Jordanien: Tausende protestieren gegen Sparkurs der Regierung

Proteste gegen Steuererhöhungen

Arm, aber stabil: Was bisher für Jordanien galt, gerät durch geplante Sparmaßnahmen und Steuerreformen in Gefahr. Seit Tagen demonstrieren Zehntausende gegen steigende Kosten und die Schere zwischen Arm und Reich.

Proteste gegen Sparpläne in Jordanien / © Raad Adayleh (dpa)
Proteste gegen Sparpläne in Jordanien / © Raad Adayleh ( dpa )

Über Jahrzehnte war Jordanien ein Ruhepol im zunehmend explosiven Nahen Osten. Größere Unruhemomente in der Region überstand das Haschemitische Königreich relativ unberührt, auch wenn wachsender Fundamentalismus und die Aufnahme von mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge das Land vor große Herausforderungen stellen.

Doch nun hat die Regierung mit neuen Sparplänen offenbar einen wunden Punkt getroffen: Bereits im Januar stiegen der Brotpreis und die Mehrwertsteuer, jetzt sollen weitere Erhöhungen bei Steuern,Treibstoff- und Strompreisen folgen.

Teil des Schuldenabbauplans

Was das stark verschuldete Land konsolidieren soll, trifft vor allem die schmale Mittelschicht sowie die vielen, die seit Jahren unter steigenden Preisen bei gleichbleibenden Löhnen leiden. Konkret sind die vom Parlament noch nicht verabschiedeten Steuerreformen nur Teil eines größeren Maßnahmenpakets, mit denen Jordanien den Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) nachkommen will.

Im Gegenzug für einen 723-Millionen-Dollar-Kredit des IWF von 2016 hatte sich das Land zur Verringerung seiner Staatsschulden verpflichtet.

Neben den Preiserhöhungen würden vor allem die drastische Absenkung des Steuerfreibetrags und allgemeine Steuererhöhungen die einfachen Bürger treffen. Zehn Prozent der Jordanier statt wie bisher vier Prozent könnten nach den Plänen steuerpflichtig werden. Wer seiner Steuerpflicht nicht nachkommt, müsste künftig mit empfindlich hohen Bußen und Gefängnisstrafen rechnen.

"Finger weg von meinem Gehalt"

Gegen all das gehen die Jordanier seit Tagen im ganzen Land auf die Straße und machen ihrer Wut Luft. Gewerkschaften riefen angesichts des harten Sparkurses der Regierung zu einem Generalstreik auf, die Sozialen Netzwerke füllten sich mit Parolen wie "Finger weg von meinem Gehalt".

Die Kritik der jordanischen Öffentlichkeit gilt auch der Korruption im Staatsapparat sowie der immer größer werdenden Schere zwischen einer reichen Elite und jenen, die häufig mehrere Jobs benötigen, um sich und ihre Familien zu ernähren – wenn sie angesichts einer geschätzten Arbeitslosenrate von rund 30 Prozent überhaupt Arbeit finden.

Über die wirtschaftliche Lage hinausgehende politische Forderungen, etwa nach mehr Demokratie oder Freiheitsrechten, fehlen bei den Protesten unterdessen fast völlig, ebenso wie Kritik am Königshaus. Beinahe unantastbar scheint das Ansehen von König Abdullah II. Damit folgt das jüngste Geschehen einem alten Muster: Die große Politik in der Region ließ die Jordanier auch in der Vergangenheit bislang recht unberührt. Die zweite Intifada im israelisch-palästinensischen Konflikt sorgte in Jordanien für nicht mehr als ein kurzes Aufbäumen in Solidarität mit den Palästinensern. Auch der Arabische Frühling war kaum mehr als eine leichte Brise.

König Abdullah II. macht Zugeständnisse

Für den Monarchen wird der Ausweg aus der Zwickmühle von dringend nötigen Reformen und Schuldenabbau einerseits und der Verhinderung sozialer Unruhen andererseits politisch erschwert durch seine Position im israelisch-palästinensischen Konflikt, die die Zahl potenzieller Unterstützer einschränkt. Einerseits dem seit 1994 geltenden Frieden mit Israel verpflichtet, hält das Land, in dem eingebürgerte palästinensische Flüchtlinge einen erheblichen Teil der Bevölkerung stellen, ebenso unverrückbar an einer Zwei-Staaten-Lösung mit einem unabhängigen Palästinenserstaat fest.

Wie sein Vater König Hussein bei früheren Reformversuchen versucht auch König Abdullah II. gegenwärtig, die Lage durch Zugeständnisse im Gleichgewicht zu halten und die Gefahr ernsthafter sozialer Unruhen abzuwenden. Eine für diese Woche geplante Auslandsreise sagte er laut Medienberichten ab, die Erhöhung der Benzinpreise legte er vorerst auf Eis und rief alle Seiten zu Kompromissen auf.

Eine weitere Forderung der Demonstranten wurde inzwischen erfüllt: Abdullah II. nahm den Rücktritt von Ministerpräsident Hani Al-Mulki an, wie der Königshof am Montagnachmittag bekanntgab. Die Polizei teilte unterdessen mit, die Protestkundgebungen seien unter Kontrolle.

Andrea Krogmann


Papst Franziskus empfängt den jordanischen König Abdullah II. / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt den jordanischen König Abdullah II. / © Romano Siciliani ( KNA )

Trat zurück: Hani Al-Mulki / © David Mareuil (dpa)
Trat zurück: Hani Al-Mulki / © David Mareuil ( dpa )
Quelle:
KNA
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