Russisch-orthodoxer Patriarch Kyrill I. wird 75. Jahre alt

Kirchenmann mit Kampfgeist

Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche wird 75. Der Geburtstag von Kyrill I. ist von einem harten Machtkampf mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel überlagert. Es droht ein Schisma, eine Spaltung der Orthodoxie.

Autor/in:
Oliver Hinz
Kyrill I. / © Natalia Gileva (KNA)
Kyrill I. / © Natalia Gileva ( KNA )

Groß feiern kann Russlands orthodoxer Patriarch Kyrill I. seinen 75. Geburtstag am 20. November nicht. Schuld ist die Corona-Pandemie, die in Moskau derzeit heftig wütet. Mit Glückwünschen wird Kyrill trotzdem überhäuft werden. Denn er steigerte kontinuierlich den Einfluss seiner Kirche auf Politik und Gesellschaft.

Als ein Landeskonzil Kyrill Anfang 2009 mit großer Mehrheit zum neuen Patriarchen wählte, gab es erst 159 Diözesen. Heute sind es 318, davon mehr als ein Drittel im Ausland. Daran lässt sich auch der Machtanspruch der größten orthodoxen Landeskirche ablesen: Etwa 150 der geschätzt 220 Millionen orthodoxen Christen weltweit gehören zum Moskauer Patriarchat.

Historisches Treffen mit Papst Franziskus

Seine Souveränität nach außen und innen zeigte Kyrill im Februar 2016 beim historischen Treffen mit Papst Franziskus im fernen Kuba, mit dem er eine scharfe ökumenische Kehrtwende der bisherigen Moskauer Kirchenpolitik vollzog. Er dachte nicht daran, den Heiligen Synod - das höchste Gremium seiner Kirche - vorab um Erlaubnis zu fragen. Die erwartbare Kritik aus erzkonservativen Kreisen wies er gelassen ab.

Seinen Kampfgeist beweist Kyrill aktuell beim verbissenen Kräftemessen mit dem gesamtorthodoxen Ehrenoberhaupt, dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel. Bereits 2018 brach er mit ihm, nachdem Bartholomaios in der Ukraine die Gründung einer autokephalen (eigenständigen) Kirche für das Land auf den Weg gebracht hatte. Er sieht im südlichen Nachbarland die ihm unterstehende ukrainisch-orthodoxe Kirche durch die neue, konkurrierende Kirche bedroht.

"Wir sind menschlich sehr bestürzt darüber, dass der Patriarch von Konstantinopel heute dem Schisma verfallen ist", polterte Kyrill Ende September. Er protestierte gegen Bartholomaios' jüngsten Besuch in der Ukraine, bei dem dieser Messen mit "Schismatikern" gefeiert habe. Gemeint ist die neue autokephale Kirche dort, die das Moskauer Patriarchat stets als "schismatisch" brandmarkt.

Trotz vehementer russischer Warnungen erkannten inzwischen auch drei weitere Landeskirchen die "Orthodoxe Kirche der Ukraine" an: die griechische, die zyprische und die afrikanische mit Sitz in Alexandria. Die Folge: Kyrill brach auch mit deren Oberhäuptern.

Kyrill I. auf Konfrontationskurs

Mit diesem harten Kurs manövrierte sich Kyrill aber in eine Sackgasse. Keine andere orthodoxe Landeskirche beendete wie Moskau die Zusammenarbeit mit Ehrenoberhaupt Bartholomaios, obwohl die Mehrheit von ihnen die autokephale ukrainische Kirche weiter ablehnt.

Der Moskauer Patriarch hält gleichwohl an seinem Konfrontationskurs fest.

Dass er ein unerschütterlicher Kirchenmann werden sollte, war Kyrill quasi in die Wiege gelegt. Schon sein Großvater und sein Vater waren orthodoxe Popen - und ließen sich trotz brutaler Verfolgung durch die kommunistischen Machthaber nicht von ihrem christlichen Glauben abbringen.

Schon mit drei Jahren wollte der auf den Namen Wladimir Gundjajew getaufte Patriarch nach eigener Aussage zu Hause Gottesdienste zelebrieren. "Als ich sechs oder sieben Jahre war, konnte ich ohne einen einzigen Fehler Andachten und Totenmessen halten", erzählte er einmal.

Voller Bewunderung erinnert sich Kyrill, dass sein Großvater Wassilij Gundjajew (1879-1969) in den 1920er bis 40er Jahren gegen die Schließung von Kirchen und für das orthodoxe Christentum gekämpft habe. Selbst mehr als 20 Jahre Haft hätten seinen Großvater nicht gebrochen, sondern im Gegenteil darin bestärkt, seinem Enkel zu raten: "Fürchte dich vor keinem - außer vor Gott."

Deutschlands russisch-orthodoxer Metropolit Mark bewundert an Kyrill sein profundes Wissen. "Es gibt kein Thema, bei dem er nicht vollkommen sachkundig in die Diskussion eingreifen könnte", sagte er der KNA. Der Patriarch sei ein aufmerksamer Zuhörer und bringe bei Gesprächen immer wieder neue und innovative Ideen und Vorstellungen ein. "Jede Unterhaltung mit ihm ist eine Bereicherung an Ideen und Ansätzen zur Überwindung scheinbar festgefahrener Situationen", so Mark. Eine Beobachtung, die vielleicht auch den Machtkampf mit dem Patriarchen von Konstantinopel entschärfen kann.


Quelle:
KNA