Kardinal Woelki feiert internationalen Soldatengottesdienst

"Frieden ist mehr als nur Waffenstillstand"

Hunderte Soldaten aus vielen Ländern weltweit zu Beginn eines Jahres im Dom – das hat in Köln eine lange Tradition. Aber auch, dass gegen diesen Gottesdienst anlässlich des Weltfriedenstages regelmäßig demonstriert wird.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Während wir hier Messe feiern, sterben gerade Soldaten auf dem Schlachtfeld." Für Oberstleutnant Lutz Meyer ist der Krieg – vor allem auch der Ukraine-Krieg – nicht weit weg. Er selbst war schon bei Einsätzen in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan mit dabei.

"Gerade in der heutigen Zeit beschäftigt uns alles, was damit zu tun hat", sagt der Mitarbeiter im Amt für Heeresentwicklung in Köln und zeigt sich sehr berührt von der Einladung zum alljährlichen Soldatengottesdienst im Januar. Der Glaube sei immer ein wesentlicher Bestandteil eines solchen Einsatzes, fügt er noch hinzu. "Auch unter meinem Kommando sind schon Kameraden gefallen." Deshalb sei es auch so wichtig, dass es die Militärseelsorge gebe, sie immer mit dabei sei. "Das gibt einem Kraft."

Er findet einen solchen Gottesdienst, in dem Vertreter der Kirche und des Militärs gemeinsam zusammenkommen, um zu beten, ganz wichtig. Darüber hinaus aber sei er auch ein Zeichen der Wertschätzung von Soldatinnen und Soldaten, die ja ein Teil der Staatsgewalt, aber gleichzeitig eben auch Mitglieder der Gesellschaft wären. Ihm gingen bei dieser Gelegenheit viele Dinge durch den Kopf. Schließlich werde heute auch der neue Bundesverteidigungsminister vereidigt. Und dann gehe es aktuell ja auch um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, was sie alle mit großem Interesse verfolgten. "Auch von daher ist das heute ein besonderer Tag", so der Bundeswehrangehörige.

Oliver Eiter, Oberstleutnant

"Ich wusste gar nicht, dass es einen solchen Gottesdienst gibt, bin aber sehr froh über die Einladung, denn sie ist Ausdruck einer Wertschätzung der Kirche uns Soldaten gegenüber."

Oberstleutnant Thomas Buchmeier von der Flugbereitschaft in Wahn betont ebenfalls die Bedeutung der Militärseelsorge, die seit den regelmäßigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr noch wichtiger geworden sei, wie er meint. "Schließlich sind wir Soldaten für den Erhalt des Friedens da, und heute beten wir hier auch für unsere verstorbenen Kameraden", unterstreicht der 47-Jährige, der schon mal in Jordanien stationiert war und weiß, dass bei solchen Einsätzen Militärgeistliche als zentrale Anlaufstelle immer unverzichtbar sind. "Da lässt sich emotional Kraft tanken. Militärseelsorger sind wichtig für die Moral und den Zusammenhalt einer Truppe im Einsatz." Buchmeier ist evangelisch und räumt ein, normalerweise eher ein seltener Kirchgänger zu sein. "Aber im Einsatz gehe ich jeden Sonntag. Das brauche ich zum Innehalten und um zu reflektieren: Ist das eigentlich richtig, was ich hier tue?"

Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Sein katholischer Kollege Oliver Eiter, ebenfalls Oberstleutnant bei der Flugbereitschaft, hat schon vier Auslandseinsätze in Afghanistan hinter sich, ist aber zum ersten Mal im Kölner Dom mit dabei. "Ich wusste gar nicht, dass es einen solchen Gottesdienst gibt, bin aber sehr froh über die Einladung, denn sie ist Ausdruck einer Wertschätzung der Kirche uns Soldaten gegenüber." Auch er hebt den Wert von Militärseelsorgern hervor. "Für das innere Gefüge des Kontingents sind sie von großer Bedeutung, gerade auch wenn jemand zu Tode kommt. Denn wenn Kameraden sterben, bringt das die ganze Einheit aus dem Tritt und macht konkret spürbar, wie hoch die Belastung ist und mit welcher Konsequenz man in einen solchen Einsatz geht." Dass es zu einem solchen Gottesdienst auch kritische Stimmen gebe und diese lauthals geäußert würden, sei ja nur deshalb möglich, "weil wir da sind und für die Sicherheit und Wahrung der Demokratie sorgen".

Richard Frevel, Generalmajor

"Dieser Internationale Gottesdienst bedeutet mir viel, weil wir ihn über Ländergrenzen hinweg vereint miteinander feiern."

Auch Generalmajor Richard Frevel, Standortältester Köln, bekennt: "Dieser internationale Gottesdienst bedeutet mir viel, weil wir ihn über Ländergrenzen hinweg vereint miteinander feiern." Dass es vor dem Dom dazu auch Proteste gebe, störe ihn nicht. "Das ist ja gerade das Schöne an der Demokratie, dass jeder eine Meinung haben und diese auch sagen darf."

Dass bei dieser Feier alle Kontinente vertreten sind, lässt sich unschwer an den Uniformen, aber auch an der Hautfarbe einzelner Militärangehöriger erkennen. Da sind junge Soldatinnen und Soldaten aus Mali, Algerien und Brasilien mit dabei, aus Georgien, der Mongolei und Nepal, aus Benin, Spanien, Österreich und Belgien. Aber auch hochrangiges Personal aus dem Verteidigungsministerium und aus dem Militärbischofsamt. Und wie in jedem Jahr kennzeichnet eine ganz eigene berührende Ernsthaftigkeit diese Eucharistiefeier, zu der der Leitende Militärdekan Monsignore Rainer Schnettker alle militärischen und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Standorte Köln, Bonn, Aachen und Nörvenich begrüßt. Eigentlich müsste er gar nicht erwähnen, dass noch vor einem Jahr dieser Soldatengottesdienst unter anderen Vorzeichen stattgefunden hat. Dass in einem europäischen Nachbarland ein furchtbarer Krieg gerade in diesem Moment wieder Opfer fordert, ist an diesem Morgen nämlich allgegenwärtig. Die bedrückende Aktualität, mit der hier die Bitte um Frieden ins Zentrum gerückt wird, spiegelt sich in den versteinerten Mienen.

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Erst das Wohlergehen aller ist die Basis jeden Friedens. Soziale Ungleichheit, Ungerechtigkeit aller Art, Armut, Katastrophen und der Kampf um Ressourcen – all das fördert Unruhen und am Ende Krieg."

"Von guten Mächten wunderbar geborgen…" Zur Gabenbereitung legt sich mit diesem bekannten Bonhoeffer-Lied, das das Musikcorps der Bundeswehr vor dem Dreikönigenschrein spielt, ein Klangteppich über die Gemeinde, der selbst ohne die eingängigen Textzeilen seine ganze Wirkung entfaltet und seinen speziellen Teil zur Feierlichkeit dieses von Erzbischof Woelki zelebrierten Gottesdienstes beiträgt. Auch "unausgesprochen" soll die tröstliche Botschaft mitschwingen: "…Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Der Friede sei ein hohes zerbrechliches Gut, stellt Kardinal Woelki fest, und in vielen Teilen der Welt im Großen und Kleinen bedroht. "Wir haben allen Grund für den Frieden und besonders für den in der Ukraine zu beten", so der Kölner Erzbischof zu Beginn des Soldatengottesdienstes. In seiner Predigt erinnert er dann an die "friedensstiftende Wirkung" des noch nicht lange zurückliegenden Festes der Geburt Christi, betont aber, dass der Friede des Weihnachtsevangeliums mehr sei als nur ein Waffenstillstand. Das biblische Shalom, das aus dem Hebräischen mit "Frieden" übersetzt werde, meine hingegen nämlich viel umfassender außerdem noch Sicherheit, Gesundheit, Zufriedenheit, Wohlbefinden und Wohlergehen. Erst das Wohlergehen aller sei die Basis jeden Friedens, betont Woelki. "Soziale Ungleichheit, Ungerechtigkeit aller Art, Armut, Katastrophen und der Kampf um Ressourcen – all das fördert Unruhen und am Ende Krieg."

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Die Vorbereitung auf einen Einsatz ist nie Selbstzweck, sondern allenfalls letzte Eskalationsstufe. Nicht gewollt, im Zweifelsfall jedoch nötig, um durch Verteidigung die Bedingung der Möglichkeit für Frieden zu schaffen."

Die Zusage der Engel "Friede den Menschen" sei zugleich ein Auftrag an alle, die Erfahrung von Weihnachten weiter zu tragen in die Welt, in das Leben und den Alltag der Menschen, auch wenn es nicht leicht sei, die Freude über die Botschaft der Engel und die Ereignisse von Weihnachten wach zu halten. "Noch viel weniger leicht ist es, den Frieden der Weihnacht zu bewahren. Doch der Auftrag dazu bleibt aktuell, er gilt nicht nur an Weihnachten", mahnt Woelki.

Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Internationaler Soldatengottesdienst 2023 im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

An die im Dom versammelten Einsatzkräfte gewandt sagt er: "Sie tragen durch Ihren Dienst in einzigartiger Weise mit Sorge um den Frieden in der Welt. Im Zweifelsfall setzen Sie sogar in der Fremde Ihr Leben aufs Spiel für den Frieden, für die Freiheit unserer Nation, für ein freies Europa, für eine gerechte Welt in Sicherheit mit lebenswürdigen Bedingungen." Das Leben der Soldatinnen und Soldaten werde davon auf dramatische Weise berührt, weil sie die Folgen kriegerischer Auseinandersetzunge als erste spürten.

"Die Weihnachtsbotschaft der Engel ist so in besonderer Weise auch Ihre Berufung und Ihr Auftrag." Über das ganze Jahr hinweg hielten Soldatinnen diese wach, würdigt er abschließend das Engagement der Anwesenden. Die Vorbereitung auf einen Einsatz  sei nie Selbstzweck, sondern allenfalls letzte Eskalationsstufe. "Nicht gewollt, im Zweifelsfall jedoch nötig, um durch Verteidigung die Bedingung der Möglichkeit für Frieden zu schaffen." 

Quelle:
DR