Gastkommentar von Kolping International zur Namenswahl des Papstes

Die alten "neuen Dinge" des Papstes Leo XIV.

Was sagt die Namenswahl über den neuen Papst Leo XIV. aus? Markus Demele von Kolping International sieht den inhaltlichen Ton gesetzt. Der Name folgt dem Begründer der katholischen Soziallehre. Ein Gastkommentar.

Autor/in:
Markus Demele
Gottesdienst mit Papst Leo XIV. in der Sixtina / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Gottesdienst mit Papst Leo XIV. in der Sixtina / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Ein neuer Papst, ein neuer Name, ein neues Gesicht. Jedes Wort und jede Geste des Augustinerpaters Robert Francis Prevost wurden am Tag seiner Vorstellung naturgemäß intensiv analysiert. Da geben sich Exegese und Eisegese, also das Heraus-, aber auch das Hineindeuten in alles, was mit dem neuen Pontifex zu tun hat, die Hand. Wie gut manche Prophezeiungen aus diesen ersten Tagen des neuen Pontifikats altern, wird sich zeigen.

Mit einer Deutung wird man sich jedoch sicher nicht zu weit aus dem Fenster lehnen: mit der Wahl des Namens Leo ist ein inhaltlicher Ton gesetzt. Denn ihm als XIV. Namensträger ging der große Leo XIII. voraus, der als Begründer der katholischen Soziallehre gilt. Sein 1891 erschienenes Schreiben "Rerum Novarum" von den "neuen Dingen" ist die erste Sozialenzyklika, weil sie sich systematisch mit der "Arbeiterfrage" auseinandersetzte und die Frage nach einem gerechten Lohn in den Blick nahm. Auch die Notwendigkeit staatlicher sozialer Sicherungsleistungen wurde erstmalig von Leo XIII. ins Wort gebracht. Zentral ist jedoch, dass er als erster Papst den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital sah, wenngleich er versuchte, diesen allein durch den Geist christlicher Nächstenliebe zu überwinden.

Die damals als neu erkannten Dinge gelten heute als altbekannt, breit erforscht und in der Tradition römischer Sozialverkündigung von vielen Seiten beleuchtet. Der Konflikt zwischen den wenigen mächtigen Kapitaleignern und jener Mehrheit, die nichts anderes zur Überlebenssicherung hat als ihrer Hände und Hirne Arbeitskraft, bleibt jedoch weiter ungelöst. Der Kapitalismus, wohlgleich in Europa "sozial temperiert", wie Oswald von Nell-Breuning SJ es formulierte, bedeutet aber in einer globalen Perspektive noch immer die millionenfache Ausbeutung, Unterdrückung, ja auch Erniedrigung von Menschen. Der unmittelbare Vorgänger Leo XIV. formulierte im Franziskus-Sound kantig: "Diese Wirtschaft tötet!"

Die Wahl des Namens Leo IV. deutet also darauf hin, dass Prevost an diese große Tradition römischer Sozialverkündigung anschließen möchte. Dass auch er die Not der arbeitenden Armen der Welt sieht und in einer systematischen, durch die Liebesbotschaft des Evangeliums erhellten Weise diese Not lindern will. Sicher haben die Jahre des Lebens mit den Kleinbauern im peruanischen Chiclayo, ihre Lebensumstände und ihr mühsamer Überlebenskampf den neuen Leo geprägt. Es ist daher zu erwarten, dass er die Besitzenden sowohl in die individuelle als auch in die sozialethische Pflicht nehmen wird. 

Denn wo Leo XIII. seinerzeit noch nicht wagte, die strukturellen Machtverhältnisse zu adressieren, auch aus der Angst, die braven Katholiken könnten dem revolutionären Sozialismus anheimfallen, betonen die Sozialenzykliken der letzten Jahrzehnte die Bedeutung von Gewerkschaften, internationalen Arbeitsnormen und dem Ziel, das Menschen in ihrer Arbeit Erfüllung finden, gar Anteil haben am Wirken Gottes in der Welt.

Aber auch in ekklesiologischer Hinsicht deutet die Namenswahl eine Kontinuität mit Leo XIII. an. So wenig dieser sich traute, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fundamental vom Kopf auf die Füße zu stellen, so wenig wird auch Leo XIV. die Strukturen der Kirche radikal ändern. Wenn er auch nicht wie Leo XIII. glauben mag, dass die gesellschaftlichen Strukturen letztlich Gott gegeben sind, so wird er in den kirchlichen Strukturen wohl kaum einen revolutionären Wandel vorantreiben. Aber er wird dem Heiligen Geist in der Synodalität der Kirche Raum geben und dieser Geist weht bekanntlich wo und wie er will. In der Wahl Leo XIV. scheint er bereits besonnen und doch mit pfingstlichem Schwung am Werk zu sein.

Informationen zum Autoren: 
Dr. Markus Demele ist Generalsekretär von Kolping International

Markus Demele (Kolping International)

Kolping International

Kolping International ist ein katholischer Sozialverband, der 1850 durch den Priester und Sozialreformer Adolph Kolping gegründet wurde. Mittlerweile sind sie als starke Weltfamilie und Solidargemeinschaft von Kolpingschwestern und Kolpingbrüdern in 60 Ländern aktiv. Man findet viele der 400.000 Mitglieder engagiert in Kirche, Gesellschaft und Politik.

Kolping-Tag / © Kolping (Kolping)
Kolping-Tag / © Kolping ( Kolping )

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