Kirche begrüßt SPD-Initiative zu unabhängigem Beauftragen

Alle Bereiche in den Blick nehmen

Die SPD in Nordrhein-Westfalen will einen unabhängigen Beauftragten gegen sexualisierte Gewalt einberufen und einen entsprechenden Antrag einbringen. Die Katholische Kirche findet die Initiative gut, mahnt aber zur Gleichbehandlung.

Thomas Kutschaty / © Kay Nietfeld (dpa)
Thomas Kutschaty / © Kay Nietfeld ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die SPD-Fraktion im NRW-Landtag will bei der Missbrauchsaufarbeitung der Kirche den Staat stärker in die Pflicht nehmen. Was könnte eine staatliche Wahrheitskommission besser machen als die Kirche?

Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen): Eine solche Kommission könnte einheitliche Maßstäbe und Regeln vorgeben. Denn das Problem, was wir im Moment teilweise bei den Aufarbeitungsprojekten in den einzelnen Bistümern haben, ist, dass unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Es gibt rechtlich ausgerichtete Aufarbeitung, es gibt mal stärker soziologische, es gibt historische. Der Vorteil wäre also, dass eine solche Wahrheitskommission einheitliche Maßstäbe anlegen könnte.

Insofern gibt es gegen eine Wahrheitskommission auf staatlicher Ebene nichts einzuwenden, wenn sie sich dem sexuellen Missbrauch in allen gesellschaftlichen Bereichen zuwendet und nicht nur auf die Kirche schaut. Denn wir haben ja in der letzten Zeit mitbekommen, dass es sexuellen Missbrauch und ganz ähnliche hierarchische Vertuschungsmechanismen gibt, zum Beispiel im Sport, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen.

DOMRADIO.DE: Es ist Ihnen also wichtig, dass sich diese Wahrheitskommission nicht nur auf Kirche, sondern auf alle Bereiche fokussiert?

Hamers: Die Kommission sollte alle gesellschaftlichen Bereiche in den Blick nehmen, in denen sexueller Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen vorkommt.

DOMRADIO.DE: Solche Forderungen gab es aus der Politik schon öfter. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass so ein Antrag diesmal tatsächlich genehmigt und umgesetzt wird?

Hamers: Es hängt jetzt an den Beratungen in der nächsten Woche. Es ist ein Antrag der Opposition in NRW und vielfach ist es natürlich so, dass die regierungstragenden Fraktionen Anträge der Opposition ablehnen. Da müssen wir jetzt schauen, wie der Antrag im Landtag in der nächsten Woche behandelt wird.

Staat muss Aufarbeitung von Missbrauch in Kirche übernehmen

Die SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag will bei der Missbrauchsaufarbeitung der Kirche den Staat stärker in die Pflicht nehmen. "Die Verantwortlichen in der Kirche haben es aus eigener Kraft nicht geschafft, die Missbrauchsfälle in ihren Reihen so aufzuklären, wie es aus Sicht der Opfer und der Öffentlichkeit angemessen gewesen wäre", heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Antrag, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. "Deshalb muss der Staat im Sinne seines partnerschaftlichen Verhältnisses zur Kirche diese Verantwortung jetzt übernehmen."

Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Missbrauch / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind Jurist. Kann sich Politik einfach in die innerkirchlichen Angelegenheiten einmischen? Geht das rechtlich?

Hamers: Sie muss natürlich eine entsprechende gesetzliche Grundlage schaffen. In anderen Ländern hat man ebenfalls eine Wahrheitskommission eingerichtet, natürlich im Gespräch und in Verhandlungen mit den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen.

Wenn eine solche gesetzliche Grundlage geschaffen wird, dann ist eine solche Wahrheitskommission mit ähnlichen Instrumenten und ähnlichen Rechten wie zum Beispiel ein Untersuchungsausschuss durchaus denkbar.

DOMRADIO.DE: Die SPD-Fraktion in NRW fordert wie der Katholische Deutsche Frauenbund von der schwarz-grünen Landesregierung, dass das Strafgesetzbuch zu sexuellem Missbrauch um den Aspekt des Missbrauchs im Seelsorgeverhältnis erweitert werden soll. Was besagt denn dieser Paragraf 174C im Strafgesetzbuch?

Hamers: Im Paragraf 174C geht es um sexuellen Missbrauch und Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses. Da ist das seelsorgliche Verhältnis nicht ausdrücklich erwähnt.

Nach meiner Ansicht ist diese Ausweitung auch auf das Seelsorgeverhältnis unproblematisch, weil wir es im kirchlichen Strafrecht bereits haben. Insofern könnten wir uns auf der staatlichen Ebene nicht dagegen stellen.

Denn selbstverständlich diskutieren wir den ganzen Komplex des geistlichen Missbrauchs. Wenn dieser Aspekt auch im politischen Strafrecht mit berücksichtigt würde, dann wüsste ich nicht, was dagegen sprechen sollte.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Katholisches Büro

Das Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – ist eine Dienststelle der Deutschen Bischofskonferenz und des Verbandes der Diözesen Deutschlands. Die Leitung hat Prälat Dr. Karl Jüsten inne.

Schloss Bellevue, Sitz des Bundespräsidenten / © Christophe Gateau (dpa)
Schloss Bellevue, Sitz des Bundespräsidenten / © Christophe Gateau ( dpa )
Quelle:
DR