Kirchengemeinde verteidigt strikte Corona-Auflagen

"Die Leute sollen sich bei uns sicher fühlen"

Im Erzbistum Köln legen die Pfarreien die Corona-Regeln unterschiedlich streng aus. Das katholische Büro in Düsseldorf befürchtete eine Bevormundung der Gläubigen. Der Kirchenvorstand von Sankt Clemens und Mauritius widerspricht.

Gottesdienstbesucher mit Maske / © Harald Oppitz (KNA)
Gottesdienstbesucher mit Maske / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Geben Sie uns doch mal kurzen Überblick: Welche Regeln gelten bei Ihnen im Moment?

Ludwig Kuhlen (Apothekenmitarbeiter und Kirchenvorstand der Kölner Gemeinde St. Clemens und Mauritius): Bei uns muss man sich zum Gottesdienst nach wie vor anmelden, weil wir damit schon mal 75 Prozent unserer Kirchenbelegung erfassen können. Zudem müssen die Menschen bei uns auch immer noch Abstand halten, weil wir möchten, dass sich die Leute bei uns sicher fühlen. Das wird auch durch diese Abstandsregeln widergespiegelt. Mit Maske fühlt man sich sicher, sowohl nach hinten und auch nach vorne.

Aber es werden selbstverständlich keine Haushalte getrennt. Ein Haushalt kann selbstverständlich in einer Bank sitzen oder wenn zwei Bänke notwendig sind, auch auf zwei Bänken. Das ist überhaupt kein Problem.

DOMRADIO.DE: Damit sind Sie strenger, als Sie sein müssten. Sie sagen schon, damit die Leute sich sicherer fühlen. Gibt es noch andere Gründe?

Ludwig Kuhlen

"Wenn ein Infizierter reinkommt, soll er nicht die Möglichkeit haben, einen anderen anzustecken."

Kuhlen: Ja, der Hauptgrund ist, dass wir immer gesagt haben, dass wir keine weiteren Kontrollen, kein 2G-Konzept machen oder tagesaktuelle Tests verlangen. Wenn also ein Infizierter reinkommt, soll er nicht die Möglichkeit haben, einen anderen anzustecken. Das ist im Moment das Hauptproblem mit den zahllosen Corona-Durchbrüchen.

Wenn wir zwei Leute nebeneinander setzen, die sich überhaupt nicht kennen, dann wissen wir nicht, ob der eine infiziert ist und der andere nicht. Da ist sehr viel Unsicherheit mit verbunden.

Viele fühlen sich auch unwohl, wenn im Supermarkt jemand eng hinter einem steht, dann guckt man ja schon und geht einen Schritt nach vorne.

DOMRADIO.DE: Der Leiter des Katholischen Büros, Antonius Hamers, hat im Interview kritisiert, dass sich viele Leute in den Gemeinden als selbst ernannte Virologen sehen, die es zum Teil besser wüssten als die Experten. Was sagen Sie dazu?

Boote und Schiffe fahren bei der "Mülheimer Gottestracht" auf dem Rhein / © Henning Kaiser (dpa)
Boote und Schiffe fahren bei der "Mülheimer Gottestracht" auf dem Rhein / © Henning Kaiser ( dpa )

Kuhlen: An Fronleichnam steht in Mülheim wieder die traditionelle Gottestracht, also unsere Fronleichnamsprozession mit Schiffen, vor der Tür. Die wollen wir dieses Jahr natürlich auch wieder halten und haben uns da eine Fachärztin, eine Infektiologin zu Rate gezogen.

Der haben wir unser Konzept dargelegt, das wir momentan in unseren Kirchen haben. Die fand das sehr gut, weil sie sagt: "Maske tragen und Abstand halten sollte man immer noch machen."

DOMRADIO.DE: Woran orientieren Sie sich denn bei Ihrem Hygiene-Konzept?

Kuhlen: An den Fallzahlen, an den Inzidenzen, die sehr hoch sind. Natürlich schauen wir auch, was das Robert-Koch-Institut empfiehlt. Wir orientieren uns mehr daran und an den Empfehlungen einer Infektiologin als an den Empfehlungen der Politik. Das muss ich ganz klar sagen.

DOMRADIO.DE: Wie kommen denn Ihre Hygieneregeln bei den Leuten an? Können Sie bestätigen, dass das den Leuten die Freude am Gottesdienst verdirbt und deswegen weniger kommen?

Ludwig Kuhlen

"Es kamen Leute bei uns in die Kirche, die wir vorher noch nie gesehen haben, die sagten: 'Hier fühle ich mich sicher!'"

Kuhlen: Die Leute sind eigentlich sehr dankbar. Wir haben am Anfang das Feedback bekommen, dass sich die Menschen bei uns sicher fühlen. Bei uns fühlen sie sich sicherer als im Dom. Es kamen Leute bei uns in die Kirche, die wir vorher noch nie gesehen haben, die sagten: "Hier fühle ich mich sicher, hier kann ich auch in Ruhe den Gottesdienst genießen und muss nicht nach links und rechts gucken. Wie verhält sich mein Nachbar, der relativ dicht neben mir ist? Kniet er sich hin und ist sozusagen schon wieder in meinem Nacken?"

Das ist es ja, was letztendlich zu einem Unwohlsein führt, was man selber auch immer wieder erlebt, wenn man zum Beispiel in der Bahn fährt und einer niest und nimmt kurz die Maske runter. Das ist ausgesprochen unangenehm, wenn man dann relativ dicht dabei sitzt.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, dass die Kirche gesellschaftlich eine Vorbildfunktion hat und vielleicht im Zweifel strenger sein soll, damit sich tatsächlich niemand ansteckt?

Kuhlen: Vorbild vielleicht dahingehend, dass wir sagen, wir nehmen das ernst, was wir machen sollen und sagen nicht: "Jeder kann machen, was er will." Das erleben wir tagtäglich, wenn jeder macht, was er will. Dann bleibt nur noch der übrig, der sagt: "Mir ist es egal".

Wir wollen, dass die, die ängstlich sind, auch weiterhin zu uns kommen können.

DOMRADIO.DE: Wie machen Sie das denn bei Anlässen, wo mehr Leute als vielleicht zu einer normalen Sonntagsmesse kommen, zum Beispiel bei Erstkommunionfeiern, die auch bald wieder anstehen?

Kuhlen: Die Diskussion hatten wir natürlich auch. Wir haben uns zu einer Art "Blasen-Regelung" entschieden. Das heißt, wir setzen den Hausstand oder die Kommuniongesellschaft zusammen. Dann achten wir darauf, dass wieder ein Abstand besteht dann kommt die nächste "Blase". Natürlich ist das in der Anzahl begrenzt, damit eine mögliche unentdeckte Infektion auch in dieser "Blase" bleibt. Die nächste Gruppe, die daneben sitzt, sollte es dann nicht kriegen können.

DOMRADIO.DE: Im Moment sind die Zahlen zwar so hoch wie nie, aber viele Menschen sehen das eher locker und sagen: "Ach ja, die Verläufe sind nicht mehr so schlimm durch Omikron." Könnte man da nicht doch ein bisschen lockerer werden?

Kuhlen: Ich finde, Corona ist keine Krankheit, die wir auf die leichte Schulter nehmen solten. Ich erlebe es auch beruflich tagtäglich, dass viele sagen "Ja, ich hatte Corona, aber der Husten quält mich immer noch sehr lange." Einige haben auch Bronchialprobleme oder Konzentrationsschwäche oder ähnliches.

Der Verlauf ist im ersten Moment sicherlich ein einfacher, aber faktisch sterben jeden Tag noch 300 Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Stellen Sie sich mal vor, wie es wäre, wenn wir jeden Tag 300 Verkehrstote hätten. Dass die Gefahr einer Corona-Infektion so lapidar weggewischt wird, das befremdet uns.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Hintergrund: Neue Corona-Schutzverordnung in NRW

In Nordrhein-Westfalen gelten seit Mitte März auch für Ungeimpfte keine Corona-Kontaktbeschränkungen mehr. Ebenso sind Zuschauer-Obergrenzen für Veranstaltungen entfallen. Die Maskenpflicht in Innenräumen - etwa beim Einkaufen und in Schulen - ist dagegen bis zum 2. April verlängert worden. In Freizeitbereichen wie Theater, Museen, Kinos, Zoos, Hotels und Gastronomie bleibt die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet) vorerst erhalten.

Eine Maske liegt auf einem Stuhl am Altar während einer Messe / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Maske liegt auf einem Stuhl am Altar während einer Messe / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR