DOMRADIO.DE: Wo kommt ein Brief an den Papst an und wer kümmert sich um die Post?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Er kommt in der Regel erst mal an, davon kann man ausgehen. In der Regel landet ein Brief an den Papst beim Staatssekretariat oder beim persönlichen Sekretariat des Papstes. Wie mit dem Brief umgegangen wird, hängt auch davon ab, was für ein Anliegen dahinter steht bzw. was der Briefschreiber oder die Briefeschreiberin gerne dem Papst mitteilen wollen.
DOMRADIO.DE: Das sind ja sicher tausende von Anliegen. Wer wählt aus, ob der Papst diesen bestimmten Brief oder diese Postkarte zu lesen bekommt?
Nersinger: Das hängt ein wenig vom Pontifikat ab. In der Regel ist es das Staatssekretariat – die einzelnen Abteilungen, die den Sprachen zugeordnet sind – das sich darum kümmert, manchmal aber auch das persönliche Sekretariat des Papstes. Dann ist es natürlich eine Frage, wie weit dieser Brief an den Papst weitergeleitet wird. Es sind wirklich zigtausende Briefe, die täglich den Papst erreichen. Dann ist es natürlich recht schwer, eine Auswahl zu treffen, was wird dem Papst persönlich vorgelegt, was nicht.
In der Regel erhält jeder, der schreibt, auch eine Antwort – meistens mit der Zusicherung des Dankes und des Apostolischen Segens. Aber ob ein Brief den Papst erreicht, hängt von einigen Umständen ab, über die man keine Kontrolle hat.
DOMRADIO.DE: Was für Umstände sind das?
Nersinger: Ob der jeweilige Prälat im Staatssekretariat oder im persönlichen Sekretariat das Schreiben für sehr wichtig empfindet, ob er es für interessant empfindet, weil ja so viel Post an den Papst geht. Dann ist es ein wenig, ich sage mal salopp, "Lotterie", ob ein solcher Brief in die Hände des Papstes gelangt.
Und eine weitere Lotterie ist es, wie der Papst darauf reagiert: ob es ein einfaches Schreiben gibt, ein Dankschreiben, oder ob er - das haben wir ja bei Franziskus mehrfach erlebt - selber agiert und nicht nur schreibt, sondern einen Anruf bei der Person macht.
DOMRADIO.DE: Wie ist das bei einer Email? Ich denke mal, man schreibt jetzt nicht an papst@vatican.va, oder?
Nersinger: Nein, das macht man eigentlich nicht, weil man weiß, dass das durch verschiedene Umstände versiegen kann. Die Regel ist der handgeschriebene oder am PC geschriebene Brief. Das ist dann wirklich ein Abenteuer, wie dieser Brief durchkommt. Es gibt ein ganz berühmtes Beispiel aus dem Jahre 1933: Da hat Edith Stein einen Brief an Pius XI. geschickt, und da wissen wir bis heute nicht so ganz, wie die Geschichte weiterging.
Wir wissen, dass dieser Brief den Papst erreicht hat, aber da muss man all die Umstände, die darum herum sind, mit einrechnen. Das Jahr 1933 war ein Heiliges Jahr, die Korrespondenz des Papstes war ungeheuer groß. Dann gab es viele politische Dinge, die geschahen. Dann war es ein Brief am Anfang der Judenverfolgung. Der Brief ist wahrscheinlich schon dem Papst vorgelegt worden, aber wie ist dann die Reaktion darauf weitergegeben worden? Wie hat das genau funktioniert? Da gibt es so viele Unsicherheitsfaktoren, dass es bei dieser Fülle, die der Papst an Briefen bekommt, auch ein wenig Glück ist, welche Antwort man erhält.
DOMRADIO.DE: Ist Papst Franziskus eigentlich selbst ein begeisterter Briefeschreiber?
Nersinger: Ich habe nicht gehört, dass er ein großartiger Briefeschreiber ist. Wir wissen, dass er gerne anruft, also zum Telefon greift. Wir haben ja auch gesehen, dass er es manchmal auch bei Generalaudienzen macht. Also ich denke, er ist jemand, der dann eher zum Telefon greift.
Das Interview führte Carsten Döpp.