Sind Gottesdienstverbote verfassungsrechtlich erlaubt?

Kirchenrechtler ordnet ein

Bund und Länder haben sich aufgrund der Coronakrise für das Verbot von Gottesdiensten ausgesprochen. Aber ist das auch verfassungsrechtlich erlaubt? Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig ordnet die Maßnahme ein.

Autor/in:
Corinna Buschow
Gottesdienstbesucher / © Patrick Seeger (dpa)
Gottesdienstbesucher / © Patrick Seeger ( dpa )

Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig hält das am Montag von Bund und Ländern empfohlene Verbot von Gottesdiensten für verfassungsrechtlich in Ordnung.

"Die Maßnahmen sind verhältnismäßig", sagte der Göttinger Professor für Verfassungsrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Brisant sei aber die Frage, ob Bestattungen durchgeführt werden können, ergänzte er.

Seuchenschutzgesetz kommt ins Spiel

Heinig erläuterte, bereits im Parlamentarischen Rat sei diskutiert worden, unter welchen Bedingungen die Religionsfreiheit eingeschränkt werden könne. "Explizit wurde das Seuchenschutzgesetz als notwendige Schranke der Religionsfreiheit genannt", sagte er. Die jetzige Regelung sei daher nicht zu beanstanden, zumal sie temporär sei. "Das Recht auf Leben nach Artikel 2, Absatz 2 Grundgesetz ist ein höchstrangiges Verfassungsgut, das auch Eingriffe in die Religionsfreiheit zu rechtfertigen vermag", sagte Heinig.

Es stehe den Religionsgemeinschaften frei, weiter öffentlich zu wirken, erläuterte Heinig, der auch Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Beide Kirchen würden ihr Online-Angebot massiv ausweiten, auch Rundfunkgottesdienste fänden weiter statt, sagte Heinig. "Wer Halt im Leben und Trost im Sterben sucht, kann ihn im Glauben finden - gerade in Ausnahmezeiten wie diesen", betonte er.

Denkbar sei auch, dass Kirchen für ein individuelles Angebot geöffnet bleiben, wenn hygienische Vorkehrungen getroffen werden.

"Dann muss aber sichergestellt sein, dass sich immer nur wenige Personen mit genügend Abstand im Kirchraum aufhalten. Das wird in der Praxis organisatorisch kaum zu stemmen sein", räumte Heinig ein.

Bestattungen müssen weiter möglich sein

Bestattungen müssen aber nach Heinigs Einschätzung weiter möglich sein. "Eine würdevolle Grablegung ist vom postmortalen Persönlichkeitsrecht geschützt", sagte er. Man könne Bestattungen im Rahmen der technischen Möglichkeiten eine Zeitlang aufschieben und sie auf den allerengsten Familienkreis begrenzen. "Aber es wäre nicht hinnehmbar, die leiblichen Überreste Verstorbener teilnahmslos verscharren lassen zu müssen", sagte er.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte am Montagabend in der ARD-Sendung "Hart aber fair" gesagt, dass größere Menschenansammlungen auch bei Bestattungen vermieden werden sollen.

In seinem Heimatbundesland, dem Saarland, nähmen sehr viele Menschen bei Bestattungen Anteil. "Das wird in dieser Form jetzt nicht mehr möglich sein die nächste Zeit", sagte er. Es gebe aber sicher Möglichkeiten, das gemeinsame Gedenken nachzuholen.


Quelle:
epd