DOMRADIO.DE: Welche kirchenrechtlichen Vorgaben gibt es für die Versetzung von Pfarrern?
Prof. Dr. Christoph Ohly (Professor für Kirchenrecht an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie): Die Versetzung von Pfarrern ist im Kirchenrecht im Zusammenhang mit den generellen Regeln zu Versetzungen mit Blick auf kirchliche Ämter geregelt. Pfarrer stellen hier eine besondere Gruppe dar, die im Leben der Kirche häufig vorkommt. Man unterscheidet bei den Normen zur Versetzung zwei Bereiche: Zum einen die freiwillige Versetzung. Das bedeutet, dass entweder der Amtsinhaber oder der Diözesanbischof über einen Stellenwechsel nachdenken.
Dann werden im Vorfeld Gespräche geführt und es kommt im besten Fall zu einem entsprechenden Versetzungsdekret, das natürlich auf Freiwilligkeit beruht. Zum anderen gibt es dann die etwas schwierigere Situation, dass eine Versetzung zwangsmäßig erfolgen muss. Da unterscheidet man noch einmal den Bereich einer nicht strafbaren Versetzung und den einer strafbaren Versetzung. Letzteres bedeutet dann tatsächlich auch, dass Strafgründe vorliegen, sodass jemand aus einem Amt entfernt werden oder versetzt werden muss.
DOMRADIO.DE: Wie ist das bei den Gründen für eine nicht strafbaren Versetzung, der der Pfarrer nicht zustimmen möchte? Was könnte es zum Beispiel für Gründe für eine Versetzung geben und wie wird das in der Praxis gehandhabt?
Ohly: Es ist in der Regel so, dass die große Perspektive auf die gesamte Diözese den Bischof oder den Personalverantwortlichen dazu bringen, über den Wechsel eines Pfarrers auf eine andere Stelle nachzudenken. Das kann zum Beispiel bei Pfarrern sein, die inzwischen bereits eine längere Zeit auf ihrer Amtsstelle sind. Dann könnte das Bistum sagen, dass es gut wäre, mal wieder etwas Neues zu beginnen.
Es kann aber auch sein, dass nach Ansicht der Personalverantwortlichen gerade diese konkrete Person angesichts der aktuellen Situation der Pfarreien im Bistum mit seinen Begabungen auf dieser oder jener Stelle optimal eingesetzt werden sollte. In der Regel wird das dann im Gespräch einvernehmlich gut gelöst.
Aber es kann natürlich auch vorkommen, dass sich ein Pfarrer gegen seine Versetzung wehrt. Letztendlich kann der Bischof eine Versetzung aber auch dekretieren und dadurch bestimmen, dass jemand zu einem konkreten Datum die Pfarrei wechselt.
DOMRADIO.DE: Wie funktioniert eine Dekretierung? Ist das etwas, das der Bischof sozusagen von heute auf morgen bestimmen kann?
Ohly: In der Praxis wird so etwas nie von heute auf morgen bestimmt, sondern das ist ein längerer Prozess des Überlegens. In der Regel beginnen Pfarrer ihre neuen Stellen zum 1. September oder 1. Oktober, also in zeitlicher Nähe zum Schuljahresbeginn, denn dann beginnt auch das Leben in einer Pfarrei wieder Fahrt aufzunehmen. Das bedeutet dann aber auch, dass schon sehr viele Monate vorher überlegt wird, wer wohin versetzt wird.
Es gibt natürlich auch Situationen, in denen es drängende Gründe gibt, die eine zeitnahe Lösung erfordern. Aber auch dann finden Gespräche statt und man überlegt gemeinsam, was möglich ist. Im Kirchenrecht gibt es das Prinzip, dass es bei der Dekretierung immer zu einer schriftlichen kurzen Begründung kommen muss, damit klar wird, warum ein Wechsel notwendig ist. Das wird aber auch in den Gesprächen zuvor verdeutlicht.
DOMRADIO.DE: Der Pfarrer gilt im Kirchenrecht als der Hirte seiner Gemeinde und soll deswegen dort eigentlich zeitlich unbegrenzt amtieren. Ist dieses Verständnis noch zeitgemäß?
Ohly: Es ist eine gute und lange Rechtstradition, dass ein kanonisch installierter Pfarrer auf seiner Pfarrstelle eine Lebensperspektive haben soll. Diese Vorstellung hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt, weil die gesamte Pfarrseelsorge mobiler geworden ist. Das Ideal, dass jemand 30 oder 40 Jahre lang Pfarrer in einer Pfarrei ist, kann man bei den großen Veränderungen, die es in der Pfarreiseelsorge gegeben hat, nicht mehr aufrechterhalten.
Auch die gesamte Welt ist beweglicher geworden, genauso wie das Leben in den Pfarreien und Diözesen. Daher kann der Punkt kommen, dass jemand sagt: Ich bin jetzt 15 Jahre Pfarrer an einem Ort und ich glaube, dass es gut für mich und die Gemeinde ist, mich in eine neue Situation hineinzubegeben.
Ich selbst war damals als Kaplan bei einem Pfarrer, der 33 Jahre in seiner Pfarrei war. Das fiel in meiner Wahrnehmung aber gar nicht negativ auf. Er war die Konstante in der Pfarrei, weil er immer wieder neue Kapläne und auch pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekam. Das ist in der heutigen Zeit aber kaum noch vorstellbar, auch wenn es vielleicht in dem einen oder anderen Fall noch so ist.
DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch Diözesen, in denen Pfarrstellen zeitlich befristet sind.
Ohly: Das trifft auf viele Diözesen zu. In Deutschland ist es kirchenrechtlich möglich, dass man Priester für eine bestimmte Zeit auf eine Pfarrstelle beruft. Im Anschluss an diese Berufung kann man sich dann mit der Frage beschäftigen, ob schon der Zeitpunkt für eine Versetzung gekommen ist oder ob man noch einige Zeit in der Pfarrei bleibt. Der Normenbereich zur Pfarreistruktur und zum Pfarreramt im kirchlichen Gesetzbuch ist in der konkreten Anwendung flexibler geworden.
DOMRADIO.DE: Sind Priester, die keine Pfarrer sind, aus kirchenrechtlicher Perspektive einfacher zu versetzen?
Ohly: Ja, weil sie flexible Mitarbeiter des Pfarrers sind. Das kirchenrechtliche Konstrukt geht davon aus, dass zu einer Pfarrgemeinde, also einer Gemeinschaft von Gläubigen, die territorial begrenzt die Sendung der Kirche vor Ort lebt, immer das kirchliche Amt des Pfarrers gehört. Daher stammt der Gedanke, dass ein Pfarrer im Prinzip auf Lebenszeit dort bleibt, was sich inzwischen etwas weiterentwickelt hat. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den pastoralen Diensten werden dem Pfarrer zugewiesen.
In Kanon 519 des kirchlichen Gesetzbuches steht, dass sie gemeinsam an der pfarrlichen Arbeit mitwirken, aber unter der Moderation, also der Leitung des Pfarrers. Heute spricht man da oft von einem Pastoralteam, ich benutze auch gerne das Wort Kollegium. Diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um einen Pfarrer herum sind leichter zu versetzen. Das bietet den Vorteil, dass die Personalverantwortlichen stärker auf die persönlichen Hintergründe oder auf Begabungen schauen können, als das bei einem Pfarrer der Fall ist.
DOMRADIO.DE: Wie sollte man mit einer Situation umgehen, wenn ein Pfarrer versetzt wird, es aber Proteste von ihm oder in der Pfarrei gibt?
Ohly: In den Normen des Kodex, also des Gesetzbuches der Kirche, stehen der Hinweis und die Einladung zum Dialog, zum Gespräch und zum Austausch der Argumente, bevor es dann zu einem rechtlich normierten Verfahren kommen könnte. Das sind sowohl Zwangsverfahren seitens des Bischofs, damit er einen Pfarrer tatsächlich versetzen kann, als auch die Möglichkeiten seitens des betreffenden Pfarrers, sich gegen eine solche Versetzung rechtlich zu wehren.
Das ist durch entsprechende sogenannte Rekurse möglich, also Beschwerden gegenüber dem Dekretgeber, was in einem solchen Fall der Bischof wäre, bis hin zu Instanzen der römischen Kurie, etwa dem Dikasterium für den Klerus. Aber vor all diesen rechtlich normierten Verfahren steht immer die Einladung zum Gespräch, zum Dialog. Ich glaube, dass es gut ist, wenn beide Seiten, aber vor allen Dingen der betreffende Pfarrer, die Gründe darlegen. Das sollte auch in Gesprächen mit den Gläubigen geschehen.
Auf diese Weise könnte man kommunizieren, wieso es gut wäre, die Aufgabe entsprechend zu wechseln. Es besteht dann natürlich auch die Möglichkeit für einen Pfarrer zu sagen, warum man mit dem Stellenwechsel nicht einverstanden ist. Im Prinzip sind die kirchenrechtlichen Vorgaben Hilfen für eine lebendige Gesprächskultur, die aber in einer Weise geführt werden sollte, die der Kirche entspricht. Sie sollte sich nicht in Protesten äußern, die für das Gespräch letztlich eher hinderlich sind.
Das Interview führte Roland Müller.