Journalist blickt auf Themen der ÖRK-Vollversammlung

Internationaler Austausch

Bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe beraten derzeit Christen aus aller Welt. Zu Beginn hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die russisch-orthodoxe Kirche kritisiert. Wie kam das an?

Teilnehmer stimmen während der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) ab / © Uli Deck (dpa)
Teilnehmer stimmen während der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) ab / © Uli Deck ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie war die Resonanz vor Ort auf die Kritik des Bundespräsidenten direkt zum Auftakt?

Benjamin Lassiwe, Journalist / © Lassiwe (privat)
Benjamin Lassiwe, Journalist / © Lassiwe ( privat )

Benjamin Lassiwe (Journalist): Die Resonanz war unterschiedlich. Es gibt einige, die sagen, Steinmeier habe die Grenzen seines Amtes überschritten, weil er sehr deutlich war, weil er der russisch-orthodoxen Kirche im Grunde Blasphemie vorgeworfen hat. Er hat dieses Wort auch tatsächlich benutzt.

Andere sagen, Steinmeier habe den Ton gesetzt. Er hat sehr deutlich das gesagt, was man sagen musste. Heute Morgen, bei einem Plenum zum Krieg in der Ukraine, hat ein Delegierter aus der Ukraine auch ausdrücklich dafür gedankt, wie sich Präsident Frank-Walter Steinmeier zum Ukraine-Konflikt geäußert hat.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn mittlerweile so etwas wie eine Mehrheitsmeinung dazu, wie die Kirchen den Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche führen sollen?

Lassiwe: Es gibt schon aus dem Sommer den Beschluss des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, dass man die russisch-orthodoxe Kirche, die auch eine der größten Einzelkirchen im Weltkirchenrat ist, nicht ausschließen wird, weil man ein freies Forum des Dialogs sein will, wie es der amtierende Generalsekretär Professor Ioan Sauca am Eröffnungstag noch mal gesagt hat. Ich nehme nicht wahr, dass sich diese Haltung signifikant ändert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Kirchen / © Tom Weller (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Kirchen / © Tom Weller ( dpa )

Auch die ukrainischen Vertreter – und da habe ich heute bei der Pressekonferenz auch explizit danach gefragt –, haben nicht offiziell gesagt: Schließt sie aus. Aber es ist auch klar, und das sieht man ja auch, wenn man durch die Halle geht, wenn man sich mit Leuten unterhält, dass die Russen isoliert sind. Sie sind hier, aber sie sind nicht im Gespräch mit vielen anderen und sind auch nicht immer da, wenn kritische Themen in der Versammlung aufgerufen werden.

DOMRADIO.DE: In Karlsruhe wird auch über den israelisch-palästinensischen Konflikt diskutiert. Da gibt es aber Ängste, dass es vielleicht sogar zu antisemitischen Äußerungen kommen könnte. Wie wird die Diskussion geführt?

Lassiwe: Die Diskussion war noch nicht Thema des Plenums. Ioan Sauca hat zu Beginn der Versammlung gesagt, dass man aufpassen muss, dass das, was man jetzt veröffentlicht, am Ende den palästinensischen Christen nicht mehr schadet, als es ihnen nutzt.

Ganz generell ist die Situation ja so, dass wir vor allem aus dem südlichen Afrika Delegierte haben, die den israelisch-palästinensischen Konflikt mit der Apartheid, die sie selbst erlebt haben, gleichsetzen. Da gab es damals die Situation, dass Israel entgegen aller offiziellen Embargos Waffen an Südafrika geliefert hatte, die dann wiederum zur Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung benutzt worden sind. Gleichzeitig haben wir hier sehr viele Kirchen aus dem globalen Süden, die aus einer kolonialismuskritischen Perspektive kommen. Und genau das meinen sie in Israel und Palästina zu sehen, dass dort Kolonialismus betrieben wird.

Wir haben die Europäer, die sich der Schoah bewusst sind, die sich der millionenfachen Ermordung von Juden im Nationalsozialismus bewusst sind. Für die ist es natürlich selbstverständlich zu sagen, dass sie an der Seite Israels stehen und sich um einen christlich-jüdischen Dialog bemühen und dessen Ergebnisse auch in den Weltkirchenrat hineinbringen wollen. Da gibt es unterschiedliche Perspektiven. Das muss sich hier irgendwie in Karlsruhe zusammenfinden.

DOMRADIO.DE: Welche Wirkung kann so ein großes Kirchentreffen für die Zukunft der Kirchen haben?

Lassiwe: Wichtig ist zunächst einmal der internationale Austausch, der hier stattfindet. Die Delegierten aus den unterschiedlichen Konfessionsfamilien begegnen einander. Man begrüßt sich freudig, weil man sich von anderen Treffen her kennt. Man lernt voneinander, man nimmt die unterschiedlichen Positionen wahr.

Gerade bei Themen wie dem Nahostkonflikt ist es wichtig, dass man als Europäer hört, wie dieser Konflikt in anderen Teilen der Welt gesehen wird und dass die Afrikaner auch hören, wie dies hier bei uns in Europa gesehen wird. Dieser Austausch ist in Zeiten der Globalisierung etwas ganz Wichtiges. Man sieht an der Freude, mit der sich die Menschen hier begegnen, auch, wie lange das unter Corona vermisst worden ist.

Das Interview führte Martin Mölder.

Ökumenischer Rat der Kirchen

Ökumenischer Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK)
Rom (KNA) Dem Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK) gehören derzeit 352 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie kirchliche Gemeinschaften in mehr als 110 Ländern an. Sie repräsentieren nach eigenen Angaben weltweit rund 580 Millionen Christen.

Papst Franziskus besucht Weltkirchenrat / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus besucht Weltkirchenrat / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR