Jüdischer Karnevalsverein "Kippa Köpp" wird immer beliebter

"Wir freuen uns über jeden, der mitmacht"

Die "Kölschen Kippa Köpp" sind ein jüdischer Karnevalsverein - der einzige deutschlandweit. Worauf freut sich dessen Präsident Aaron Knappstein in der aktuellen Session? Und wie blickt er auf den wachsenden Rechtspopulismus in Europa?

Autor/in:
Elena Hong
Aaron Knappstein (privat)
Aaron Knappstein / ( privat )

DOMRADIO.DE: Die Nachfrage ist so groß, dass Sie mit Ihrer letzten Veranstaltung "Falafel und Kölsch" am 5. Januar aus der Kölner Synagoge in der Roonstraße erstmals ins Maritim Hotel am Heumarkt umziehen mussten. Wie erklären Sie sich diesen Zulauf für die Kippa Köpp? 

Aaron Knappstein (Präsident Kölsche Kippa Köpp): Wir sind selbst immer noch sehr überrascht und freuen uns natürlich wahnsinnig darüber, dass so viele Menschen Interesse haben, sowohl Mitglied bei uns zu werden, als auch als Gäste zu unseren Veranstaltungen zu kommen. So richtig erklären können wir es uns nicht, aber die Freude ist auf jeden Fall sehr, sehr groß. 

DOMRADIO.DE: Sie hatten allein in der letzten Session über 50 Neuzugänge. Und man muss gar nicht Jude oder Jüdin sein, um Mitglied zu werden. 

Knappstein: Frauen, Männer, Juden, Nichtjuden... Das ist der richtige Weg, denke ich, die Menschen zusammenzubringen. Daher fragen wir auch nicht jeden Einzelnen: Wie kommt es, dass du jetzt zu uns kommt? Sondern wir sagen: Wir sind eine Familiengesellschaft in Köln und freuen uns über jeden, der Lust hat, bei uns mitzumachen.

Aaron Knappstein

"So richtig erklären können wir es uns nicht, aber die Freude ist auf jeden Fall sehr, sehr groß." 

DOMRADIO.DE: Feiern Sie Karneval anders als die anderen Vereine? 

Knappstein: Nein, unsere Auftaktveranstaltung heißt zwar "Falafel und Kölsch" - der eine oder die andere mag da vielleicht stutzen. Aber grundsätzlich ist das Programm ein kölsches Karnevalsprogramm. Was uns unterscheidet, ist, dass wir zum Beispiel an den "Kleinen Kölner Club" erinnern, den ersten jüdischen Karnevalsverein vor der NS-Zeit und dass wir historische Recherchen betreiben. So konnten wir zum Beispiel bei "Falafel und Kölsch" der Gesellschaft Reiter-Korps "Jan von Werth" von 1925 e.V. mitteilen, dass sie unter anderem auch ein jüdisches Gründungsmitglied hatten, was viele Mitglieder, die auf der Bühne standen, sicherlich bisher nicht wussten. Da gibt es also schon Unterschiede, aber nicht im Karneval feiern an sich. 

DOMRADIO.DE: Die Verpflegung bei der Sitzung war aber nicht koscher? 

Knappstein: Nein. Wir hatten zwar Falafel - schließlich heißt die Veranstaltung "Falafel und Kölsch". Aber eine koschere Küche kann uns das Maritim leider nicht bieten. 

DOMRADIO.DE: Wollen Sie erst einmal dort bleiben oder in den nächsten Jahren wieder zurück in die Synagoge ziehen ?

Kölner Synagoge / © Oliver Berg (dpa)
Kölner Synagoge / © Oliver Berg ( dpa )

Knappstein: In den Gemeindesaal der Synagogengemeinde passen "nur" 200 Gäste. Weil wir mittlerweile 230 Mitglieder haben, ist das einfach nicht möglich, dort zu feiern. Von daher können wir gar nicht zurück. Wir haben aber am 14. November die Verleihung der Rosel-Rutkowsky-Medaille in der Synagogengemeinde veranstaltet. Somit wollen wir der Synagogengemeinde treu bleiben. 

DOMRADIO.DE: Karneval fällt durch die vorgezogene Bundestagswahl mitten in den Wahlkampf. Elon Musk wirbt für die AfD. Alice Weidel bezeichnet Hitler als Kommunisten. In Österreich steht ein rechtspopulistischer Kanzler in den Startlöchern. Antisemitische Gewalt nimmt zu. Wie blicken Sie auf die aktuellen politischen Entwicklungen? 

Knappstein: Was den Antisemitismus angeht, beschäftigt uns dieses Thema natürlich. Wir haben von den "Kippa Köpp" schon immer beide Seiten der Medaille betrachtet: also Karneval feiern, ohne die Probleme zu vergessen und diese auch ganz klar benennen. So mussten wir, was den Sicherheitsfaktor angeht, "aufrüsten", indem wir private Sicherheitsunternehmen beauftragt haben, unsere Veranstaltungen mit zu schützen. Auch die Polizei und der Staatsschutz stehen in Kontakt mit uns. Das Festkomitee des Kölner Karnevals macht an jeder Stelle klar, dass die Farbe Braun nichts im Karneval zu suchen hat. Wir sind sehr froh und stolz, dass der Karneval in Köln ganz klare Kante zeigt. 

Aaron Knappstein

"Wir sind sehr froh und stolz, dass der Karneval in Köln ganz klare Kante zeigt." 

DOMRADIO.DE: "Auf die AfD ist kein Verlass, wenn es um das Fortbestehen des gelebten Judentums in Deutschland geht", schreibt Joshua Schutheis in der aktuellen Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen. Mittlerweile kommt die Partei im ZDF-Politbarometer auf 21 Prozent. Macht Ihnen das Sorgen? 

Knappstein: Ja, das macht mir Sorgen, weil ich zum einen Angst habe vor den Menschen, die das, was die AfD das sagt, ernst meinen. Es macht mich unglaublich wütend, dass es eine Menge Menschen in diesem Land gibt, die einfach hinterherlaufen und sagen "Ja, es wird alles nicht so schlimm werden". Das alles hatten wir schon mal! Deshalb freut es mich umso mehr, dass das Festkomitee in diesem Jahr für den Rosenmontagszug erstmals einen Karnevalswagen vom letzten Jahr verleiht: den Anti-AfD-Wagen an Mannheim.

DOMRADIO.DE: Darf man in solchen Zeiten überhaupt feiern und fröhlich sein? 

Die Kölschen Kippa Köpp auf dem Rosenmontagszug 2023: links Präsident Aaron Knappstein, rechts Schriftführer Volker Scholz-Goldenberg / © Kölsche Kippa Köpp
Die Kölschen Kippa Köpp auf dem Rosenmontagszug 2023: links Präsident Aaron Knappstein, rechts Schriftführer Volker Scholz-Goldenberg / © Kölsche Kippa Köpp

Knappstein: Ja, natürlich. Wir haben unseren Mitgliedern nach dem 7. Oktober 2023 auch freigestellt, ob sie bei unseren Veranstaltungen mitmachen möchten. Die Menschen haben sich unterschiedlich entschieden. Aber wir als Vorstand, Beirat und als Gesamtverein haben das klar bejaht. Das gehört auch zum jüdischen Bewusstsein, dass wir wissen, was Schoah war und ist, was israelbezogener Antisemitismus bedeutet, und gleichzeitig das jüdische Leben zu leben und zu feiern. Denn wir leben nun mal hier und wir feiern hier und wir gehören zu dieser Stadt. 

DOMRADIO.DE: Worauf freuen Sie sich in der laufenden Session, die unter dem Motto: "FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe" steht? 

Knappstein: Ich freue mich natürlich auf unsere weiteren eigenen Veranstaltungen - wir veranstalten die Karnevalsparty “Ov krüzz oder quer”, die fast ausverkauft ist. Aber genauso sehr freue ich mich auf die Begegnungen. Ich bin in dieser Session so viel eingeladen worden wie noch nie. Ich versuche, das meiste davon auch wahrzunehmen, weil ich zeigen möchte, dass wir mittendrin sind. Auf die Begegnungen der Menschen freue ich mich wirklich sehr. 

Das Interview führte Elena Hong.

Karneval

Die "närrischen Tage" vor der am Aschermittwoch beginnenden Fastenzeit haben verschiedene Namen: Das meist in ursprünglich katholischen Gebieten veranstaltete Brauchtum heißt im Rheinland Karneval, in Mainz und Umgebung Fastnacht, im schwäbisch-alemannischen Gebiet Fasnet. Fosnat nennen es die Franken, im bayrisch-österreichischen Raum wird Fasching gefeiert. Seit dem zwölften Jahrhundert ist das Wort "Fastnacht" im Mittelhochdeutschen bekannt. Das Wort Karneval stammt wahrscheinlich vom Italienischen "carne vale", was "Fleisch, lebe wohl" bedeutet.

So farbenfroh sind die Düsseldorfer Jecken  / © Federico Gambarini (dpa)
So farbenfroh sind die Düsseldorfer Jecken / © Federico Gambarini ( dpa )
Quelle:
DR

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