DOMRADIO.DE: Corona war eine harte Zeit. Auch für Sie bei der katholischen Familienberatung in Wuppertal?

Nora Klar (Katholische Ehe-, Familien und Lebensberatung in Wuppertal): Für uns war das eine besondere Zeit, weil plötzlich alles still stand und wir uns in der Beratungsstelle von jetzt auf gleich überlegen mussten, wie wir unsere Arbeit fortführen.
Uns war bewusst, dass Menschen gerade in Krisenzeiten Unterstützung brauchen. Aber wir hatten gar nicht mehr die Möglichkeit, vor Ort zu beraten. Wir haben dann relativ schnell die Strukturen umgestellt und Video- und Telefon-Beratungen angeboten, unsere Treffen über Zoom gemacht. Was zu der Zeit eigentlich jeder kannte, betraf dann auch uns. Das hatte viele Vorteile, aber auch einige Nachteile.
DOMRADIO.DE: Welche Fälle gab es in Ihrer Arbeit, die einschneidend und trennend waren?
Klar: Ich hatte eine Klientin, die ihren sterbenden Vater nicht begleiten konnte, weil er auf einer Intensivstation lag und sie dort nicht herein durfte. Das sind sehr dramatische Fälle. Sehr häufig haben wir von Klienten gehört, dass es große Unterschiede bezüglich der Einstellungen zu Corona und dem Umgang damit gab. Das war ein sehr spaltendes Thema, das auch Familien gespalten hat. Das war ein großes Thema in unseren Beratungen.

DOMRADIO.DE: Mit welchen Tipps konnten Sie weiterhelfen?
Klar: Das war sehr unterschiedlich. Vor allen Dingen haben wir uns mit den Ambivalenzen der Menschen befasst. Viele Menschen waren hin- und hergerissen. Außerdem haben wir viel Trauerarbeit gemacht.
Wir haben besprochen, wie man mit den Konflikten innerhalb der Familie umgeht: Wie gehe ich in Kontakt mit Onkel XY, der eine komplett andere Einstellung hat? Vertrete ich da zu 100 Prozent meine Meinung? Bin ich da laut, bin ich da leise? Da ging es gar nicht um Tipps, sondern um das Dasein und Zuhören, zu überlegen, wie ich meine Meinung vertreten und gleichzeitig annehmen kann, dass es da jemanden gibt, der ganz anders denkt und handelt.
DOMRADIO.DE: Gibt es Fälle, die bis heute nachwirken? Gibt es aktuell "Nachberatungen"?
Klar: Spannenderweise ist das gerade ein großes Thema bei uns. Wir haben das Gefühl, dass aktuell viele Beratungen indirekt Nachberatungen der Corona-Zeit sind. Da geht es nicht um die Fälle, die wir bereits angesprochen haben. Unser Gefühl ist, dass vor allen Dingen junge Menschen sehr unter dieser Zeit gelitten haben. Menschen, die vielleicht in der Zeit angefangen haben zu studieren oder in ihre Ausbildung zu gehen.
Wir begleiten derzeit viele Eltern, die sich Sorgen machen um Kinder zwischen 20 und 30, die in der Corona-Zeit wenig soziale Kontakte hatten und jetzt Schwierigkeiten haben, in Gruppen zu kommen. Sie haben mit sozialer Isolation und Einsamkeit zu tun. Das sind unserer Meinung nach Themen, die mit der Corona-Nachbereitung zu tun haben und die uns aktuell sehr beschäftigen.

DOMRADIO.DE: Was gibt es für Ansätze, die Sie in der Beratung verfolgen können?
Klar: Leider gibt es wenige Angebote für junge Menschen. Wir wollen hier in Wuppertal in der Zukunft – hoffentlich möglichst bald – eine Gruppe für Menschen zwischen 20 und 30 anbieten. Wir glauben, dass genau das den jungen Menschen hilft, gruppenfähig zu werden und sich in diesen Themen auszutauschen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.