"Das ist eine wichtige Botschaft, die die Bundeswehr mit einem solchen Gottesdienst sendet", findet Franz Josef Jung. Der Bundesverteidigungsminister a. D. steht an diesem Morgen beim internationalen Soldatengottesdienst anlässlich des Weltfriedenstags in der ersten Reihe. Das erste Mal habe er 2007 an dieser Feier im Kölner Dom teilgenommen, erinnert sich der heute 75-Jährige – in dieser Zeit gehörte er zu dem von Angela Merkel geführten Kabinett – und diese Initiative als Verbindungsstück zwischen Soldatendienst und Militärseelsorge immer geschätzt. Wiederholt hat der ehemals in Regierungsverantwortung stehende CDU-Politiker die Einladung zur Mitfeier angenommen und ist eigens aus dem Rheingau nach Köln gekommen, um gemeinsam mit mehreren hundert Bundeswehrangehörigen für den Frieden zu beten.
Ihn besorge in besonderem Maße die Situation in der Ukraine, aber auch die Lage im Nahen Osten, sagt er auf Nachfrage. Er halte für möglich, dass auf Intervention des neuen US-Präsidenten Trump Angreifer Putin so unter Druck gerate, dass dieser absehbar über einen Waffenstillstand in der Ukraine zu reden bereit sei. „Eine friedliche Entwicklung“ wünscht sich Jung auch für Nahost. „Da kann man nur hoffen“, erklärt der praktizierende Katholik, der heute Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung und Präsident der ehemaligen Bundestagsabgeordneten im Europäischen Parlament ist.
Für Dr. Bernhard Groß, Generalarzt der Luftwaffe im Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin, ist der Soldatengottesdienst zu Beginn des Jahres eine Gelegenheit, sich als Teil einer großen Gemeinschaft von Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten zu erleben, einen Moment zur Ruhe zu kommen und sich einmal mehr bewusst auf den Auftrag, für die Verteidigung des Friedens und der Freiheit einzustehen, zu besinnen. "Für mich gab es immer schon eine enge Verbindung zwischen Sanitätsdienst, Kirche und christlichen Werten", sagt der Mediziner. "Diese Messe ist immer neu Anlass, sich über dieses Zusammenspiel klar zu werden und daher ein schöner Einstieg ins Jahr."
Dr. Olaf Scharfenstein, Oberstapotheker und zuständig für die Reserveoffiziere der Bundeswehr im Personalamt Siegburg, betont die Bedeutsamkeit der Militärseelsorge – nicht nur weil sie bei einem möglichen Auslandseinsatz Halt bietet, sondern er diese Form der geistlichen Begleitung grundsätzlich als beruhigend wahrnehme, wie er erklärt. Für ihn spiele die Auseinandersetzung mit dem Glauben gerade vor dem Hintergrund seines Dienstes – er war selbst schon in Afghanistan stationiert – eine große Rolle. Nicht umsonst hätten die Losungen, geistliche Impulse für jeden Tag, einen festen Platz auf seinem Schreibtisch. "So ein Gottesdienst, der uns in der Bitte um Frieden eint, ist ein tolles Angebot, das ich aus Überzeugung mit meiner Teilnahme unterstütze", fügt er noch hinzu.
Auch Generalmajor Stefan Zeyen vom Unterstützungskommando der Bundeswehr setzt auf geistliche Begleitung in schwierigen Situationen, zum Beispiel wenn Kameraden im Einsatz verwundet werden. "Dann kann man sich als Kompaniechef immer auf seelsorgliche Hilfe verlassen." Dass das Halt gibt, hat Zeyen, der vor Jahren beim KFOR-Einsatz in Bosnien mit dabei war, schon selbst erlebt und während dieser Zeit in den wöchentlichen Feldlagergottesdiensten Kraft geschöpft. "Meine Verwurzelung im Glauben schenkt mir die Hoffnung, dass wir auf einem Weg sind, an dessen Ende eine bessere Welt steht", formuliert er mit Zuversicht und erklärt: "Heute denke ich besonders an die Menschen in der Ukraine, die seit fast drei Jahren unter dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands leiden. Das bewegt mich sehr."
Um Ermutigung, immer am Frieden zu arbeiten, und um die "stärkste Waffe" dafür – das Gebet – geht es auch dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, der vor den vielen Frauen und Männern in Uniform betont, dass Frieden immer "im Kleinen, vor der eigenen Tür, im persönlichen Leben des Einzelnen“ beginne. "Unsere Aufgabe ist es, damit vor Ort anzufangen", sagt der Kardinal wörtlich. An anderer Stelle knüpft er an die Weihnachtszeit an und unterstreicht: "In seinem Sohn erscheint Gott nicht bis auf die Zähne bewaffnet. Vielmehr kommt er als kleines wehrloses Kind, um uns zu entwaffnen und zur Friedfertigkeit zu bewegen."
Entsprechend konsequent habe dieses Kind später als Erwachsener seine Mission inmitten der Dunkelheit der Welt und rufe gewaltlos Gottes Herrschaft aus: das Reich der Liebe, der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens. Alles, was er fordere, bringe er in seinem Hauptgebot auf den Punkt: "Du sollst deinen Gott und deinen Nächsten lieben! Nein, deine Liebe soll so groß sein, dass sie nicht nur deinem Nächsten gilt, sondern sogar deinem Feind." Aber Jesus fordere so etwas nicht nur, er lebe es auch, indem er seinen Vater für die Menschen, die ihn ans Kreuz bringen, um Vergebung bitten würde, fügt Woelki noch hinzu. So bringe er den Frieden in die Welt, erklärt der Kardinal. "Er lebt mitten unter uns, nur anders als wir. Er zerbricht den Stock des Treibers, indem er sich von Pilatus den Rohrstock in die gefesselten Hände stecken lässt. Den Soldatenmantel vernichtet er, indem er ihn sich zum Spott umhängen lässt und mit seinem eigenen Blut tränkt. Das Joch zerbricht er, indem er das Kreuz auf seine Schultern nimmt. So schafft er Frieden!"
Wie Frieden schon im Kleinen gelingen könne, machte der Kölner Erzbischof an der Geschichte eines tragischen Unglücks anschaulich. Demnach hatte ein israelischer Soldat in vermeintlicher Notwehr auf einen palästinensischen Jungen geschossen, der ein Spielzeuggewehr in den Händen gehalten hatte, was einem echten aber täuschend ähnlich sah. Doch bevor das Kind an den Folgen seiner Verletzungen stirbt, beschließen seine Eltern, diesem sinnlosen Tod ihres Kindes einen Sinn zu geben, der dem Frieden dienen und nicht den Hass weiter schüren soll. "Sie haben niemanden aufgehetzt mit ihrem Schmerz. Niemand sollte für ihren Sohn auf die Straße gehen und mit geballten Fäusten und lauten Geschrei nach Rache rufen", erzählt Woelki.
Sie hätten sich für einen warmherzigen und leisen Weg der Trauer entschieden, indem sie die Organe ihres Kindes an israelische Kinder spendeten, so dass heute das Herz ihres verstorbenen Jungen in der Brust eines israelischen Mädchens schlage. "Was Engel uns einsagen und was Gottes Weisheit an Lösungen bietet, ist – wie so oft – ganz einfach", so der Kardinal weiter. Eigentlich bedürfe es dafür nur etwas Mutes. So habe diese palästinensische Familie versucht, einen Weg des Friedens zu wählen und damit die Welt ein Stück hin zum Besseren zu verändern. "Die Wende zum Frieden, wie Gott sie gegangen ist, die ist jedenfalls möglich!", versichert der Erzbischof abschließend.