Kardinal Müller versteht Vatikan-Verhalten im Ukraine-Krieg

Moralisch klar, diplomatisch ein Dilemma

In seinen Äußerungen zum Ukraine-Krieg ist Papst Franziskus nach Aussage von Kardinal Ludwig Gerhard Müller "als moralische Autorität klipp und klar". Diplomatisch hingegen müssten Papst und Vatikan "einen Drahtseilakt" absolvieren.

Fahne der Ukraine während des Angelus-Gebetes mit Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Fahne der Ukraine während des Angelus-Gebetes mit Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

"Wie reagiere ich, um einen Diktator nicht noch mehr zu reizen?", formulierte Müller das Dilemma, wie er es sieht. Nach einer elftägigen Reise durch Polen und an die ukrainische Grenze beschrieb der Kardinal im Gespräch mit der Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) ein weiteres Dilemma.

Gerhard Ludwig Kardinal Müller / © Francesco Pistilli (KNA)
Gerhard Ludwig Kardinal Müller / © Francesco Pistilli ( KNA )

Anders als etwa Josef Stalin und Adolf Hitler verstehe sich Russlands Präsident Wladimir Putin ausdrücklich als Christ. "Er küsst Ikonen, bekreuzigt sich, betet und wirft doch grundlegende christliche Prinzipien über den Haufen", so Müller.

Eindrücke aus dem Grenzgebiet

Bei seinen Begegnungen an der polnisch-ukrainischen Grenze habe ihn die große Hilfsbereitschaft vieler Freiwilliger sehr beeindruckt, berichtet der Kardinal. Zahlreiche junge Menschen seien eigens dorthin gereist, aus Polen, Deutschland, USA, Israel und von andernorts. Sie helfen demnach den Geflüchteten aus der Ukraine bei der Registrierung, versorgen sie mit Essen und Trinken, Kleidung und Medikamenten und organisieren Unterkünfte.

Polen zählt 2,3 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind rund 2,3 Millionen Menschen ins Nachbarland Polen geflüchtet. Das teilte der polnische Grenzschutz am Sonntag via Twitter mit. Allein am Samstag seien mehr als 31.000 Personen gezählt worden.

Aus Polen kommend überquerten den Angaben zufolge seit 24. Februar rund 339.000 Menschen die Grenze zur Ukraine. Dabei handelt es sich zumeist um ukrainische Staatsbürger, die in ihre Heimat zurückkehren. Einige schließen sich den Streitkräften im Kampf gegen Russland an. Andere wollen sich um Familienangehörige kümmern.

 © Victoria Jones (dpa)
© Victoria Jones ( dpa )

Inzwischen, so habe man ihm gesagt, seien 15 Prozent der Menschen in Warschau Ukrainer, die fast alle bei Privatpersonen untergekommen seien. Dass etliche Ukrainer zwischenzeitlich zurückgekehrt sind, liegt laut Müller auch daran, dass Moskau gedroht habe, leerstehende, unzerstörte Häuser in der Ukraine mit Russen zu besetzen.

Müllers Besuch in der Ukraine

Müller hatte seine Reise bereits länger geplant, um in Polen die Übersetzungen zweier seiner Bücher vorzustellen. Wegen des Kriegs und der Flüchtlinge habe er sein Programm aber teilweise geändert. Der Besuch sei unabhängig von dem der Kardinäle Konrad Krajewski und Michael Czerny erfolgt; sie waren von Papst Franziskus eigens in die Ukraine geschickt worden.

Quelle:
KNA