Kardinal Dziwisz warnt vor einer "Selbstvernichtung" Polens

"Der Prophet unserer Zeit wird bespuckt"

Nach Vorwürfen der Missbrauchsvertuschung gegen Papst Johannes Paul II. ruft dessen langjähriger Privatsekretär Stanislaw Dziwisz zur Treue zu dem Heiligen auf. Er sieht den Versuch, das Erbe des früheren Papstes zu zerstören.

Autor/in:
Oliver Hinz
Kardinal Stanislaw Dziwisz mit einem Bild von Papst Johannes Paul II. / © Marcin Mazur (KNA)
Kardinal Stanislaw Dziwisz mit einem Bild von Papst Johannes Paul II. / © Marcin Mazur ( KNA )

"Es ist eine Zeit der Prüfung, ob wir dem Erbe treu sind, das uns Johannes Paul II. mit seiner Lehre und seinem Dienst, seinem Leiden und seinem Gebet hinterlassen hat", betonte der Krakauer Kardinal in einer am Donnerstagabend vom Erzbistums Krakau veröffentlichten Erklärung.

Heute müsse man "Liebe und Dankbarkeit" zum Papst aus Polen bekennen, weil er den Glauben gestärkt und sein Leben restlos Gott und seinem Vaterland gewidmet habe.

Nicht schweigen oder gleichgültig zusehen

"Ich möchte heute mit aller Kraft sagen: Die Zerstörung des kollektiven Gedächtnisses führt zur Selbstvernichtung der Nation, zum Entzug ihrer Identität, die seit Jahrhunderten auf den Werten des Evangeliums beruht", so Dziwisz. Man dürfe nicht schweigen oder gleichgültig zusehen, "wie der Prophet unserer Zeit bespuckt wird".

Kardinal Stanislaw Dziwisz im Juni 2018 im Vatikan / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Kardinal Stanislaw Dziwisz im Juni 2018 im Vatikan / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

Es schmerze ihn, dass die Erinnerung an alles, was Polen Johannes Paul II. (1978-2005) zu verdanken habe, immer mehr mit Füßen getreten und sein Erbe zerstört werde. Mit Blick auf Personen, die Vorwürfe gegen den frühreren Papst erheben, erklärte der Kardinal, wer Fakten unter dem Deckmantel einer Verteidigung von Wehrlosen Fakten manipuliere, trage Konflikte in die Gesellschaft und verunsichere viele Menschen.

Anschuldigungen in TV-Dokumentation

Anlass von Dziwiszs Aufruf ist eine am Montagabend vom Privatsender TVN24 ausgestrahlte Fernseh-Doku. Darin wurde Johannes Paul II. beschuldigt, er habe als Erzbischof von Krakau vor seiner Papstwahl von Anschuldigungen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen drei Geistliche gewusst, habe sie aber trotzdem weiter in Pfarreien arbeiten lassen.

Papst Johannes Paul II. (Archiv) / © Anton Fuchs (KNA)
Papst Johannes Paul II. (Archiv) / © Anton Fuchs ( KNA )

Für einen Priester schrieb Johannes Paul II. laut dem TV-Bericht 1972 ein Empfehlungsschreiben an den damaligen Wiener Kardinal Franz König, um ihn in eine österreichische Kirchengemeinde schicken zu können. Über die Vorwürfe gegen den Priester habe er König nicht informiert.

Karol Wojtyla, so der bürgerliche Name des späteren Kirchenoberhaupts aus Polen, war von 1964 bis zur Papstwahl Erzbischof von Krakau. 1966 machte er Dziwisz bis zu seinem Tod 2005 zu seinem Privatsekretär.

Anschließend leitete der heute 83-jährige Kardinal bis 2016 das Erzbistum Krakau.

Parlament verteidigt "guten Namen" von Johannes Paul II.

Am Donnerstagabend hatte auch Polens Parlament versucht, den "guten Namen" Johannes Pauls II. zu verteidigen. Die Abgeordneten nahmen mit 271 gegen 43 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einen entsprechenden Entschließungsantrag an. die größte Oppositionsfraktion, die rechtsliberale Bürgerkoalition, boykottierte die Abstimmung.

Statue von Papst Johannes Paul II. / © 1000 Words (shutterstock)
Statue von Papst Johannes Paul II. / © 1000 Words ( shutterstock )

Die nationalkonservative Regierungspartei PiS legte dem Parlament darauf den Resolutionsentwurf vor. Darin heißt es: "Der Sejm der Republik Polen verurteilt entschieden die mediale schändliche Hetzjagd, die weitgehend auf Materialien des Gewaltapparates der Volksrepublik Polen basiert und gegen den großen polnischen Papst gerichtet ist, den heiligen Johannes Paul II." Es werde versucht, ihn mit Vorwürfen zu kompromittieren, "die selbst die Kommunisten nicht zu nutzen wagten".

Damit stellten sich "die Autoren außerhalb des zivilisatorischen Kreises, zu dem Polen seit 1989 gehört". Der frühere Papst wird in dem Text als "Symbol der Wiedererlangung der Unabhängigkeit und der Befreiung Polens aus der russischen Einflusszone" gewürdigt.

Polens Außenministerium beschwert sich beim US-Botschafter in Warschau

Unterdessen beschwerte sich Polens Außenministerium beim US-Botschafter in Warschau, Mark Brzezinski, über den TV-Bericht.

TVN24 gehört zum US-Konzern Warner Bros. Discovery. Das Ministerium in Warschau erklärte, die möglichen Folgen des Handelns des Senders seien "mit den Zielen der hybriden Kriegsführung identisch, die darauf abzielen, Spaltungen und Spannungen in der polnischen Gesellschaft zu erzeugen". Zudem ist die Rede von einer "Schwächung der Fähigkeit der Republik Polen zur Abschreckung eines potenziellen Gegners und der Widerstandsfähigkeit gegenüber Bedrohungen".

Katholische Kirche in Polen

Die römisch-katholische Kirche hat in Polen traditionell großen Einfluss. Ihr gehören knapp 90 Prozent der 33 Millionen Bürger an. In den vergangenen Jahren verlor die Kirche aber besonders in der jungen Generation an Ansehen. In der Hauptstadt Warschau wählten in diesem Schuljahr nur noch 29 Prozent der Schüler in der gymnasialen Oberstufe das Fach katholische Religion. Nach Angaben der Bischofskonferenz besuchten 2021 landesweit 28,3 Prozent der Katholiken die Sonntagsmesse.

Prozession in Polen / © Dariusz Banaszuk (shutterstock)
Prozession in Polen / © Dariusz Banaszuk ( shutterstock )
Quelle:
KNA