Neue Studie zu Antisemitismus in Deutschland vorgestellt

Jeder vierte denkt antisemitisch

Eine aktuelle Studie belegt wachsenden Antisemitismus in Deutschland. 27 Prozent aller Deutschen und 18 Prozent einer als "Elite" kategorisierten Bevölkerungsgruppe hegen antisemitische Gedanken, so der Jüdische Weltkongress.

Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )

41 Prozent der Deutschen sind gar der Meinung, Juden redeten zu viel über den Holocaust, wie die repräsentative Umfrage des Jüdischen Weltkongresses (WJC) ergab, über die die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) berichtet. Der WJC, Dachverband jüdischer Gemeinden und Organisationen aus mehr als 100 Ländern, ließ dafür zweieinhalb Monate vor dem Anschlag auf die Synagoge in Halle 1.300 Menschen befragen.

Antisemitismus und Erfolg rechtsextremer Parteien

Wachsender Antisemitismus wird demnach von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung wahrgenommen und mit dem Erfolg rechtsextremer Parteien in Verbindung gebracht. 65 Prozent der Deutschen sowie 76 Prozent der Hochschulabsolventen mit einem Jahreseinkommen von mindestens 100.000 Euro, der sogenannten Elite, erkennen einen Zusammenhang an.

28 Prozent von ihnen behaupten, Juden hätten zu viel Macht in der Wirtschaft, 26 Prozent attestieren ihnen "zu viel Macht in der Weltpolitik" - Aussagen, die zum klassischen Repertoire des Antisemitismus gehören. Fast die Hälfte von ihnen (48 Prozent) behauptet, Juden verhielten sich loyaler zu Israel als zu Deutschland.

Wachsende Bereitschaft, gegen Antisemitismus vorzugehen

Zugleich wächst laut der Studie die Bereitschaft, gegen Antisemitismus vorzugehen. Zwei Drittel der "Elite" würden eine Petition dagegen unterzeichnen, ein Drittel aller Befragten würde gegen Antisemitismus auf die Straße gehen. Etwa 60 Prozent räumen ein, dass Juden einem Gewaltrisiko oder hasserfüllten Verbalangriffen ausgesetzt seien.

Gleichwohl zeigten sich nur 44 Prozent besorgt über Gewalt gegen Juden oder jüdische Einrichtungen. Jeder vierte Befragte hält es für möglich, dass sich "so etwas wie der Holocaust in Deutschland heute wiederholen kann".

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, kommentierte die Studie mit drastischen Worten. Antisemitismus habe in Deutschland einen Krisenpunkt erreicht, sagte er laut "Süddeutscher Zeitung". "Es ist an der Zeit, dass die gesamte deutsche Gesellschaft Position bezieht und Antisemitismus frontal bekämpft."

Deutschland habe eine einmalige Verpflichtung, die Rückkehr von Intoleranz und Hass zu verhindern. Wenn sich mehr als ein Viertel der Gesellschaft mit Antisemitismus identifizierte, sei es Zeit für die restlichen drei Viertel, Demokratie und tolerante Gesellschaften zu verteidigen.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )

 

Quelle:
KNA
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