Dogmatiker Hoping kritisiert Anti-Zölibats-Kampagnen

Kampfschrift gegen den Zölibat

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf plädiert dafür, die Ehelosigkeit als Verpflichtung für katholische Priester abzuschaffen, auch weil der Zölibat krank mache. Der Dogmatiker Helmut Hoping will dagegen an der Tradition festhalten - mit Ausnahmen.

Liturgische Gewänder in einer Sakristei / © Martin Jehnichen (KNA)
Liturgische Gewänder in einer Sakristei / © Martin Jehnichen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie nennen Hubert Wolfs Buch eine Kampfschrift auf der Linie der Anti-Zölibats-Kampagnen. Warum?

Prof. Helmut Hoping (Professor für Dogmatik an der Universität Freiburg im Breisgau): Weil diese Schrift davon ausgeht, dass der Zölibat pathogen ist. Das heißt, dass er Leid verursacht und letztlich krank macht. Sie geht davon aus, dass der Zölibat auch in der Breite des katholischen Klerus nicht lebbar ist. Wolf spricht von einem klerikalen pathogenen System, das es zu überwinden gelte. Ein Element dieses Systems ist für ihn der Zölibat.

In dem Kapitel über die Aufklärung und die Anti-Zölibats-Bewegungen seit der Aufklärung stellt er sich völlig unkritisch hinter die Positionen des Pastoraltheologen Johann Baptist Hirscher aus Tübingen. Der geht davon aus, dass der Zölibat in der Breite neurotische Wirkungen hat, weil der Verzicht auf gelebte Sexualität zumindest im Durchschnitt krank mache. Und das ist die grundlegende Voraussetzung dieser Schrift. Am Ende wird auch klar gesagt, es gelte, dieses pathogen-klerikale System zu überwinden.

DOMRADIO.DE: Aber wird es für die Kirche heute tatsächlich nicht immer schwieriger, die Verpflichtung zur Ehelosigkeit für Priester theologisch zu begründen?

Hoping: Es gibt natürlich Thesen in diesem Buch, denen man nicht widersprechen kann. Zum einen die These, dass es noch lange bis zum Konzil von Trient und teilweise darüber hinaus verheiratete Priester auch in der katholischen Kirche des römischen Ritus gegeben hat. Dass es verheiratete Priester in den katholischen Ostkirchen gibt, also in den Kirchen des Ostens, die mit Rom verbunden sind. Und dass man sich natürlich angesichts des Priestermangels die Frage stellen muss, ob man an der Verbindung von Priestertum und Zölibat in der Form festhalten will.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich bei uns im DOMRADIO-Interview schon einmal für eine beschränkte Zulassung von sogenannten Viri Probati, also in Ehe, Familie und Beruf bewährten Männern zum Priesterberuf ausgesprochen. Wo liegt da der Unterschied zu Hubert Wolf?

Hoping: Dieser Vorschlag des Pastoraltheologen Philipp Müller aus Mainz und von mir geht von ganz anderen Voraussetzungen aus. Zunächst gehen wir davon aus, dass der Zölibat lebbar ist, was Wolf bestreitet. Es gibt aber immer wieder Menschen, die diese asketische Form der Ehelosigkeit und der dauerhaften sexuellen Enthaltsamkeit auch leben können und zwar nicht nur in den Klöstern, sondern auch im Weltklerus.

Wir haben vor allem mit dem Priestermangel argumentiert, den immer größeren seelsorglichen Räumen, die letztlich dazu führen, dass der Priester mehr oder weniger unsichtbar wird und immer weniger Menschen Kontakt mit einem Priester haben. Dann kamen wir zu dem Schluss, dass es notwendig sei, zumindest ergänzend partiell dort, wo es aus pastoralen Gründen notwendig erscheint, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, damit die sakramentale Struktur der Kirche nicht verdunstet.

DOMRADIO.DE: Das würde aber bedeuten, dass beim Zölibat keine Glaubensfrage berührt wird?

Hoping: Natürlich ist der Zölibat kein Dogma, denn es gibt in den katholischen Ostkirchen verheiratete Priester. Wenn das eine dogmatische Frage wäre, wäre das natürlich nicht möglich. Aber es hat seit den apostolischen Ursprüngen eben diese Tradition des ehelosen Lebens um des Himmelreiches Willen gegeben. Ich würde nicht behaupten, dass der Zölibat apostolischen Ursprungs ist, aber es hat die Tradition des Enthaltsamkeitzölibats von verheirateten Priestern gegeben und später dann die Tradition des sogenannten Ehezölibats.

Ich glaube, dass das zölibatäre Leben dort, wo es gelebt wird, von Priestern bis heute ein wichtiges Zeichen auch in der Nachfolge Christi ist. Im Unterschied zu Hubert Wolf würde ich also den Zölibat als solchen auch aufgrund der langen Tradition in der katholischen Kirche nicht in dieser Form grundsätzlich in Frage stellen.

Und wenn ich am Anfang bestätigt habe, dass ich in dem Buch eine Art Kampfschrift sehe, dann muss man berücksichtigen, dass es Stellen gibt, wo deutlich wird, welche Intention dieses Buch hat. Da ist zum Beispiel die Rede davon, dass die Priesterseminare der katholischen Kirche Brutstätten klerikaler Apartheid seien. Das sind natürlich Kampfparolen, die zeigen, dass es Hubert Wolf um die Überwindung des klerikalen Systems insgesamt mit dem Zölibat als Teil dieses Systems geht. Und wenn er behauptet, dass der Zölibat wider die Natur sei, wird der Unterschied zu dem Vorschlag, den ich mit Philipp Müller gemacht habe, deutlich.

DOMRADIO.DE: In diesem Herbst wird sich die Amazonas-Synode im Vatikan auch mit dem Zölibat beschäftigen. Auch beim Synodalen Weg, den die deutschen Bischöfe beschlossen haben, soll das Thema nicht ausgeklammert werden. Was glauben Sie, wird da am Ende bei herauskommen?

Hoping: Ich bin kein Prophet, aber wenn in der Amazonas-Synode der Beschluss gefasst würde, im Einzelfall Viri probati zu Priestern zu weihen, dann wird diese Forderung auch in Europa und Nordamerika lauter werden. Bei der Amazonas-Synode wird ja auch die Frage des Frauendiakonats gestellt werden. Die ist aber noch einmal gesondert zu beachten, weil es nie so richtig klar wird, um welchen Diakonat der Frau es hier genau gehen soll. Auf jeden Fall wird es um die Frage von neuen Ämtern und Diensten für Frauen gehen. Das muss nicht notwendigerweise das Weiheamt sein. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg
Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg
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