Kardinal Woelki entschlüsselt mit Rilke das Geheimnis der Weihnacht

Gott hat eine Vorliebe für die Nacht

Weihnachten ist eine Enttäuschung. Ein Hohn. So muss es auf die Hirten gewirkt haben, als sie an die Krippe traten. Doch mit ihrem Erkennen und Durchschauen werden sie zu Glaubensvorbildern, predigt Kardinal Woelki in der Christmette.

Autor/in:
Gerald Mayer
Christmette mit Kardinal Woelki im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach (DR)
Christmette mit Kardinal Woelki im Kölner Dom / © Nicolas Ottersbach ( DR )

"Die Nacht ist wie ein großes Haus“, zitiert der Kölner Kardinal Woelki seinen Namensvetter, den Dichter Rainer Maria Rilke in der Heiligen Nacht. "Und so, mein Gott, ist jede Nacht. Immer sind welche aufgewacht, die gehen und gehen und dich nicht finden." 

Es ist ein dunkles Bild, das der Dichter zeichnet. Und der Kardinal füllt es in der weihnachtlich erleuchteten Kathedrale mit ebenso dunkler Aktualität: 673 Millionen Menschen leiden an Hunger, 37 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Krieg und Gewalt scheinen allgegenwärtig. Und bei uns grassiert das Leid der Einsamkeit, das in NRW jeden fünften Jugendlichen betrifft. Es sei erschreckend, welches "Dunkel in den Tiefen unserer menschlichen Herzen" anzutreffen sei, stellt der Erzbischof fest. Um es mit Rilke zu sagen: "Und so, mein Gott, ist jede Nacht." 

Das Kind in der Krippe durchbricht das Dunkel – und enttäuscht 

Gott aber habe eine Vorliebe für die Nacht, predigt Kardinal Woelki. Er hat uns das Kind in der Krippe geschickt, damit es uns in gerade dieser Dunkelheit finde: In der Not, nicht glauben zu können oder in der Angst, umsonst gelebt zu haben. In der Angst vor Einsamkeit und Alleinsein, oder mit der Angst vor dem Sterben. "Mit unserer Sehnsucht danach, geliebt, angenommen, ganz einfach glücklich sein zu wollen." Um uns in dieser Dunkelheit zu finden, sei Gott nicht nur "zu uns" gekommen. Im Kind in der Krippe sei er vielmehr "einer von uns" geworden. 

Geradezu enttäuschend müsse das auf den ersten Blick für die Hirten gewesen sein. Nach der Ankündigung der Engel, nach dem "Aufleuchten des himmlischen Lichtglanzes", nach der Ankündigung des "weltbewegenden Ereignisses der Geburt des Gottessohnes" stehen sie vor einer einfachen Krippe. Und sie finden dort ein Kind, das so aussieht, wie jedes andere auch.  

Jesus verwandelt die dunkle Nacht 

Gerade mit diesem Unfassbaren, diesem Widersprüchlichen der Heiligen Nacht habe Gott in seiner Menschwerdung unser Menschsein angenommen. Bis hinein in die letzten Konsequenzen, bis hinein in das Dunkel des Todes.  

Denn nicht nur diese eine Weihnacht hat Jesus verwandelt, sondern auch das Dunkel seines Todes am Karfreitag, so der Kardinal. "Seit diese erste und diese zweite Nacht der Welt hell wurde, liegt über allen Dingen ein neuer Sinn: Alles ist von der Liebe Gottes getroffen. Alles harrt ihm entgegen." Die Geburt Jesu lasse, erst die Hirten und dann uns, verstehen, "dass das Geschick dieser Erde für immer von Gott angenommen und in Gott geborgen ist."  

Unser Leben im Licht des "Siegels der Liebe" 

Und in dieser Gewissheit können wir in allen Dingen – auch in den alltäglichen, kleinen – die Liebe Gottes entdecken, resümiert Kardinal Woelki. Das ist es, was wir aus der Weihnachtsnacht für unser Leben lernen können: Dass wir mit dem "Siegel der Liebe Gottes" alles in unserem Leben im Licht des Evangeliums sehen. 

Nein, "nichts ist so verloren, dass es nicht von Christus umfangen wäre". Und nein, tritt Kardinal Woelki dem Dichter entgegen: Dank der Geburt Jesu wissen wir, so ist eben nicht jede Nacht. "So, liebe Schwestern, liebe Brüder, ist nur diese eine Nacht." 

Quelle:
DR

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