Islamforscher beklagt widersprüchliche Signale der Politik

Islamischer Religionsunterricht erst in fünf Jahren?

Regulären islamischen Religionsunterricht wird es nach Einschätzung des Münsteraner Islamforschers Muhammad Kalisch an deutschen Schulen erst in fünf bis zehn Jahren geben. "Ich hoffe, dass das Fach schnell kommt. Doch wann es so weit ist, wissen wir nicht. Die Politik gibt widersprüchliche Signale", sagte Kalisch am Dienstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

 (DR)

Regulären islamischen Religionsunterricht wird es nach Einschätzung des Münsteraner Islamforschers Muhammad Kalisch an deutschen Schulen erst in fünf bis zehn Jahren geben. "Ich hoffe, dass das Fach schnell kommt. Doch wann es so weit ist, wissen wir nicht. Die Politik gibt widersprüchliche Signale", sagte Kalisch am Dienstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er hat den bundesweit ersten Lehrstuhl zur Ausbildung islamischer Religionslehrer inne. In einem halben Jahr wird die erste Absolventin des Studiengangs fertig. Muslimische Eltern fordern seit mehr als 20 Jahren das Fach Religion für ihre Kinder. Auch die Kirchen befürworten das.

Kalisch will schon jetzt so viele Islamlehrer wie möglich ausbilden, damit genügend Pädagogen vorhanden sind, wenn das Schulfach eingeführt wird. "Bis wir den Bedarf für ganz Nordrhein-Westfalen gedeckt haben, brauchen wir einige Jahre."
Langfristig müsse jedes Bundesland mindestens einen Lehrstuhl erhalten, die großen Flächenstaaten sogar mehrere. "Wir bilden jedenfalls einfach aus, um Qualitätssicherung zu betreiben", so der Professor. Für vielversprechend hält er den Modellversuch, den die nordrhein-westfälische Landesregierung in Köln und Duisburg begonnen hat. Das Projekt habe die Rückendeckung von vier großen Islamverbänden. "Da ist eine Menge in Bewegung", so Kalisch. Hindernis war bislang das Fehlen eines zentralen muslimischen Ansprechpartners für den Staat. Die verschiedenen Dachverbände konnten sich bislang nicht zur Einigung entschließen.

Kopftuch und Dschihad
Ein wichtiger Teil der Lehrer-Ausbildung sei die Diskussion aktueller Fragen von Muslimen in Deutschland, nach denen Kinder ihre Lehrer fragen würden, sagte der Wissenschaftler. Als Beispiele nannte er die Kopftuchfrage, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Bedeutung des Begriffs "Dschihad" sowie Ehen zwischen Musliminnen und nichtmuslimischen Männern. "Wir betrachten all das nicht nur aus traditioneller Sicht, sondern zeigen auch moderne Interpretationen auf", unterstrich Kalisch, der in Hamburg geboren wurde und mit 15 Jahren zum Islam konvertierte.

Für die bundesweit mehr als 700.000 muslimischen Schüler gibt es derzeit keinen flächendeckenden Unterricht, der mit katholischer oder evangelischer Religionslehre zu vergleichen wäre. In einigen Bundesländern laufen Modellversuche. NRW, wo die meisten Muslime wohnen, führte als erstes Bundesland 1986 in den Grundschulen islamische Unterweisung im Rahmen des muttersprachlichen Unterrichts ein. Das wurde auf weiterführende Schulen ausgeweitet. Seit 1999 erprobt das Land die Einführung von Islamkunde als eigenständigem Fach an zahlreichen Schulen. Es ist aber nicht bekenntnisorientiert. Bei dem neuen Versuch in Köln und Duisburg soll in deutscher Sprache, unter deutscher Schulaufsicht und von in Deutschland ausgebildeten Lehrern unterrichtet werden.