Kirchen appellieren an Verantwortung der Bundestagsabgeordneten

"Demokratische Tugenden über Fraktionsgrenzen hinweg"

Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben zahlreiche Politiker aller Fraktionen den ersten Sitzungstag des neuen Bundestages begonnen. Vertreter der beiden großen Kirchen erinnerten die Parlamentarier an ihre Verantwortung für das Allgemeinwohl.

Prälat Karl Jüsten predigt vor Abgeordneten des Bundestags / © Rolf Zoellner (KNA)
Prälat Karl Jüsten predigt vor Abgeordneten des Bundestags / © Rolf Zoellner ( KNA )

Sie hätten außerdem die Pflicht zur Wahrheit, Authentizität und Besonnenheit. Die Aufgabe als gewählter Volksvertreter sei eine der "anspruchsvollsten, verantwortungsvollsten, vornehmsten und ehrenvollsten", sagte der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, am Dienstagmorgen in der Französischen Friedrichstadtkirche.

Dabei könne es im Angesicht Gottes auch als Abgeordneter nur darum gehen, Sinnvolles und Gutes bewirken zu wollen, so Jüsten. Politiker hätten die Aufgabe, das Gemeinwesen zu gestalten und dabei das Optimale anzustreben.

"Rahmenbedingungen schaffen"

Jüsten verglich die Aufgabe des Politikers mit der des Verkünders des Wortes Gottes. "Vielleicht hat mein Beruf mit dem Ihrigen etwas gemeinsam." Beide müssten die Menschen erreichen, ohne ihnen nach dem Mund zu reden. Sie müssten die Wahrheit sagen, keine falschen Versprechungen machen und nicht mit Ängsten spielen. Sie sollten authentisch sein und die Menschen dafür gewinnen, sich zu engagieren.

"Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, dass aus jedem etwas wird, zumindest das, was er werden kann, und Perspektiven schaffen für das, was er werden will", so Jüsten.

"Besonnenheit gegen Pauschalurteile"

Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Martin Dutzmann, appellierte an alle Abgeordneten, im Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit zu handeln und nicht im Geist der Furcht - Kraft in Momenten der Resignation, Liebe für den politischen Gegner und Besonnenheit gegen Pauschalurteile.

Der Bundestag kommt heute zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Dem Parlament werden künftig sechs Fraktionen angehören, darunter die AfD. Viele fürchten durch die Rechtskonservativen einen schärferen Ton, am Wochenende gingen mehr als 10.000 Menschen in Berlin gegen Hass und Rassismus auf die Straße. Jüsten sagte, er wünsche sich auch für das kommende Parlament "eine Kultur, in der die demokratischen Tugenden über alle Fraktionsgrenzen hinweg gelebt werden". Die AfD nannte er nicht dezidiert.

Bemühen um gute Politik

Wenn jeder sich bemühe, im "sachlichen und in einem moralischen Sinne, in einem menschlichen und charakterlichen" ein guter Politiker zu sein, denke er, dass das Zusammenarbeiten der Fraktionen möglich sei. Dabei könnten Politiker noch so akribisch versuchen, "es allen recht zu machen, aber alles wird sich nicht gerecht und optimal regeln lassen". Es gebe stets unvorhergesehene Ereignisse, in Deutschland und weltweit, insofern sei nicht alles in einem Koalitionsvertrag vorwegzunehmen, so Jüsten.

Zu dem Gottesdienst waren unter anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertreter der Union, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD gekommen.


Prälat Martin Dutzmann / © Andreas Schoelzel (epd)
Prälat Martin Dutzmann / © Andreas Schoelzel ( epd )

Ökumenischer Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin / © Wolfgang Kumm (dpa)
Ökumenischer Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin / © Wolfgang Kumm ( dpa )

Ökumenischer Gottesdienst vor der konstituierenden Sitzung des Bundestags / © Rolf Zoellner (KNA)
Ökumenischer Gottesdienst vor der konstituierenden Sitzung des Bundestags / © Rolf Zoellner ( KNA )
Quelle:
KNA , epd