Kirchliche Zustimmung für rot-grüne Pläne in Niedersachsen

Konstruktive Zusammenarbeit

Ökumenischer Religionsunterricht, rechtliche Anerkennung des Islam, Ablösung der Staatsleistungen: Das hat sich die neue Landesregierung in Niedersachsen auf die Fahne geschrieben. Ein kirchlicher Blick auf den Koalitionsvertrag.

Autor/in:
Michael Althaus
Stephan Weil (SPD, vorne l), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen, vorne r) / © Moritz Frankenberg (dpa)
Stephan Weil (SPD, vorne l), Ministerpräsident von Niedersachsen, und Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen, vorne r) / © Moritz Frankenberg ( dpa )

Knapp einen Monat nach der Landtagswahl ist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in seinem Amt bestätigt worden. Sein Regierungsbündnis aus SPD und Grünen folgt auf eine Koalition aus SPD und CDU, die fünf Jahre die Geschicke des nördlichen Bundeslands gelenkt hatte. Auf einen Koalitionsvertrag einigte sich Rot-Grün in ungewöhnlich schnellen Verhandlungen.

Gemeinsamer Religionsunterricht

Das Papier mit dem Titel "Sicher in Zeiten des Wandels" widmet dem Thema Religion einen eigenen kurzen Passus. Rot-Grün begrüßt darin ausdrücklich die Einführung eines gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterrichts. Entsprechende Pläne werden von den Kirchen seit einiger Zeit vorbereitet und bedürfen der Zustimmung der Landesregierung. "Die Kirchen wollen wir bei ihrem Weg zu einem gemeinsamen Religionsunterricht unterstützen", heißt es dazu im Vertrag.

Fahne mit Wappen Niedersachsens / © axim Studio (shutterstock)
Fahne mit Wappen Niedersachsens / © axim Studio ( shutterstock )

Zugleich will die Koalition die Weiterentwicklung des Unterrichtsfachs "Werte und Normen" positiv begleiten "und mit den Religionsgemeinschaften eruieren, wie ein gemeinsamer konfessionsgebundener und konfessionsloser Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler entwickelt werden kann". Was damit genau gemeint ist, ist Beobachtern unklar. Konkrete Pläne zur Entwicklung eines ausschließlichen weltanschaulich neutralen Unterrichts gibt es derzeit in dem Bundesland jedenfalls nicht.

Staatsleistungen fair ablösen

Mit Blick auf die Kirchen greift Rot-Grün ein komplexes Thema auf: "Wir begleiten positiv den Prozess des Bundes, die kirchlichen Staatsleistungen fair abzulösen."

Konkrete Folgen dürfte dieser Satz zunächst nicht haben. Denn für eine Ablösung der Staatsleistungen bedarf es zunächst eines Gesetzes auf Bundesebene. Erst dann wären die Länder am Zug, auf Bistümer und Landeskirchen zuzugehen. Die Kirchen haben zum Teil bereits signalisiert, sie seien offen für dieses Thema.

Rechtliche Anerkennung des Islam

Auch kündigen die Regierungsparteien an, den Dialog mit muslimischen Religionsgemeinschaften über eine rechtliche Anerkennung fortsetzen zu wollen. Frühere Gespräche zum Abschluss eines Staatsvertrags nach dem Vorbild Hamburgs und Bremens waren 2016 auf Eis gelegt worden.

Grund waren der Putsch in der Türkei und die Diskussionen um eine Abhängigkeit des Moscheevereins Ditib von der Regierung in Ankara.

Dennoch hatte sich die bisherige Große Koalition nach einer Überprüfung bewusst dafür entschieden, weiter mit der Ditib im Dialog zu bleiben. Grund seien mangelnde Alternativen, hieß es damals. Gespräche blieben in der vergangenen Legislaturperiode jedoch ohne Ergebnis.

Ohnehin hatte sich Schwarz-Rot lediglich die "Entwicklung eines Formats der Zusammenarbeit" vorgenommen und war damit vom früheren Ziel eines Staatsvertrags abgerückt.

Dass im aktuellen Koalitionsvertrag von "rechtlicher Anerkennung" die Rede ist, lässt sich also als Zeichen der erneuten Annäherung verstehen und ist mutmaßlich auf den Einfluss der Grünen zurückzuführen. Als konkrete Maßnahmen, die vereinbart werden sollen, nennen die Regierungsparteien beispielhaft die Ausbildung von Imamen und muslimischer Religionslehrer an öffentlichen Universitäten.

Das Judentum wird im Vertrag kurz mit einem floskelhaft anmutenden Satz bedacht: "Die jüdischen Gemeinden werden wir weiterhin unterstützen – auch mit Blick auf die anstehenden Sicherheitsausgaben."

Katholisches Büro ist zufrieden

Prälat Felix Bernard  / © privat
Prälat Felix Bernard / © privat

Der Leiter des Katholischen Büros Niedersachsen, Felix Bernard, zeigt sich zufrieden mit der Koalitionsvereinbarung. "Der Vertrag ist an vielen Stellen offen formuliert und enthält gute Absichtserklärungen", sagte der Vertreter der niedersächsischen Bistümer bei Landtag und Landesregierung der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Das bietet die Chance, dass wir immer wieder unsere kirchlichen Anliegen ins Gespräch mit der Landesregierung und den Abgeordneten einbringen können."

Als positiv hob der katholische Lobbyist Pläne zur Einführung einer dritten Fachkraft in den Kitas, die geplante Bekämpfung der Kinder- und Familienarmut, eine Verstetigung der Migrationsarbeit sowie bessere Finanzhilfen für freie Schulen und Erwachsenenbildung hervor.

Zudem werde das kirchliche Anliegen, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, gleich zu Beginn des Vertrags aufgegriffen, wenn es zum Beispiel um Klimaschutz, Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien gehe.

Bernard erklärte, mit einer rot-grünen Koalition in Niedersachsen hätten die Kirchen bereits von 2013 bis 2017 "konstruktiv" zusammengearbeitet. Und: "Ich bin zuversichtlich, dass uns das auch jetzt wieder gelingen wird."

Quelle:
KNA