DOMRADIO.DE: Wie sieht denn so eine Wald-Auszeit bei Ihnen aus?
Sr. Beate Krug (Nachhaltigkeitsbeauftragte im Kloster Oberzell): Hauptsächlich gehen wir in den Wald, verbringen Zeit im Wald und lassen diese heilsame Atmosphäre auf uns wirken. Dieses "Waldbaden" kommt aus der japanischen Tradition und bedeutet übersetzt "Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes" und das machen wir während einer Wald-Auszeit.
DOMRADIO.DE: Ist das ganz anders als Spazierengehen oder Pilgern?
Krug: Es gibt schon einen Unterschied. Das Ziel von der Veranstaltung ist, einfach zur Ruhe zu kommen, zu entschleunigen, ins Spüren zu kommen und ganz im Hier und Jetzt präsent zu sein. Also es gibt verschiedene Übungen für Körper, Geist und Seele. Eine Übung zum Beispiel ist ein Waldmandala, in dem die Personen Naturmaterialien, die sie im Wald finden, sammeln und ihr eigenes Waldmandala gestalten. Aus Zapfen, Steinen, Blättern, Ästen, was auch immer im Wald zu finden ist. Das zentriert noch mal und hilft zu sich selbst zu kommen und dabei sind schon ganz tolle Kunstwerke entstanden.
DOMRADIO.DE: Redet man dann nach auch drüber?
Krug: Nicht direkt nach der Übung. Die ganze Waldauszeit findet hauptsächlich im Schweigen statt. Es gibt am Anfang natürlich eine Begrüßung und eine kurze Vorstellungsrunde und auch einen kurzen Theorie-Teil und zum Abschluss nochmal so eine Runde, in der wir darüber sprechen, was mir gutgetan hat oder was nehme ich jetzt mit.
DOMRADIO.DE: Wer folgt denn Ihrer Einladung? Was sind das für Menschen?
Krug: Die Veranstaltung ist offen für Interessierte von 0 bis 99, also jeglichen Alters, und es sind tatsächlich auch ganz unterschiedliche Menschen, jüngere, ältere Menschen, die vielleicht von einem anstrengenden Arbeitstag kommen und diesen ruhig ausklingen lassen wollen. Manche kommen auch wieder zu einer anderen Veranstaltung oder zur nächsten Waldauszeit, also wirklich ganz unterschiedlich. Und die meisten sind danach erholter, ruhiger, einfach in sich ruhender.
DOMRADIO.DE: Die Idee des Waldbadens stammt aus Japan, dahinter steht eine eher fernöstliche Spiritualität. Wie passt denn das zu unserer christlichen Spiritualität?
Krug: Hildegard von Bingen, die im 12. Jahrhundert lebte, sagte bereits, geh einfach in das Grün des Waldes und du wirst Heilung erfahren, allein in dem du dort bist und atmest. Also es war eigentlich schon so eine Vorform von Waldbaden. Ich bin ja Franziskanerin und Franz von Assisi hat ja alle Geschöpfe als Geschwister, also als Bruder oder Schwester bezeichnet. Dieses Jahr feiern wir 800 Jahre Sonnengesang, dem wohl berühmtesten Text von Franz von Assisi, der auch Loblied der Geschöpfe genannt wird. Von daher stehe ich da in der Tradition unseres Ordensgründers und auch Franz von Assisi war ja viel im Wald und die Einsiedeleien, die er aufsuchte. Befinden sich ja auch in den umbrischen Wäldern.
DOMRADIO.DE: War das der Moment, an dem Sie gesagt haben, das finde ich jetzt so toll, das biete ich auch für andere Menschen an?
Krug: Ich habe selbst erfahren, dass es mir guttut, so mit allen Sinnen die Schöpfung zu erfahren. Und ich finde es auch sehr wichtig heutzutage, wir sind ja auch "Kopfmenschen", die anderen Sinne anzusprechen. Ich hatte ja schon gesagt, dass die Übungen für Körper, Geist und Seele sind und es geht einfach auch ums Tasten, Riechen, Schmecken und darum, andere Wahrnehmungsebenen anzusprechen.
Das Interview führte Heike Sicconi.