Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, hat am Weihetag der Lateranbasilika mit einem Pontifikalamt aus dem Kölner Dom die bundesweite Diaspora-Aktion 2025 des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken eröffnet. Das Hilfswerk unterstützt Katholiken in Europa, die in einer Minderheitensituation, der sogenannten Diaspora, leben. In seiner Predigt griff er das Lied "Wir sind nur Gast auf Erden" auf und deutete es als Ausdruck einer grundlegenden Wahrheit des christlichen Glaubens: Christinnen und Christen leben als Pilger und Fremde in dieser Welt. In einer bleibenden "Diaspora".
Schon das Volk Israel habe die Erfahrung der Zerstreuung gemacht, so Woelki, ebenso die ersten Christinnen und Christen, an die der Apostel Petrus "an die erwählten Fremden in der Diaspora" schrieb. Dieses Bewusstsein, in der Fremde zu leben, gehöre nicht nur zur Vergangenheit, sondern beschreibe die bleibende geistliche Situation der Kirche: "Wir alle leben in der Diaspora, weil sie Grundhaltung unserer christlichen Existenz ist."
"Deutschland ist Missionsland"
Woelki erinnerte daran, dass schon 1948 der Jesuit Ivo Zeiger Deutschland als "Missionsland" bezeichnet habe. Eine Einschätzung, die die deutschen Bischöfe erst 2004 in einem Hirtenbrief bestätigten. Die sechste und aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zeige, dass dieser Befund heute Realität geworden sei. Doch anstatt zu resignieren, solle die Kirche diese Situation als Auftrag verstehen. Der Erzbischof zitierte den Theologen Henri de Lubac: "Nicht die Zukunft zu erraten ist wichtig, sondern zu sehen, was die Gegenwart fordert."
Die Aufgabe der Kirche sei es, wie der Sämann im Evangelium den Samen des Wortes Gottes auszusäen. Im Vertrauen darauf, dass Gott selbst das Wachstum schenkt. "Wir haben nur eines zu tun", so Woelki: "den Samen des Wortes auf den Acker der Welt auszuwerfen." Auch wenn das Umfeld schwierig sei, bleibe die Sendung klar: das Evangelium der Freude zu verkünden. In Worten , aber erst recht durch das eigene Leben.
Christusbegegnung statt innerkirchliche Debatten
Woelki betonte, dass dazu Stille, Gebet, Anbetung und Eucharistie nötig seien. Aus ihnen schöpfe der Glaube seine Kraft. So wie ein Baum, der seine Wurzeln in die Erde senkt, um Nahrung zu ziehen. Diese geistliche Tiefe sei die Grundlage jeder Evangelisierung. Mit Blick auf Papst Franziskus erinnerte der Erzbischof daran, dass die Kirche "in einem Zustand permanenter Mission" leben müsse.
Ziel sei immer die persönliche Begegnung mit Christus. Nicht innerkirchliche Debatten oder Rückblicke auf vergangene Zeiten brächten die Kirche voran, sondern die Bereitschaft, aufzubrechen und zu verkünden: "Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern."
10,4 Millionen Euro für 1.117 Projekte
Zum Abschluss verwies Woelki auf die Wurzeln dieser Sendung in der Liebe Gottes: "Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab." In dieser Sendung stehe auch das Bonifatiuswerk mit seiner Arbeit für Katholikinnen und Katholiken in Minderheitssituationen. Es diene dem Ziel, Menschen die Begegnung mit Jesus Christus zu ermöglichen – "mit dem, der das Leben ist, das allein trägt - selbst durch den Tod hindurch."
Die Diaspora-Aktion 2025 des Bonifatiuswerks steht unter dem Motto "Stärke, was dich trägt". In den Gottesdiensten am 15. und 16. November werden in den katholischen Gottesdiensten Spenden für das Hilfswerk gesammelt. Das Bonifatiuswerk mit Sitz in Paderborn hilft vor allem Katholiken in Nord- und Ostdeutschland, in Skandinavien und im Baltikum. Im vergangenen Jahr wurden 1.117 Projekte mit 10,4 Millionen Euro gefördert. Namensgeber des Hilfswerks ist der als Apostel der Deutschen geltende heilige Bonifatius (um 672 bis 754).
DOMRADIO.DE hat am Weihetag der Lateranbasilika das Pontifikalamt zur bundesweiten Eröffnung der Diaspora-Aktion 2025 aus dem Kölner Dom übertragen. Hauptzelebrant war der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki. Konzelebranten waren Bischof Fredrik Hansen PSS (Oslo), Erzbischof Zbigņevs Stankevičs (Riga), Bischof Wolfgang Ipolt (Görlitz), Monsignore Guido Assmann (Dompropst und Generalvikar, Erzbistum Köln) und Monsignore Georg Austen (Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Paderborn).
Das Vokalensemble Kölner Dom unter der Leitung von Domkapellmeister Alexander Niehues gestaltete den Gottesdienst musikalisch . Die Sopranistin Kirsi Tiihonen (Finnland) sang zur Kommunion "Soi kunniaksi Luojan" von Jean Sibelius. Die Orgel spielte Winfried Bönig. Das Liedheft zum Gottesdienst finden sie hier!
Eröffnung der Diaspora-Aktion
Mit dem Leitwort "Stärke, was dich trägt." ist die diesjährige Diaspora-Aktion eine Einladung, sich einmal bewusst als Einzelperson und in der Gemeinschaft Zeit zur Reflexion über die Fundamente des Lebens und des Glaubens zu nehmen. Damit verbunden sind wir auch aufgefordert, unsere Beziehung zu Gott und zu unseren Mitmenschen zu pflegen sowie unsere (Glaubens-) Identität zu stärken.
Eines der großen Anliegen der Arbeit des Bonifatiuswerkes ist es, dass wir uns als Christinnen und Christen gegenseitig zu solidarischem Handeln und missionarischem Zeugnis ermutigen – insbesondere in anders- oder nicht gläubigen Umfeldern. „Stärke, was dich trägt.“ erinnert zudem daran, dass Glaube und Beziehungen nur dann tragen können, wenn sie selbst immer wieder bekräftigt und genährt werden.
Evangelium zum Weihetag der Lateranbasilika: Johannes 2,13-22
Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.
Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
Auslegung zum Sonntagsevangelium von Peter Köster
Nicht weniger programmatisch als der "Anfang seiner Zeichen" bei der Hochzeit zu Kana ist Jesu erstes Auftreten beim Passahfest in Jerusalem. Während das Weinwunder noch eher im Verborgenen geschah, sucht Jesus hier gezielt die Auseinandersetzung mit den theologischen Autoritäten im religiöspolitischen Zentrum des Judentums. Bei der großen Menge an Festpilgern, die aus allen Teilen des Landes zusammenströmen, ist zu erwarten, dass seine Zeichenhandlung eine große Öffentlichkeitswirkung haben wird. Nach Johannes hält sich Jesus noch öfter an den jüdischen Festen in Jerusalem auf (Joh 5,1; 6,4; 7,2; 11,55). Die Auseinandersetzung mit dem Tempelkult zieht sich durch das ganze Evangelium und steigert sich dramatisch in den Kapiteln 7-10.
Schon bei diesem Pascha kündigt sich die Antwort Jesu auf die Frage der Samariterin an, wo man anbeten müsse: "Es kommt die Stunde und jetzt ist sie da, in der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit" (Joh 4,23). Mit seinem Auftreten ist das Ende des Tempelkultes gekommen.
Peter Köster SJ (Theologe, geistlicher Lehrer, *1936), aus: Ders., Lebensorientierung am Johannes-Evangelium. Eine geistliche Auslegung auf fachexegetischer Grundlage, 43–44, © EOS Verlag, St. Ottilien 2013