Bei der ÖRK-Versammlung kommen Vertreter der Ukraine zu Wort

Schwieriger Dialog

Als "Plattform und Raum für Begegnung und Dialog" versteht sich der Weltkirchenrat, wie sein Generalsekretär Ioan Sauca betont. In Karlsruhe zeigen sich aber angesichts des Kriegs in der Ukraine auch die Grenzen des Dialogs.

Autor/in:
Norbert Zonker
Logo der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) auf einer Tafel / © Anne Ackermann (KNA)
Logo der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) auf einer Tafel / © Anne Ackermann ( KNA )

Der Krieg in der Ukraine ist - auch wenn nicht alle Delegierten aus der südlichen Hemisphäre das für gut befinden - ein beherrschendes Thema der Vollversammlung des Weltkirchenrats (ÖRK) in Karlsruhe. Am dritten Tag kamen endlich Stimmen aus der Ukraine offiziell zu Wort. Dabei zeigten sich vor allem die Hindernisse für einen Dialog.

Denn die elf ukrainischen Gäste bilden eigentlich drei Delegationen, von denen zwei - die der eigenständigen "Orthodoxen Kirche der Ukraine" (OKU) und der bisher rechtlich zur russisch-orthodoxen Kirche gehörenden "Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) - untereinander zerstritten sind. Die UOK hatte im Mai ihre völlige Unabhängigkeit von der russisch-orthodoxen Kirche erklärt, weil diese den Krieg Putins unterstützt. Das Moskauer Patriarchat wiederum betrachtet die ganze Ukraine als ihr "kanonisches Territorium" und sieht die OKU als "Schismatiker" an. Das klingt kompliziert und ist es auch.

Ukrainischer Erzbischof begrüßt klare Worte des Bundespräsidenten

"Es ist nicht leicht, einen Dialog zu etablieren mit jemandem, der dir das Existenzrecht abspricht", sagte denn auch der zu OKU gehörende Erzbischof von Tschernihiw, Yevstratiy, vor Journalisten. Direkte Kontakte mit der russisch-orthodoxen Delegation habe es in Karlsruhe bisher nicht gegeben; er sehe bei dieser auch keine echte Dialogbereitschaft, sagte der Erzbischof, der seinerseits seine Offenheit für ernsthafte Gespräche bekundete. Aber "wir sind nicht bereit, uns die immer gleichen Lügen und Propaganda anzuhören".

Zugleich begrüßte er die "sehr klaren Worte der Wahrheit" von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die sich auch die russischen Vertreter hätten anhören müssen. Steinmeier hatte am Mittwoch sein Grußwort vor der Vollversammlung zu ungewöhnlich direkten - von manchen als undiplomatisch angesehenen - Worten zur russisch-orthodoxen Kirche genutzt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Kirchen / © Tom Weller (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Kirchen / © Tom Weller ( dpa )

Ihre Führer lenkten ihre Gläubigen und ihre ganze Kirche "auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg", so der Bundespräsident. Sie hätten "sich mit den Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht". An die Versammlung gerichtet, sagte Steinmeier, Dialog sei kein Selbstzweck. Dialog müsse Unrecht zur Sprache bringen und Opfer ebenso benennen wie Täter und deren Erfüllungsgehilfen. "Ein Dialog dagegen, der sich auf fromme Wünsche beschränkt und im Ungefähren bleibt, wird schlimmstenfalls zur Bühne für Rechtfertigung und Propaganda."

Metropolit Antonij: "Unbegründete Anschuldigungen"

Der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Antonij, reagierte mit einer deutlichen Antwort: Steinmeier habe "unbegründete Anschuldigungen" erhoben, sagte er, ohne inhaltlich auf sie einzugehen. Steinmeiers Worte seien "ein Beispiel für den unverhohlenen Druck eines hochrangigen Vertreters der Staatsmacht auf die älteste innerchristliche Organisation". Und er verwahrte sich gegen eine Einmischung "in die internen Angelegenheiten des Ökumenischen Rats der Kirchen", so Antonij auf der Internetseite des Moskauer Patriarchats.

Auch anderen Zuhörern der durchaus mit Beifall bedachten Rede gingen die Ratschläge des Staatsoberhaupts hier zu weit. Aus der Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wollte sich niemand dazu äußern. Der ÖRK selbst erwähnte in seiner Pressemitteilung zur Steinmeier-Rede die Moskau-Kritik mit keinem Wort. Bei einem Treffen der Vertreter aller orthodoxen Kirchen am Donnerstag, an dem auch die russische Delegation sowie Vertreter der ukrainischen Kirchen teilnahmen, sprach ein Vertreter des Patriarchats von Jerusalem mit Blick auf die Steinmeier-Rede von einer "Beleidigung", wie das Portal "Orthodox Times" berichtete. Der Vertreter des Patriarchats Konstantinopel, Metropolit Emmanuel von Chalcedon, betonte dagegen, dass man sich in einem freien demokratischen Land befinde, in dem sich jeder frei äußern könne.

Aufruf zur Reaktion an die ÖRK-Vollversammlung

Der ukrainische Erzbischof Yevstratiy rief die ÖRK-Vollversammlung zu einer "angemessenen" Reaktion auf. Wenn es einen Beschluss geben sollte, ist mit diesem aber erst zum Ende der Tagung zu rechnen.

Unabhängig davon halten manche Beobachter mögliche informelle Begegnungen für hilfreicher als offizielle Deklarationen. Zumal diese auf den Verlauf des Krieges keine direkten Auswirkungen hätten.

Ökumenischer Rat der Kirchen

Ökumenischer Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK)
Rom (KNA) Dem Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK) gehören derzeit 352 protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische Kirchen sowie kirchliche Gemeinschaften in mehr als 110 Ländern an. Sie repräsentieren nach eigenen Angaben weltweit rund 580 Millionen Christen.

Papst Franziskus besucht Weltkirchenrat / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus besucht Weltkirchenrat / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA