Kaczynski lehnt deutsch-russische Gas-Pipeline ab - Keine Einigung bei Entschädigungsforderungen

Merkel geht auf Polen zu

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich um eine Entspannung des deutsch-polnischen Verhältnisses. Nach dem Antrittsbesuch von Polens Regierungschef Jaroslaw Kaczynski in Berlin sicherte Merkel zu, sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für die polnischen Interessen bei der Energiesicherheit einzusetzen.

 (DR)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich um eine Entspannung des deutsch-polnischen Verhältnisses. Nach dem Antrittsbesuch von Polens Regierungschef Jaroslaw Kaczynski in Berlin sicherte Merkel zu, sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für die polnischen Interessen bei der Energiesicherheit einzusetzen. Ungelöst blieb dagegen die Frage des Umgangs mit Besitzansprüchen deutscher Vertriebener. - Hören Sie hier Berlin-Korrespondent Gerhard Hofmann und die Presse über den Staatsbesuch aus Polen.

Energie-Entspannung auf beiden Seiten
Merkel betonte, Polen müsse im Rahmen eines gemeinsamen Strom- und Gasmarktes aller EU-Staaten Zugang zu den europäischen Energiemärkten erhalten. Weitere Details sollen in einer Arbeitsgruppe besprochen werden. Erste Ergebnisse stellte Merkel für den EU-Gipfel im März 2007 in Aussicht.

Kaczynski bekräftigte Polens Ablehnung der geplanten deutsch-russischen Gas-Pipeline. Der polnische Ministerpräsident zeigte sich nach dem Gespräch aber „sicherer als zuvor", dass die befürchtete Situation, in der Polen „der Gashahn abgedreht wird", nicht eintreten werde. Es sei von fundamentaler Bedeutung für Polen, dass „jegliche Gefahren ausgeschlossen" würden.

Merkels Vorschlag sieht Kaczynski zufolge vor, dass Polen im Falle eines Lieferengpasses Gas aus westlichen EU-Ländern erhalten würde. Als möglicher Lieferant wurde Norwegen genannt. Beide Regierungschefs forderten Russland auf, die EU-Energie-Charta zu unterzeichnen, die auch die russischen Erdgas-Lieferungen garantieren würde.

Keine Einigung bei Entschädigungsforderungen
Im Konflikt um Entschädigungsforderungen bekräftigte Merkel, dass die Bundesregierung keine Ansprüche einzelner Personen unterstütze. Die Idee eines Vertrags, der Forderungen von Vertriebenen ausschließt, betrachte sie damit als „erledigt". Kaczynski betonte jedoch, „dass diese Angelegenheit aus polnischer Sicht nicht abgeschlossen ist".

Merkel versicherte, sie wisse um die Beunruhigung der Polen über die Vertriebenenorganisation Preußische Treuhand. „Das ist keine Grundlage für eine gute Zusammenarbeit", räumte sie ein. Die Organisation hatte angekündigt, Besitzansprüche vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzuklagen. Dies hatte in Polen heftige Kritik ausgelöst.

Ehrlich, konstruktiv und freundschaftlich
Die Kanzlerin und ihr polnischer Amtskollege bezeichneten ihre erste längere Unterredung übereinstimmend als ehrlich, konstruktiv und freundschaftlich. Kaczynski, der vor dem Kanzleramt mit militärischen Ehren empfangen worden war, sagte, seine Regierung trete mehr als ihre Vorgänger für polnische Interessen ein. Ziel seien aber „dauerhaft gute und immer bessere" Beziehungen zu Deutschland.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) kritisierte die polnische Regierung unterdessen scharf. Differenzen seien aus nichtigen Anlässen aus „innerpolitischen Gründen" aufgebauscht worden. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hob die Bedeutung regionaler Kontakte als Grundlage für ein nachbarschaftliches Miteinander hervor.
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle wertete die Ergebnisse des Spitzentreffens als „eher bescheiden". So seien Fragen der Rechtsstaatlichkeit und des Minderheitenschutzes nicht ausreichend angesprochen worden.