnert an NS-Ärzteprozess vor 75 Jahren

Wegweisend für Medizinethik

Ein internationaler Kongress zu "Medizin und Gewissen" hat am Wochenende in Nürnberg an den ersten Prozess gegen NS-Ärzte erinnert, der dort vor 75 Jahren endete. Sieben der 23 Angeklagten wurden damals zum Tode verurteilt.

Nürnberger Altstadt / © Harald Oppitz (KNA)
Nürnberger Altstadt / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Urteilte fielen aufgrund tödlicher Menschenexperimente, sadistischer Quälereien und ihrer Verantwortung für die Ermordung hunderttausender kranker und behinderter Menschen. Die anderen Angeklagten wurden freigesprochen oder kamen trotz zum Teil lebenslanger Haftstrafen bald wieder auf freien Fuß und konnten ihre Karrieren fortsetzen.

Wichtig für Medizinethik

Der Prozess war zugleich wegweisend für die Entwicklung der Medizinethik. So besagt der sogenannte Nürnberger Kodex, dass kein Mensch ohne seine freiwillige, informierte Zustimmung medizinisch behandelt werden darf. An der von der Ärzteorganisation IPPNW veranstalteten dreitägigen Konferenz nahmen laut Mitteilung vom Sonntag rund 250 Medizinerinnen und Mediziner sowie Studierende teil.

Paul Weindling von der Oxford Brokes University bemängelte, dass bis heute keine vollständige Auflistung von Euthanasieopfern der Nazis existiere. "Es gibt also immer noch viel zu tun zur Identifizierung und Respektierung vieler Opfer." George J. Annas von der Bosten University School zeigte auf, dass die inhumane Praxis von Menschenversuchen trotz der Lehren aus den Nürnberger Ärzteprozessen fortgesetzt wurde. Er verwies auf Plutonium-Versuche in den USA, mit denen die Wirkung von Radioaktivität auf den menschlichen Organismus erforscht werden sollte.

Auch Russland und Ukraine Thema

Sondra Crosby aus Boston sagte, Ärztinnen und Ärzte in den USA hätten Folterungen der CIA im Gefängnis Abu Ghraib und auf Guantanamo vorbereitet, fachlich begleitet und dokumentiert. Bis auf einen Zivilprozess gegen zwei Psychologen seien keinerlei Ermittlungen gegen sie aufgenommen worden.

Die Vorsitzende der deutschen IPPNW-Sektion, Angelika Claussen, sagte, ihre Organisation sehe in der Klimakrise und der zunehmenden Gefahr eines Atomkriegs die beiden größten Bedrohungen im 21. Jahrhundert. Russland und die USA sollten eine Verzichtserklärung zum Ersteinsatz solcher Waffen unterzeichnen. Außerdem sprach sich Claussen für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und eine Verhandlungslösung aus.

Quelle:
KNA
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