Katholikentag debattiert über Kirche und Gesellschaft

Engagement, jetzt!

Mit Aufrufen zum gesellschaftlichen Engagement der Christen ist am Donnerstag der Katholikentag in Regensburg fortgesetzt worden. Bischof Rudolf Voderholzer rief die Christen zum Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen auf.

Katholikentag am Donnerstag (dpa)
Katholikentag am Donnerstag / ( dpa )

Voderholzer ermunterte im Hauptgottesdienst vor allem die jugendlichen Katholikentagsteilnehmer, sich gesellschaftlich zu engagieren. "Wir brauchen junge Menschen, die fest im Glauben verwurzelt, beruflich kompetent und mit einem starken Rückgrat sich einbringen, Verantwortung übernehmen und mitbauen an einer menschlichen Gesellschaft", sagte er. Auch in der Wirtschaft müssten Christen sich dafür einsetzen, dass "die Kluft zwischen arm und reich zumindest gemildert werden kann".

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte, wenn die Religion aus der Öffentlichkeit verschwinde, sei die Gefahr von Orientierungslosigkeit groß. Trotz zunehmender Entkirchlichung seien "so viele Menschen wie nie auf der Sinnsuche". Viele Menschen suchten allerdings den Sinn nicht mehr in der Kirche. "Vertrauen zurückzugewinnen ist eine lange Wegstrecke", sagte der Präsident der katholischen Laienbewegung.

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann warnte vor Unbeweglichkeit wie auch vor Übereifer in der evangelisch-katholischen Ökumene. "Ökumene braucht einen langen Atem", sagte der Mainzer Bischof. Die ökumenischen Partner seien nicht selten in der Gefahr, eine Ökumene ohne theologischen Tiefgang zu betreiben. Den nachlassenden ökumenischen Schwung führte der Kardinal auch darauf zurück, dass die Differenzen in den vergangenen Jahrzehnten geringer geworden seien.

Kardinal Lehmann mahnte auch eine gemeinsame Haltung der beiden großen Kirchen in ethischen Fragen an. Mit Sorge beobachte er, dass es zunehmend Risse in den Positionen zur Bioethik gebe, sagte der Mainzer Kardinal. Das betreffe die Haltung zur embryonalen Stammzellforschung und zum Thema Selbsttötung. Hier "knistert es im Gebälk", so der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz.

Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick forderte mehr Verantwortung von katholischen Laien in der Seelsorge, im Beruf und beim gesellschaftlichen Engagement. Aktive Gläubige sollten zu denen gehen, die noch nicht oder nicht mehr zur Kirche gehörten, sagte er in einem Interview aus Anlass des Katholikentags.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx verteidigte das Konzept einer soliden Vermögensvorsorge der Kirche. Diese könne im Unterschied zum Staat keine Schulden auf Kosten kommender Generationen machen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz betonte, auch bei der Kurienreform im Vatikan sei nicht geplant, das Vermögen des Papstes zu verteilen. Es müsse vielmehr drei Zwecke erfüllen, nämlich der Verkündigung dienen, den Armen helfen und die Mitarbeiter absichern.

Auch der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm unterstrich die Bedeutung der Ökumene. Zwar sei die Kirche noch immer in verschiedenen Konfessionen getrennt. Er freue sich aber, dass katholische und evangelische Christen beim Katholikentag gemeinsam ein Glaubensfest feierten und neu auf die Botschaft Jesu Christi hörten, "die allein uns wieder zusammenführen vermag", sagte der Landesbischof in einer Predigt in der Dreieinigkeitskirche, die 1631 für evangelische Glaubensflüchtlinge errichtet wurde.

Einen faireren Umgang mit dem Islam in Politik und Medien hat der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, gefordert. Militante Atheisten benutzten Muslime oft als Projektionsfläche für Polemik gegen Religion überhaupt, beklagte Mazyek am Donnerstag beim Katholikentag in Regensburg. Generell würden Religionsgemeinschaften in der Öffentlichkeit zu oft als Problem gesehen. Zu selten werde gesagt, dass sie eine positive Ressource für die Gesellschaft seien.

Der CDU-Politiker Thomas von Sternberg betonte, ähnlich wie Muslime würden oft auch Katholiken in Medien verzerrt dargestellt. Zu der im Europawahlkampf wieder aufgeflammten Kruzifix-Debatte bemerkte er, das Kreuz sei sowohl ein kulturelles als auch ein religiöses Symbol. Seine Gegenwart im öffentlichen Raum müsse toleriert werden. Die Philosophin Barbara Gerl-Falkowitz forderte, das Kreuz als Symbol des Unverfügbaren und Anti-Totalitären zu respektieren.

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) unterstrich die Trennung von Staat und Kirche. Keiner der beiden Bereiche dürfe Absolutheit für sich beanspruchen, der Staat müsse aber den Freiraum für die Religionsausübung garantieren. Aus diesem Grund sei das Gesetz für die straffreie Beschneidung richtig und sinnvoll.

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner sieht eine feste Quote für Frauen in Führungspositionen skeptisch. Sie bezweifle, dass eine gesetzlich festgeschriebene Quote mehr Frauen auf die Leitungsebene bringe. "Nicht mit der Brechstange", sagte Klöckner am Donnerstag auf dem Katholikentag in Regensburg. "Man kriegt nicht automatisch alles fifty-fifty besetzt", so die rheinland-pfälzische CDU-Landeschefin, die Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) ist. Frauen trauten sich oft weniger zu und überlegten länger, bevor sie eine Position äußerten.

Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat zu mehr Bewusstsein für Armut weltweit aufgerufen. Durch den Handel sei jeder in der entwickelten Welt verbunden mit der Armut in Ländern wie zum Beispiel Bangladesch, sagte Käßmann am Donnerstag auf dem Katholikentag in Regensburg. Vor allem Frauen seien von der Not betroffen. "Armut ist weiblich", betonte Käßmann. Weltweit erbrächten Frauen 52 Prozent der Arbeitsleistung, erhielten aber nur 10 Prozent des Einkommens.

Jeder Einzelne könne bereits mit dem Einkaufskorb aktiv werden. Ein bewusstes Kaufen und Auswählen sei ein erster Schritt gegen Armut. "In unserem reichen Land haben wir eine Verpflichtung gerade da auch anzusetzen", sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Grundsätzlich sei es problematisch, dass weiterhin in den Kategorien "arm" und "reich" gedacht werde. Niemand sei gerne auf die Hilfe anderer angewiesen. "Nehmen ist immer mit Scham behaftet", sagte Käßmann. Dabei gerate vermutlich jeder in seinem Leben in eine Situation, in der es ihm an etwas fehle und in der er die Hilfe anderer brauche.

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nannte die Quote als Instrument durchaus "heilsam". Die deutschen Bischöfe hätten sich eine Selbstverpflichtung auferlegt mit dem Ziel, die Zahl der Frauen in kirchlichen Führungspositionen zu vergrößern. "Wenn es um Entscheidungen geht, dann müssen Frauen nicht nur gefragt, sondern auch richtig beteiligt sein", sagte Jaschke. Manche Vorurteile gegenüber Frauen seien im Klerus ausgeprägter als anderswo. Für die Zukunft wünsche er sich, dass es irgendwann Generalvikarinnen in der Kirche gebe.

Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle ist für eine stärkere Öffnung sozial-caritativer Einrichtungen der katholischen Kirche für nicht-katholische Mitarbeiter. Beim Katholikentag in Regensburg erläuterte der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz die Hintergründe eines Schreibens aus der vergangenen Woche. Unter dem Titel "Das katholische Profil caritativer Dienste und Einrichtungen in der pluralen Gesellschaft" hatten die deutschen Bischöfe erklärt, dass die Beschäftigung von Nichtchristen unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Allerdings müsse dabei der katholische Charakter gewahrt bleiben.

"Es geht nicht darum, das katholische Profil einer Einrichtung umzuformen", betonte Trelle. Auch seien Leitungsaufgaben für Andersgläubige nicht vorgesehen. Die Einstellung von Personal mit anderer Religionszuhörigkeit erlaube es aber, noch besser auf Andersgläubige einzugehen, etwa in Kindergärten und Altenheimen oder auch in Beratungseinrichtungen für Migranten. In dem Schreiben hatten die Bischöfe allerdings auch betont, dass erzieherische Aufgaben in der Regel nur von christlichen Mitarbeitern übernommen werden und dass andersgläubige Mitarbeiter auf keinen Fall in kirchlichen Einrichtungen für ihren Glauben werben dürfen.

Trelle unterstrich darüber hinaus die Bedeutung eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichts für die Integration von Muslimen. Diesen halte er für deutlich sinnvoller als den Unterricht in türkischer oder arabischer Sprache.

Der katholische Jugendbischof Karl-Heinz Wiesemann fordert die Verantwortlichen in der Kirche auf, stärker auf die Themen junger Menschen zu achten. "Die Jugend ist der Seismograph der Gesellschaft", sagte der Vorsitzende der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag beim Katholikentag in Regensburg.

"Die Kirche muss da sein, wo es ums Eingemachte geht", forderte Wiesemann. Sie müsse schauen, mit welchen Fragen sich Jugendliche beschäftigten und wo sie Halt suchten. Zugleich lud der Speyerer Bischof Jugendliche ein, sich aktiv in Kirche, Gemeinschaft und Liturgie einzubringen. "Dazu gehört auch, die Kirche einmal etwas umgestalten zu können und etwas Neues auszuprobieren."

Der Vorsitzende der Deutschen Kommission "Justitia et Pax", Bischof Stephan Ackermann, kritisierte die negativen Folgen von EU-Agrarsubventionen für die Menschen in Entwicklungsländern. Kirchliche Organisationen wie die Caritas unterstützten dort den Kampf gegen die Monopolisierung der Landwirtschaft und versuchten, vor Ort Kleinbauern mit Projekten zu fördern, so der Trierer Bischof.

"Wenn Bauern überall in der Welt nicht mehr von Lebensmitteln leben können, die sie produzieren, ist etwas falsch", betonte die Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (KLB), Nicole Podlinksi. Rund 40 Prozent der Weltbevölkerung lebten von kleinen Landbetrieben. Diese stellten eine wichtige Einkommensquelle für Menschen in Entwicklungsländern dar, zudem sei der Energieverbrauch bei Kleinbauern oft "smarter".

Der Generalsekretär der Internationalen Katholischen Landvolkbewegung (FIMARC), George Dixon Fernandez, betonte, für die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung seien Kleinbauern außerordentlich wichtig. Sie würden von Politik und Entscheidungsträgern unterschätzt. Diese unterstützten zu oft die industrielle Landwirtschaft und große Konzerne. "Wir säen aus und jemand anderes erntet", beklagte Fernandez.

Das gemeinsame Gebet von Juden und Christen aus Sicht des emeritierten Landesrabbiners Henry G. Brandt eine Selbstverständlichkeit. "Man hat Kommissionen gebildet, um zu gewährleisten, dass wir nicht gemeinsam, sondern nur nebeneinander beten. Ich habe das nie so akzeptiert", sagte Brandt am Donnerstagabend beim Katholikentag in Regensburg. Natürlich habe jede Religion ihr "Proprium", aber es gebe viele Anliegen, die allen gemeinsam seien. "Es gibt keine christliche, jüdische oder islamische Gerechtigkeit, sondern es gibt nur eine Gerechtigkeit", fügte er hinzu.

Brandt sprach bei der traditionellen christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier des Katholikentags. Solche Feiern bei Katholikentagen oder im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" seien ihm ans Herz gewachsen und bildeten gewissermaßen "Höhepunkte des Amtsjahres" für ihn. Zugleich stellten sie einen Gradmesser der christlich-jüdischen Beziehungen dar. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann hob in seiner Ansprache hervor, "welches große Erbe an Reichtum des Glaubens und Tiefe der Menschlichkeit uns Juden und Christen in der Bibel gegeben ist".

Mit Blick auf die verbreitete öffentliche Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit Geld fordert der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer mehr Transparenz. Zugleich brauche die Kirche "ein größeres Maß an Solidarität und Bereitschaft zu einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik", sagte der Verwaltungschef des Ruhrbistums am Donnerstag auf dem Katholikentag in Regensburg.

Derzeit gebe es zwischen Diözesen und einzelnen kirchlichen Trägern unterschiedliche Auffassungen über Transparenz. Die Öffentlichkeit sei aber nicht bereit, das zu akzeptieren. "Vorkommnisse in einem einzelnen Bistum haben sofort Auswirkungen auf alle", sagte er.

Pfeffer sprach sich für schnelle Verhandlungen der Kirche mit dem Staat über eine Ablösung der sogenannten Staatsleistungen aus. Manche Bistümer hätten bereits Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Jedes Jahr erhalten die katholische und evangelische Kirche in Deutschland rund 460 Millionen Euro an sogenannten altrechtlichen Staatsleistungen. Damit werden unter anderem die Gehälter von Bischöfen und Domherren bezahlt. Es handelt sich weitgehend um eine historisch bedingte Entschädigung für Enteignungen der Kirche im 19. Jahrhundert.

Pfeffer forderte mehr finanzielle Solidarität zwischen den katholischen Diözesen. Notwendig seien ein innerkirchlicher Ausgleich bei einem Verzicht auf Staatsdotationen sowie ein Ausgleich wegen unterschiedlicher Kirchensteuereinnahmen.

Auf mittlere Sicht befürchtet der Generalvikar erhebliche finanzielle Probleme der Kirchen. Absehbar seien nicht nur sinkende Kirchensteuereinnahmen durch Kirchenaustritte und den demografischen Wandel, betonte Pfeffer. Kirchennahe Unternehmen müssten sich auch auf erhebliche Risiken durch wachsende Konkurrenz einstellen, sagte er mit Blick auf den sozialen Bereich und auf die in die Insolvenz geratene Augsburger Verlagsgruppe Weltbild.


Margot Käßmann in Regensburg (KNA)
Margot Käßmann in Regensburg / ( KNA )

Katholikentag am Donnerstag (dpa)
Katholikentag am Donnerstag / ( dpa )
Quelle:
KNA , epd