Kirchenrechtler attestiert deutschen Bischöfen Ungehorsam

"Kritik des Papstes weitestgehend ignoriert"

Trotz mehrfacher Warnungen des Papstes halten Bischöfe in Deutschland an der Gründung eines Synodalen Rates fest. Kirchenrechtler Bernhard Anuth sieht darin einen Akt des Ungehorsams, kann sich aber Sanktionen nur schwer vorstellen.

Deutsche Bischöfe / © Julia Steinbrecht (KNA)
Deutsche Bischöfe / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist der Papstbrief an die vier Frauen jetzt das definitive Stoppschild aus Rom zum Synodalen Weg in Deutschland?

Bernhard Sven Anuth (privat)
Bernhard Sven Anuth / ( privat )

Prof. Dr. Bernhard Anuth (Abteilung für Kirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen): Das Bild vom Stoppschild habe ich in Bezug auf den Synodalen Weg ehrlich gesagt noch nie verstanden, denn an einem Stoppschild muss man kurz anhalten, Vorfahrt gewähren und kann danach in jede beliebige Richtung weiterfahren.

Der jetzt öffentlich gewordene Brief schafft zudem keine neuen Fakten, denn schon mit dem Schreiben der drei Kardinäle vom 16. Januar 2023 ist kirchenrechtlich geklärt, dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ wie der Synodale Ausschuss und auch nicht die Bischofskonferenz einen Synodalen Rat gründen kann.

Weil der Papst dieses Schreiben spezifisch approbiert, sich also in seiner amtlichen Autorität zu eigen gemacht hat, war diese Auskunft keine Meinungsäußerung der drei unterzeichnenden Kardinalpräfekten, sondern eine Entscheidung des Papstes selbst. Deshalb erinnert er im aktuellen Brief daran. In der Sache Neues enthält der Brief aber nicht.

DOMRADIO.DE: Der Brief ist an vier katholische Frauen in Deutschland gerichtet. Welches Signal bedeutet der Inhalt aber dennoch für die deutschen Bischöfe, die sich bislang sehr aktiv in den Synodalen Weg eingebracht haben und dies auch weiterhin im Synodalen Ausschuss tun möchten?

Prof. Dr. Bernhard Anuth

"Ob sich beteiligte Bischöfe dadurch abhalten lassen, die Gründung eines Synodalen Rates weiter voranzutreiben, bleibt abzuwarten."

Anuth: Wie gesagt: Inhaltlich enthält der Brief nichts Neues. Im ersten Teil verweist der Papst deshalb ausdrücklich auf die Entscheidung vom Januar 2023 und im zweiten Teil auf seinen eigenen "Brief an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland" vom 29. Juni 2019, in dem er neben aller Ermutigung mehrfach und deutlich an den stets notwendigen Sensus Ecclesiae erinnert hatte, jene Haltung, die im Zweifel die richtige Einsicht auf Seiten der kirchlichen Autorität sieht.

Das hat DBK und ZdK allerdings nicht abgehalten, den Synodalen Weg zu beginnen. Die danach mehrfach geäußerte Kritik des Papstes an diesem Synodalen Weg haben sie uminterpretierend weitestgehend ignoriert. Der vorliegende Brief an die vier Frauen signalisiert lediglich, aber deutlich: Der Papst hat seine Auffassung nicht geändert. Ob sich beteiligte Bischöfe dadurch abhalten lassen, die Gründung eines Synodalen Rates weiter voranzutreiben, bleibt abzuwarten.

DOMRADIO.DE: Treten die Bischöfe, die weiterhin im Synodalen Ausschuss mitarbeiten, in einen offenen Ungehorsam zum Papst, der von diesem auch sanktioniert werden kann?

Prof. Dr. Bernhard Anuth

"Ob der Papst allerdings tatsächlich Maßnahmen ergreifen will, entscheidet er nach Gutdünken."

Anuth: Das tun sie meines Erachtens. Im Schreiben vom Januar 2023 hat der Papst ausdrücklich feststellen lassen, dass niemand die Kompetenz hat, einen Synodalen Rat einzurichten, der "eine neue Leitungsstruktur der Kirche in Deutschland bilden" würde und "sich über die Autorität der Bischofskonferenz zu stellen und diese faktisch zu ersetzen scheint."

In seinem aktuellen Brief schreibt er diesbezüglich, dass damit die Einrichtung eines solchen Rates zugleich untersagt wurde. Das ist aus meiner Sicht keine Überraschung, weil kirchenrechtlich ungültiges Handeln immer auch unerlaubt ist.

Da Bischöfe dem Papst noch einmal mehr als alle Gläubigen Gehorsam schulden und ihn bei ihrem Amtsantritt auch eigens geschworen haben, wiegt ihr Ungehorsam durchaus schwer und kann kirchenrechtlich sanktioniert werden.

Ob der Papst allerdings tatsächlich Maßnahmen ergreifen will, entscheidet er nach Gutdünken. Einen einzelnen Bischof zu sanktionieren, wie zuletzt in Texas geschehen, fällt ihm aus kirchenpolitischen Gründen vermutlich leichter, als gegen eine ganze Gruppe von Diözesanbischöfen vorzugehen.

DOMRADIO.DE: Welche Möglichkeiten der Sanktionierungen hätte Papst Franziskus gegenüber den Bischöfen und welche wären realistisch?

Prof. Dr. Bernhard Anuth

"Möglicherweise werden die anstehenden Bischofsernennungen erkennen lassen, in welche Richtung sich die DBK entwickeln soll."

Amtsenthebung bei einem Bischof

Papst Franziskus hat Anfang November den texanischen Bischof Joseph Strickland von der Leitung des Bistums Tyler enthoben. Ein solcher Schritt erfolgt in der katholischen Kirche äußerst selten.

Ein Bischof mit einer Mitra / © godongphoto (shutterstock)
Ein Bischof mit einer Mitra / © godongphoto ( shutterstock )

Anuth: Kirchenrechtlich kann der Papst einen Diözesanbischof jederzeit versetzen, zum Angebot seines Rücktritts auffordern oder ihn auch ohne Rücktrittsangebot des Amtes entheben. Oder er stellt ihm wie gerade in Toulon einen sogenannten Koadjutor an die Seite, dem er bestimmte Kompetenzen für die Leitung der Diözese überträgt, die er aus der Amtsgewalt des Diözesanbischofs "herausschneidet".

Realistisch ist m.E. aber nicht zu erwarten, dass der Papst gegen alle Bischöfe im Synodalen Ausschuss vorgehen wird, und ich bezweifle ehrlich gesagt auch, dass er es zum jetzigen Zeitpunkt für opportun hält, einen einzelnen von ihnen exemplarisch zu maßregeln um die anderen auf Linie zu bringen.

Ebenso wenig kann ich mir allerdings vorstellen, dass der Papst einfach zuschaut, wenn Bischöfe verbal seine Autorität unterstreichen, ihn aber in ihrem Handeln einen guten Mann sein lassen. Möglicherweise werden die anstehenden Bischofsernennungen erkennen lassen, in welche Richtung sich die DBK entwickeln soll.

Die Fragen stellte Jan Hendrik Stens.

Quelle:
DR