Afrikas Impfdebakel: Vakzin-Mangel und marode Gesundheitssysteme

Keine einfache Lösung in Sicht

Während in Europa bereits über Auffrischungsimpfungen diskutiert wird, ist in Afrika bislang nur ein minimaler Bevölkerungsanteil immunisiert. Das Hauptproblem: Fehlender Impfstoff. Ein Ausweg scheint nicht in Sicht.

Autor/in:
Von Markus Schönherr
In Zomba, Malawi, wird ein Mann gegen Covid-19 geimpft / © Joseph Mizere (dpa)
In Zomba, Malawi, wird ein Mann gegen Covid-19 geimpft / © Joseph Mizere ( dpa )

Afrika impft von allen Kontinenten am langsamsten gegen das Coronavirus. Nach Stand dieser Woche sind nur knapp über fünf Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Warum ist das so und was kann man dagegen tun? Führende Köpfe vom Kontinent geben Antworten.

Keine ausreichende, beständige Versorgung mit Impfstoff

Richard Mihigo, WHO-Arzt in Brazzaville: Um afrikanische Länder auf das Impf-Level von reicheren Staaten zu bekommen, benötigen wir eine ausreichende und beständige Versorgung mit Impfstoffen. Und Unterstützung für jene Länder, die Schwierigkeiten haben, die Impfungen anzuwenden. Diese Woche besuchten WHO-Vertreter den Südsudan, die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien und Gambia. Während Impfstoff-Lieferungen seit der Jahresmitte zunehmen, brauchen wir noch 400 Millionen Dosen mehr als bisher geliefert oder zugesagt wurden. Das ist nötig, um das WHO-Ziel zu erreichen, wonach bis Jahresende 40 Prozent vollständig geimpft sein sollen. Derzeit wurden nur 43 Prozent der gespendeten Dosen für das Jahr 2021 tatsächlich geliefert, aber ich bin zuversichtlich, dass die übrigen rechtzeitig ankommen. Die WHO ermutigt die Staaten, ihre Versprechen in zeitnahe Lieferungen umzuwandeln, so dass wir die Impfungen in die Arme jener kriegen, die sie am dringendsten brauchen.

Südafrikanische Bischöfe: geringe Impfrate

Sithembele Sipuka, Vorsitzender der Südafrikanischen Bischofskonferenz: Vor einigen Monaten herrschte Sorge, der Westen und Amerika würden Impfstoffe horten - eine Sorge, die zuletzt verebbte. Stattdessen lesen wir Berichte, dass die beiden Kontinente Vakzine an afrikanische Länder abgeben. Doch Afrika bleibt der Kontinent mit der geringsten Impfrate. Es stellt ein moralisches Problem dar, dass reiche Länder bereits Kinder impfen, und Südafrika nun dabei mitzieht, während anfälligere Altersgruppen im restlichen Afrika ungeimpft bleiben. Besorgniserregend ist auch, dass Afrika auf Spenden angewiesen ist. Das Problem liegt in der Armut und ihren Ursachen, ob unfaire Handelsbedingungen, Bürgerkriege oder korrupte Anführer. Solange diese Probleme nicht gelöst werden, oder wir zumindest damit beginnen, wird Afrika immer der Unterlegene sein.

Impfbürokratie abbauen

Marie-Noelle Nwokolo, Entwicklungsforscherin in Johannesburg: Wir müssen Bürokratie und Undurchsichtigkeit rund um die Impfstoffproduktion abbauen und das Angebot erhöhen. Da es nur wenige Produktionsstätten für Covid-Vakzine gibt, ist die Versorgung stark eingeschränkt. Afrikanische Länder brauchen einen umsetzbaren Fahrplan, der das bereits existierende Gesundheitssystem nutzt. Auch wichtig ist die Kommunikation mit Bürgern, um berechtigte Befürchtungen wie auch Verschwörungstheorien aus dem Weg zu räumen. Der Erfolg länderübergreifender Anstrengungen wie der Impfinitiative Covax oder der "Afrikanischen Arbeitsgruppe für Impfstofferwerb" haben bewiesen, dass gemeinsam Fortschritte erzielt werden können. Doch es gibt noch mehr zu tun.

Lokale Impfproduktion stärken

Hassan Khanennje, Politologe in Nairobi: Für eine großangelegte Impfkampagne muss Afrika seine lokale Produktion stärken. Das wird besonders vor dem Hintergrund des begrenzten Angebots und Vakzin-Nationalismus in der entwickelten Welt sichtbar. Während Afrikas Staatschefs aufgrund des internationalen Machtgefälles zurückhaltend sind, können sie über die Afrikanische Union und die UNO durchaus Diplomatie anwenden, um die offensichtliche Vakzin-Apartheid anzufechten, und durch die Institutionen dabei helfen, die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Schließlich ist Afrika Teil der globalen Wirtschaft.

Freigabe der Impfpatente

Wolfgang Preiser, Virologe in Kapstadt: Ich kann mich nicht entscheiden, was ich von dem Appell zur Aufhebung des Patentschutzes halten soll. Einerseits ist es unverschämt, wie die Impfstoffhersteller trotz üppigster Subventionen nach massiven Profiten streben und Verträge geheim halten. Andererseits ist es mit der Offenlegung der Herstellungsverfahren nicht getan; man muss diese auch umsetzen können. Für eine Impfkampagne braucht es mehr als nur Impfstoff. Dass arme Länder hierbei Unterstützung brauchen, sollte eigentlich klar sein, ebenso wie die Tatsache, dass erst bei weitgehender Durchimpfung der Weltbevölkerung die Lage unter Kontrolle sein wird. Ich freue mich über die Bestrebungen, hier in Südafrika eine mRNA-Impfstoffproduktion aufzubauen. Für die Covid-19-Pandemie wird das vermutlich zu spät kommen, doch vielleicht wird somit der Grundstein gelegt für eine dauerhafte Produktion von diversen Impfstoffen in Afrika.


Quelle:
KNA