Der Jesuit Klaus Mertes hat Bischöfe und finanzstarke Orden aufgefordert, schwächeren Orden bei Entschädigungszahlungen für die Opfer von sexuellem Missbrauch unter die Arme zu greifen.
Viele Orden hätten keine großen Vermögen. "Die schrecken vor Summen von mehreren Hunderttausend Euro zurück, die einige Diözesen in Einzelfällen inzwischen an Missbrauchsbetroffene zahlen", sagte Mertes der "Süddeutschen Zeitung" (Montag).
Mertes forderte mehr Solidarität
Er forderte mehr Solidarität, "gerade auch seitens der Diözesen und Orden, die in der Vergangenheit zum Beispiel von den Schwesternorden sehr profitiert haben".
Er selbst habe früh einen gemeinsamen Fonds für die Opfer angeregt, so Mertes. "Aber die Bedingungen, die die Finanzdirektoren der Diözesen stellten, damit sie sich an den Zahlungen beteiligen, hätten bedeutet, dass die Orden ihre Handlungsfreiheit verlieren. Das konnten die Orden nicht akzeptieren."
Der Jesuit hatte 2010 als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs den Missbrauch von Schülern durch zwei Ordensbrüder aufgedeckt und damit den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland ins Rollen gebracht.
"Zahlungen müssen leistbar sein"
Die seit 2020 in der Kirche bestehende Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) entscheide zu Recht nicht nach Kassenlage der Orden oder der ärmeren Diözesen. Aber die Zahlungen müssten auch leistbar sein. "Andere Diözesen haben bei hohen Beträgen finanziell andere Möglichkeiten."
Mertes bezeichnete es als "bittere Erfahrung", dass einige Bischöfe seinerzeit den Eindruck erweckt hätten, sexualisierte Gewalt sei allein ein Problem der Orden. "Manche Bischöfe haben die Gelegenheit genutzt, um sich gegenüber Ordensgemeinschaften als Oberaufklärer aufzuspielen." Die Aufklärung müsse aber unabhängig von der Kirche laufen.
Manche Orden wiegeln ab
Laut Mertes gibt es auch Orden, die sich einer Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch "einfach nur verweigern". Zuweilen seien sie aber auch mit der Aufarbeitung überfordert, wenn etwa die verbliebenen Mitglieder einen Altersdurchschnitt um die 80 Jahre hätten.
Zudem handele es sich bei den Orden um internationale Organisationen. "Wenn sie zum Beispiel in Deutschland mit der Aufarbeitung begonnen haben, bedeutet das noch nicht, dass sie in anderen Ländern auch schon angefangen haben oder die Zentralen in Rom mitmachen."
Auch die beste Prävention wird Missbrauch nach Einschätzung des Jesuiten "nie ganz verhindern". Er rechne auch damit, dass sich immer wieder Betroffene melden, die nach 2010 zunächst noch abgewartet haben.