DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn den Moment erlebt, als Carlo Acutis von Papst Leo XIV. heiliggesprochen wurde?
Dominik Grässlin (Kaplan aus Köln): Wir sind heute Nacht erst zurückgekehrt. Wir haben einiges an Schlaf nachzuholen, aber wir sind ja beschenkt zurückgekehrt. Es war sehr berührend, diesen Moment zu erleben, der an sich ein ganz schlichter war. Die Heiligsprechung selbst war in wenigen Sätzen durch den Papst geschehen. Aber die große Gemeinschaft der Zehntausenden, in der wir zusammen waren, war schon sehr berührend.
DOMRADIO.DE: Carlo war ein ganz normaler italienischer Jugendlicher und zugleich tiefgläubig. Warum berührt er gerade heute so viele Menschen?
Grässlin: Genau wegen dieser Verbindung aus Gewöhnlichem und Außergewöhnlichem. Man sagt zu ihm "Heiliger in Sneakers und Jeans". Dieser Mensch ist in seinen jungen Jahren gerne zur Kirche gegangen und hat den Armen geholfen. Er hatte eine besondere Verbindung mit Gott aufgebaut. Er hat gezeigt, dass das alles möglich ist.
Das heißt, man kann normal sein und muss sich nicht verstellen. Carlo hatte eine ganz natürliche Haltung der Liebe zu den Menschen und lebte diese in einem ganz normalen jugendlichen Leben. Das ist das Besondere an ihm.
DOMRADIO.DE: Ungewöhnlich war das Tempo dieser Heiligsprechung. Teilweise wird kritisiert, dass sie sehr schnell erfolgte. Zum Vergleich: Bei Hildegard von Bingen dauerte es über 800 Jahre, bis sie heiliggesprochen wurde. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?
Grässlin: Ich kann die Kritik am Verfahren verstehen. Hildegard von Bingen und Carlo kann man aber nicht ganz vergleichen. Die historischen Umstände sind anders, die Verfahren waren anders. Gerade bei Carlo war das heilige Leben und die Verehrung durch die Gläubigen schon sehr deutlich zu erkennen.
Außerdem kamen zwei bestätigte Wunder dazu. Da diese Dinge feststanden, konnte das Verfahren entsprechend schnell gehen. Man sieht, wie er von den Menschen verehrt wird und er – wie man theologisch sagt – im Ruf der Heiligkeit steht. Deshalb sehe ich kein Problem darin, dass es auch relativ schnell geht.
DOMRADIO.DE: Kritiker sagen, Carlo Akutis werde als frommer Influencer für die Kirche instrumentalisiert. Ist da was dran?
Grässlin: Ich sehe das nicht. Er hat sein Leben wie ein Influencer geführt, natürlich nicht im heutigen Sinne, denn Social Media gab es damals noch nicht so wie heute, aber der Ausdruck beschreibt sehr schön, was er getan hat. Lassen wir doch mal zu, dass Gott tatsächlich so einen Influencer entstehen lässt und für die Menschen wirken lässt.
DOMRADIO.DE: Sie gehören zum "Freundeskreis von Carlo Acutis". Wird dieser weitergeführt oder sehen Sie die Heiligsprechung als einen Höhepunkt, sodass man den Kreis im Grunde wieder auflösen kann?
Grässlin: Im Gegenteil. Wir sind sehr bestärkt aus Rom zurückgekehrt und werden natürlich weitermachen, jetzt mit dem Rückenwind der Heiligsprechung. Mehr denn je wollen wir auf Carlo schauen und den Menschen zeigen: "Ja, es ist heute möglich, heilig zu werden, auch für junge Menschen. Gott bereichert euer Leben."
Das Interview führte Tobias Fricke.