Islamforscher Kalisch im Interview

"Jedes Bundesland bräuchte einen Islam-Lehrstuhl"

KNA: Herr Professor Kalisch, im Sommer 2005 haben Sie mit der Islamlehrer-Ausbildung begonnen. Wie läuft es?Kalisch: Es läuft gut, die erste Absolventin wird in einem halben Jahr fertig. Insgesamt haben wir am Lehrstuhl "Religion des Islam" derzeit 45 Studenten, die auf Lehramt studieren.

 (DR)

KNA: Herr Professor Kalisch, im Sommer 2005 haben Sie mit der Islamlehrer-Ausbildung begonnen. Wie läuft es?
Kalisch: Es läuft gut, die erste Absolventin wird in einem halben Jahr fertig. Insgesamt haben wir am Lehrstuhl "Religion des Islam" derzeit 45 Studenten, die auf Lehramt studieren. Die Ausbildung läuft sowohl im Theorieteil an der Uni und im Praxisteil gut. Die Studenten sind sehr motiviert, und wir haben eine große Nachfrage.

Welche Fächer gehören dazu?
Der Fächerkanon des Erweiterungsstudiengangs soll einen Überblick über die traditionellen Bereiche des Islam geben. Dabei stellen wir keine bestimmte Strömung in den Vordergrund, sondern stellen das ganze Spektrum islamischer Geistesgeschichte dar. In einem Bereich geht es um Koran und Hadith, wobei wir sowohl den klassischen Umgang mit den Quellen betrachten als auch moderne, quellenkritische Herangehensweisen. Dann unterrichten wir islamisches Recht, was für das praktische Leben große Bedeutung hat. Wir sprechen dabei über die Probleme von Muslimen in dieser Gesellschaft. Schließlich geht es um den großen Bereich Theologie, Philosophie und Mystik.

Welche Gesellschaftsprobleme meinen Sie?
Es geht um Fragen, die diskutiert werden und auch Religionslehrer betreffen, weil die Kinder danach fragen: Was ist mit Menschen, die aus dem Islam austreten? Dürfen muslimische Frauen einen Nichtmuslim heiraten? Das kann man unterschiedlich auslegen. Dann geht es um die Kopftuchdebatte und um die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und was heißt "Dschihad"?
Wir betrachten all das nicht nur aus traditioneller Sicht, sondern zeigen auch moderne Interpretationen auf. Und wir sehen es aus dem Blickwinkel der Verfassung. Man kann den Islam so interpretieren, dass er nicht im Widerspruch dazu steht.

Wann wird es islamischen Religionsunterricht regulär geben?
Ich hoffe, dass das Fach schnell kommt. Doch wann es so weit ist, wissen wir nicht. Die Politik gibt widersprüchliche Signale. In Köln und Duisburg beginnt jedenfalls jetzt ein Modellversuch mit Rückendeckung von vier großen Islamverbänden.
Da ist eine Menge in Bewegung. Es kann trotzdem noch fünf bis zehn Jahre dauern. Wir bilden jedenfalls einfach aus, um Qualitätssicherung zu betreiben. Wenn es los geht, werden wir schauen, wie viele Lehrer tatsächlich vorhanden sind. Wenn es ganz schnell ginge, müssten wir auf das große Reservoir von Islamkundelehrern zurückgreifen. Bis wir den Bedarf für ganz Nordrhein-Westfalen gedeckt haben, brauchen wir einige Jahre.

Und für Deutschland?
Langfristig bräuchte man in jedem Bundesland mindestens einen Lehrstuhl, in den großen Flächenstaaten mehrere. Das wäre auch für eine größere Aufgliederung der Fächer wichtig. Ich bin zum Beispiel für die reine Theologie zuständig, aber kein Religionspädagoge. Das lassen wir bisher andere Wissenschaftler machen, die einen Lehrauftrag bekommen. Besser wäre aber ein didaktischer Lehrstuhl zur Ergänzung.

Interview: Viola van Melis (KNA)