DOMRADIO.DE: Congregatio Jesu, also Sie haben ein CJ hinter Ihrem Namen stehen. Was bedeutet das genau, was ist das für ein Orden?
Birgit Stollhoff (Ordensschwester in der Congregatio Jesu): Die Ziffern hinter dem Ordensnamen bezeichne ich immer als Postleitzahl. Congregatio Jesu heißt, dass wir eine ignazianische Gemeinschaft sind, die Leben und Spiritualität der Jesuiten hat. Uns sind Exerzitien sehr wichtig, die Bibelbetrachtung und die stillen Gebetszeiten. Auch die Sendung ist für uns zentral. Wir sind apostolisch – und Gehorsamkeit und Verfügbarkeit gehören auch mit dazu. Das ist das, was uns auszeichnet.
DOMRADIO.DE: Das heißt aber, Sie gehen raus in die Welt und leben nicht hinter Klostermauern?
Stollhoff: Genau, wir leben in Gemeinschaften, nicht im Kloster. Die älteren von uns leben allerdings in klösterlich strukturierten Gemeinschaften, das ist aber eher dem Alter geschuldet. Ich lebe hier in Hannover zu zweit mit meiner Mitschwester Regina Köhler. Meine Mitschwester macht momentan ganz viel Onlineberatung, sonst macht sie Beratung und Supervision. Ich arbeite in einem Jugendcafé im pastoralen Zentrum und studiere nebenher noch im Fernstudium Theologie.
DOMRADIO.DE: Ich vermute mal, das dass mit dem Jugendcafé im Moment etwas schwierig sein dürfte, wenn alle Schulen geschlossen sind und die Jugendlichen nicht aus dem Haus kommen. Wie sieht das aus im Moment?
Stollhoff: Am Anfang hatten wir gedacht, dass es jetzt erst einmal nur um zwei Wochen plus Osterferien geht und haben da die Ferienwochen abgesagt. Jetzt warten wir gerade ab, wie es nach Ostern weitergeht.
Wir haben unser Schwerpunktgeschäft in der Hausaufgabenbetreuung. Da suchen wir gerade nach Möglichkeiten der Umsetzung. Wir bieten eine Onlinehausaufgabenbetreuung an, aber da merken wir schon, weil unsere Klientel so bunt gemischt ist, dass wir die Eltern fragen müssen, ob die Jugendlichen vielleicht noch technische Hilfe benötigen. Wir wollen Tablets mit Tastaturen anschaffen und diese zur Verfügung stellen. Wir müssen für uns auch prüfen, ob wir auch teilweise öffnen können, wenn die Schulen teilweise öffnen sollten. Da sind noch ganz viele Unklarheiten.
Vor Ostern haben wir allen Kindern und Jugendlichen Briefe geschickt, um zu zeigen, dass wir an sie denken und uns freuen, sie wiederzusehen. Wir versuchen, mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben. Wir möchten helfen und die Eltern nach Möglichkeit entlasten. Wir machen uns natürlich auch Sorgen um die Jugendlichen und fragen uns, wie es ihnen geht. Ist ihnen vielleicht langweilig? Wie ist es für sie, wenn sie nicht so gut ausgebildete Eltern haben?
Ich finde, das ist eine schwierige Zeit momentan. Ich finde es richtig, dass wir den Pflegekräften und den Leuten an der Supermarktkasse danken, aber wir müssen auch den Jugendlichen danken. Es bleiben gerade viele Kinder und Jugendliche zu Hause, damit der älteren Generation nichts passiert. Bitte erinnert Euch daran, wenn es mal vorbei ist.
DOMRADIO.DE: Was erzählen denn die Jugendlichen? Mit welchen Gedanken kommen die auf Sie zu?
Stollhoff: Recht wenig. Wir haben von einzelnen gehört, dass es ihnen so langsam langweilig wird und sie nicht viel machen können außer Hausaufgaben. Die Jugendlichen sind vom Gefühl her auch isoliert und die Eltern sind teilweise überfordert. Alle hoffen, dass es bald weitergeht.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es mit der Koordination im Jugendseelsorgebereich aus? Funktioniert das noch gut?
Stollhoff: Das funktioniert über Skype oder man ist mal gemeinsam mit Abstand im Büro. Aber überwiegend machen wir Skypekonferenzen und telefonieren viel.
DOMRADIO.DE: Sie leben in einer kleinen Gemeinschaft mit zwei Leuten. Was hat sich da für Ihren Alltag jetzt geändert?
Stollhoff: Ich finde es ist ruhiger geworden und wir haben jetzt mehr Zeit. Die nutzen wir auch gut. Morgens haben wir Stille und jede hat Zeit für sich. Wir treffen uns dann Mittags zum Essen und zum Gespräch. Wir schauen auch, wie wir miteinander umgehen. Ich finde es spannend, weil wir die Liturgie gemeinsam geplant haben, sie jetzt auch zu zweit durchzuführen. Es ist ein ganz starkes Erleben die Gottesdienste zu zweit zu machen mit dem Messbuch.
DOMRADIO.DE: Wie läuft das dann ab?
Stollhoff: Wir haben uns überlegt, was uns wichtig ist. Man muss ja nicht die ganze Liturgie machen, aber zum Beispiel am Ostersonntag wollen wir eine Liturgie machen mit einer Lesung und einer Tauferneuerung. Das können wir gut gemeinsam feiern. Irgendwie finde ich das schön. Ich erlebe es auch bei Freunden, dass man sich mehr Gedanken macht. Das ist ein ganz spannendes Ostern, weil jeder einzelne für die Liturgie selber verantwortlich ist.
DOMRADIO.DE: Ich finde das ist ein interessanter Aspekt. Es geht nicht darum zu sehen, was man verliert, sondern was man gewinnt und was jeder von uns selbst gestalten kann.
Stollhoff: Ja und man setzt sich sehr damit auseinander. Kirche macht gerade einen Digitalisierungsschub, da frage ich mich, ob wir das vielleicht übertreiben. Priester, die alleine vor der Kamera zelebrieren sehe ich auch eher kritisch. Ich finde das kann auch vor das Zweite Vatikanische Konzil zurückgehen.
Ich erlebe sehr viele engagierte Laien, die sich überlegen, wie sie das am besten für sich gestalten können. Sie überlegen, wie sie den Karfreitag gestalten oder schauen bewusst welcher Fernsehgottesdienst der beste ist. Natürlich fühlt es sich total komisch an und jeder freut sich auf den ersten Gottesdienst, den man wieder gemeinsam feiern darf. Ich bin froh, dass ich zur Zeit nicht alleine bin, denn ich glaube, dass das alleine wirklich noch einmal schwieriger wäre. So ist das einfach eine unglaublich spannende Zeit in Gemeinschaft mit der Mitschwester.
DOMRADIO.DE: Was würden Sie für Tipps geben, um mit der Familie oder alleine ein gutes Osterfest zu feiern?
Stollhoff: Man kann sich gut überlegen, was für einen selbst die wichtigste Symbolik an Ostern ist. Die Dunkelheit ist dabei ein guter Aspekt. Da kann man morgens mit einem Licht anfangen. Man kann sich überlegen, was in den Lesungen drinsteckt und man sollte sich für die Lesung und die Geschichte der Auferstehung Zeit nehmen. Man kann eine Tauferneuerung machen. Da wird auch niemand böse und spitz die Liturgie nachrechnen. Man sollte sich einfach daran erinnern was es heißt getaufter und erlöster Christ zu sein, der in einer Gemeinschaft lebt, selbst wenn es sich gerade anders anfühlt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie schon eine Uhrzeit ausgeguckt, wann Sie anfangen wollen?
Stollhoff: Wir haben ausgemacht, dass wir morgens früh im Dunkeln anfangen. Wir haben auch einen kleinen Garten. Das war mein Wunsch, dass wir morgens anfangen und uns die Lesungen bewusst anhören und die Taufe erneuern.
DOMRADIO.DE: Und wenn Ostern rum ist, geht der Alltag wieder los, so wie wir es auch die letzten Wochen und Monate hatten. Sie studieren im Fernstudium Theologie an der Uni Luzern. Das läuft auch ein bisschen anders ab als vorher?
Stollhoff: Ehrlich gesagt für mich irgendwie gar nicht. Die Uni war schon immer digital. Es wurden schon immer alle Vorlesungen aufgezeichnet. Es gab schon immer Skype-Konferenzen und ich finde der Unterschied ist momentan, dass sie flexibler sind. Dadurch, dass die Präsenzveranstaltungen für die Studenten wegfallen, treffen wir uns jetzt tatsächlich zu mehreren. Dienstags um 10 Uhr gehe ich zur Vorlesung Antike Kirchengeschichte, Mittwochs um 14 Uhr ist das Seminar zu Beethoven und Hölderlin.
Es gibt Professoren, die anbieten, dass man einfach dazukommt. Ich muss nicht zu den Prüfungen in die Schweiz fahren. Das wird auch spannend, wie das damit genau ablaufen wird. Die Uni Luzern mit ihrer theologischen Fakultät war eine der ersten, die gezeigt hat, dass Kirche digital kann und jetzt sind sie die Vorreiter.
DOMRADIO.DE: Ihre Gemeinschaft ist relativ klein. Sie sind nur zu zweit, haben Sie gesagt. Wie ist das, wenn man als ältere Ordensfrau zur Risikogruppe gehört? Sie haben ja auch Schwestern, die im Altenheim leben. Ich kann mir auch vorstellen, dass es gerade dort schwierig ist jetzt Gemeinschaft zu erleben, oder?
Stollhoff: Ich habe zur Zeit riesen Respekt vor all unseren Oberinnen, vor allem vor denen in älteren Gemeinschaften. Ich glaube im Alltag ändert sich gar nicht so wahnsinnig viel, weil sie ja schon mobil waren. Sie bekommen weniger Besuch und das ist natürlich eine Angst und Sorge.
Wir haben es ja hier in Wolfsburg in dem Altenheim mitbekommen: Wenn der Virus einmal da ist, dann ist er schlimm. Ich telefoniere zur Zeit mehr mit meinen Mitschwestern und meinen Eltern. Man macht sich mehr Sorgen und denkt, sagen die mir beim nächsten Anruf, dass der Virus angekommen ist? Dann beginnt die Angst. Diese Zeit hat spannende Seiten, aber man bekommt auch mehr und mehr mit von Menschen, die sich angesteckt haben. Das ist eine Zeit der Angst und wer krank wird, der ist einsam. Viel Positives, viele Chancen und trotzdem machen wir das Ganze, weil es konkret um einen lebensgefährlichen Virus geht.
DOMRADIO.DE: Ich habe eine Frage, die ich zum Schluss jedem stellen möchte in diesem Gespräch. Welche Momente bringen Ihnen aktuell Hoffnung?
Stollhoff: Hoffnung sind die intensiveren Gespräche, die man führt, das sind die Karten und Rückmeldungen von den Jugendlichen, dieses Bemühen und der unbedingte Wille in Kontakt und verbunden zu bleiben. Das macht mir auch bei der Kirche viel Hoffnung. Es macht auch Hoffnung, dass sich die Natur gerade erholen kann. Es ist alles heruntergefahren und eine große gemeinsame Stille, da steckt noch etwas drin. Ich glaube wir werden uns nächstes Jahr an Ostern über die Veränderungen unterhalten. Ich bin wirklich gespannt, was wir dann auf die Frage antworten werden, was an Ostern in Coronazeiten anders war.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.