Kardinal Meisner kritisiert "Anti-Islamisierungskongress"

Keine Ängste schüren

Auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat den für das Wochenende in der Domstadt geplanten "Anti-Islamisierungskongress" der rechtsgerichteten Organisation "Pro Köln" kritisiert. "Die Lösung kann nicht darin bestehen, Ängste bewusst auszunutzen oder gezielt zu schüren," sagte er der aktuellen Ausgabe der "Kölner Kirchenzeitung" und dem domradio. Mit Blick auf den Moscheebau betonte er, Religionsfreiheit sei ein hohes Gut. Zugleich erneuerte Meisner seine Forderung nach Religionsfreiheit für Christen in der Türkei, er wolle aber keine "Gegenrechnungen aufmachen".

Am domradio-Mikro: Kardinal Meisner (DR)
Am domradio-Mikro: Kardinal Meisner / ( DR )

Kardinal Joachim Meisner im Interview mit Stephan G. Schmidt (Chefredakteur Kirchenzeitung) und Marc M. Kerling (domradio) zum Moschee-Bau in Köln und zum Paulusjahr:

Frage: Herr Kardinal, die Stadt Köln hat den großen Moscheebau in Ehrenfeld genehmigt. Was sagen Sie dazu?
Meisner: Ich sage das, was ich die ganze Zeit betont habe: Die Kirche setzt sich in unserem Land ebenso wie überall für Religionsfreiheit ein. Wir haben hier ein hohes Gut in der Hand. Es bedeutet, dass gläubige Menschen Gotteshäuser errichten und sich in diesen zum Beten und Feiern des Gottesdienstes versammeln können. Die muslimischen Mitmenschen in unserem Land dürfen, wenn sie dies wünschen und dazu die nötigen finanziellen und baulichen Voraussetzungen erfüllen, selbstverständlich in Köln oder anderswo Moscheen errichten. Wie und wo diese im Einzelnen entstehen sollen, ist nicht von der Kirche oder vom Kölner Erzbischof zu entscheiden. Dafür - das habe ich immer wieder gesagt - sind die Planer und politischen Entscheider zuständig.

Frage: Sie haben sich auf der anderen Seite mehrfach dafür stark gemacht, dass die Christen in der türkischen Stadt Tarsus, dem Geburtsort des Apostels Paulus, eine eigene Kirche und ein Pilgerzentrum brauchen. Welchen Zusammenhang zwischen Moscheen und Kirchen sehen Sie?
Meisner: Es geht in der Tarsus-Debatte um dasselbe Grundrecht, über das ich eben im Hinblick auf die Moschee gesprochen habe. Die Religionsfreiheit gilt in der Türkei ebenso wie in Deutschland. Es handelt sich um ein Menschenrecht, und jeder Staat, zumal wenn er auf eine Aufnahme in der Europäischen Union setzt, muss dieses Recht international garantieren. Mehr möchten wir Christen von den türkischen Behörden nicht - aber weniger eben auch nicht.

Frage: Die Kölner Moschee ist nun mal beschlossen. Wie weit dagegen sind wir vom Zugang zur Pauluskirche in Tarsus entfernt?
Meisner:Die türkischen Behörden haben den Christen in Tarsus zugestanden, dass sie während des Paulusjahrs, das noch bis zum nächsten Sommer dauert, die alte Kirche am Ort für Gottesdienste nutzen können und dass sie dafür keinen Eintritt bezahlen müssen. Eigentlich betrachtet der Staat das Gebäude aber nicht als Kirche, sondern als Museum, und das ist unter dem Aspekt der rechtlich garantierten Religionsfreiheit einfach zu wenig. Die Christen in der Türkei und insbesondere Tarsus brauchen dauerhaft und über das Paulusjahr hinaus ein festes Gotteshaus und ein Pilgerzentrum. Das ist unser Ziel. Deswegen bleibe ich in dieser Sache zusammen mit meinem katholischen Mitbruder in der Türkei, Bischof Luigi Padovese, hart am Ball, damit wir nicht erst am Ende des vom Papst ausgerufenen Paulusjahres eine Entscheidung seitens der türkischen Behörden bekommen, sondern schnellstens.

Frage: Das Paulusjahr ist inzwischen schon fast drei Monate im Gang, und Sie werden mit einigen deutschen Bischöfen Ende September auf Pilgerfahrt in die Türkei fahren. Werden Sie bis dahin mehr wissen?
Meisner: Das hängt nicht von uns ab, sondern von den türkischen Politikern und Behörden, denn sie sind am Zug. Ich habe schon zweimal dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan geschrieben, nachdem er sich laut Pressemitteilungen bei seinem Deutschlandbesuch Anfang das Jahres positiv zu unserem Anliegen geäußert hatte. Eine Antwort habe ich von ihm bisher nicht bekommen. Wir wollen definitiv wissen, mit was die Christen in der Türkei und alle Pilger auf den Spuren des Apostels Paulus rechnen dürfen. Im Moment ist die Rede davon, dass die Christen möglicherweise eine ehemalige Baumwollfabrik im Zentrum von Tarsus für ihre Zwecke nutzen können. Dies hat mir der türkische Kultur- und Tourismusminister Ertugrul Günay vor Wochen geschrieben. Aber auch hier warten wir auf klare Ergebnisse. Es muss endlich vorangehen.

Frage: Und wenn keine Entscheidung kommt oder wenn die Lage der Christen, die ja schon jetzt sehr angespannt ist, noch prekärer wird - was ist dann mit der Moschee in Köln?
Meisner: Mit der Moschee in Köln hat das unmittelbar nichts zu tun. Ich habe vor Monaten schon gesagt: Es gibt da kein Junktim. Sehr wohl erbitte ich jedoch von den hiesigen Muslimen, dass sie Verständnis und Unterstützung zeigen für unsere Wünsche in der Türkei. Die Christen brauchen nicht so viele Kirchen in der Türkei, wie die Muslime hier zu Lande Moscheen wollen. Deswegen ist es auch unsinnig, irgendwelche Gegenrechnungen aufzumachen. Ich weiß nur: Dort, wo Christen wohnen und wo das Christentum schon seit den Anfängen existiert hat wie in Tarsus, müssen sie frei und sicher ihren Glauben leben dürfen. Das ist unser Menschenrecht.

Frage: Gegner des Moschee-Projekts und insbesondere die Organisatoren des so genannten Anti-Islamisierungskongresses in Köln wollen aber stärkeren Druck machen. Wie stehen Sie dazu?
Meisner: Vom Apostel Paulus, den wir in diesem Jahr besonders intensiv betrachten, haben wir das Wort, dass wir allen um der Menschen willen alles sein sollen (vgl. 1 Kor 9,19-23). Zweifellos ein schwieriger Auftrag, aber Paulus hat sich damit als ein durch und durch weltoffener Mensch bekannt und ein bleibendes Beispiel gegeben. Ich weiß, dass Frauen und Männer, die sich als Christinnen und Christen bekennen, es mit diesem Vorbild bisweilen schwer haben. Dabei will ich mich selbst keineswegs ausschließen. Gerade bei der derzeit zu beobachtenden Zunahme großer Moschee-Bauten hier zu Lande zeigt sich aber, dass sich Grundsätze, wie wir sie bei Paulus finden, immer wieder aufs Neue bewähren müssen. Die politischen und kulturellen Herausforderungen sind enorm. Das steht fest. Aber die Lösung kann nicht darin bestehen, Ängste bewusst auszunutzen oder gezielt zu schüren, sondern wir müssen unseren eigenen Glauben zur Geltung bringen und unsere Solidarität deutlich machen, und wir müssen auf Austausch und Dialog setzen, wie es bei Paulus nachzulesen ist.

Frage: Und was würden Sie Menschen sagen, die den heiligen Paulus nicht kennen?
Meisner: Ich würde mir wünschen, wenn wir alle als Christen, Muslime oder Nichtgläubige von dem berühmten Mann aus Tarsus etwas lernten. In dem gegenwärtigen Paulusjahr wird ja neben seiner Theologie auch einiges von seinem globalen Leben, Denken und Schreiben neu ins Bewusstsein gerückt: die vielen Kulturen, in denen er zu Hause war, die Sprachen und Philosophien, die er kannte, seine literarische Vielfalt. Hiervon haben wir alle viel zu gewinnen, glaube ich, und wenn wir auf diesem Weg gerade hier bei uns in Köln auch mit den Gläubigen anderer Religionen ins Gespräch kommen könnten, würden wir daraus sicherlich sehr viel Positives erfahren. Also nicht Konflikt, sondern Dialog ist angesagt.