Iranischer Pastor betet für Befreiung von bösen Mächten im Land

"Keine Diktatur bleibt für immer"

Mit großer Sorge schauen derzeit viele im Exil lebende Iranerinnen und Iraner auf die Gewalteskalation in ihrer Heimat. Auch Pastor Mehrdad Sepehri aus Westfalen. Er musste sein Land verlassen, weil er zum Christentum konvertierte.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Ein Mann trägt ein verwundetes Mädchen nach einer Explosion in der Innenstadt von Teheran / © Morteza Zangene (dpa)
Ein Mann trägt ein verwundetes Mädchen nach einer Explosion in der Innenstadt von Teheran / © Morteza Zangene ( dpa )

In diesen Tagen ist es nicht einfach, an Informationen aus dem Iran zu kommen. Wenn Pastor Mehrdad Sepehri Fard wissen will, wie es Familie und Freunden in Teheran geht, braucht er viel Geduld. Denn seit in seiner Heimat Krieg herrscht, schaltet das Regime das Internet immer wieder ab. 

Pastor Mehrdad Sepehri Fard  (Katholische Kirche Paderborn)

"Sie wollen verhindern, dass die Iraner mitbekommen, wie groß die Demütigung ist. Und die Bilder von Tot und Zerstörung sollen nicht ins Ausland gelangen“, sagt Sepehri. Trotzdem finden die Menschen im Iran Wege, diese Sperren zu umgehen. "Nicht alle sind technisch begabt, aber man hilft sich gegenseitig bei der Übermittlung von Nachrichten." Der Zusammenhalt sei groß.  

Mehrdad Sepehri Fard lebt seit 28 Jahren in Deutschland und ist der Seelsorger für persischsprachige Christen in Westfalen. Aus Gesprächen mit anderen Exiliranern weiß er: "Mehr noch als die Bomben fürchten die Menschen das eigene Regime." 

Er erinnert an das brutale Vorgehen, als 2019 - ausgelöst durch plötzliche Benzinpreiserhöhungen - im ganzen Land Proteste ausbrachen. 2022 starb die 22-jährige Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. Niemals zuvor wagten sich so viele Iraner auf die Straße und forderten unter dem Schlagwort "Frau.Leben.Freiheit" Reformen. Die weltweite Solidarität war groß.  

Das eigene Volk als Geisel

"Das Regime ließ 1.500 Menschen innerhalb von drei Tagen töten, auch Kinder, Frauen und Minderjährige", erinnert sich der Pastor. Es habe mehr Tote zu verantworten, als die Raketen aus Israel: "Seit 46 Jahren hält die iranische Regierung seine eigene Bevölkerung als Geiseln." 

Mehrdad Sepehri kennt die Brutalität des Regimes nur zu gut. Er wurde in den 1960er Jahren in Teheran geboren und islamisch erzogen. Im Teenageralter entdeckte er das Christentum für sich, als er die Bibel las. Eigentlich nur, um die Überlegenheit seiner eigenen Schriften zu überprüfen. 

Dann stellte er fest: "Im Islam kann man Gott nicht kennenlernen", erinnert er sich. "Wir können an Allah glauben und seinen Willen befolgen, aber ihn kennenzulernen wäre Gotteslästerung, weil wir ihn auf eine Ebene mit den Menschen erniedrigen würden. Aber im Christentum ist die Basis die Begegnung mit Gott. Wir lernen ihn kennen, dann beginnen wir zu glauben und zu vertrauen."

Das überzeugte ihn und er beschloss, sich in einer presbyterianischen Kirche in Teheran taufen zu lassen. Eine riskante Entscheidung, denn seit der Islamischen Revolution 1979 gilt der Abfall vom Glauben als strafbar. "Aber mein Glaube war stärker als meine Angst", sagt er. 

Als Christ in Gefahr

Er begann, heimlich Theologie zu studieren. Die Prüfungen legte er Zypern ab. Oft wurde er festgenommen, auch gefoltert, erzählt er. Als 1997 die Todesstrafe gegen ihn ausgesprochen wurde, entschloss er sich, mit seiner Frau den Iran zu verlassen. 2006 legt er bei der presbyterianischen Kirche in den USA seine Prüfung als Pastor ab, wenige Monate später wurde er in Marburg ordiniert. 

Rauch steigt aus einem Öllager in der iranischen Hauptstadt Teheran auf. / © Vahid Salemi (dpa)
Rauch steigt aus einem Öllager in der iranischen Hauptstadt Teheran auf. / © Vahid Salemi ( dpa )

So wie ihm ergeht es vielen Christen im Iran. Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation "Article 18" verschärften iranische Behörden 2024 ihre Repressionen gegen sie erneut, mindestens 139 Gläubige wurden verhaftet. Neuerdings überprüften die Revolutionsgarden auch die finanziellen Transaktionen von Christen und ihren Anwälten, heißt es in dem Bericht. Kirchenaktivitäten, die durch Spenden aus dem Ausland unterstützt werden, sind verboten.

Heute lebt und arbeitet Pastor Mehrdad Sepehri Fard in Westfalen als Seelsorger für persischsprachige Christen, ein Projekt, das 2017 im Evangelischen Kirchenkreis Paderborn mit Unterstützung der Evangelischen Kirche von Westfalen startete. Er bietet Glaubenskurse, Gemeindetage, Tauf- und Konfirmationskurse an. Er unterstützt Geflüchtete und organisiert Gottesdienste auf Persisch: Die streamt er auf Instagram, damit auch die Gläubigen im Iran darauf zugreifen können. "Wenn Leute nachts die Videos anschauen, weiß ich, dass sie sich aus dem Iran zuschalten."

Darf man für einen Regimewechsel beten?

Oft sprechen sie in ihrer Exilgemeinschaft auch über die Situation in der Heimat. "Wir machen uns Sorgen", sagt Sepehri. Natürlich beten sie für den Frieden. Aber darf man auch für einen Regimewechsel beten? Sepehri antwortet salomonisch: "Wir beten dafür, dass unser Land von den bösen Mächten befreit wird." 

Demonstranten schwenken eine riesige iranische Flagge am 15.04.2024 auf dem Felestin (Palästina) Platz in Teheran bei einer anti-israelischen Versammlung. / © Vahid Salemi/AP (dpa)
Demonstranten schwenken eine riesige iranische Flagge am 15.04.2024 auf dem Felestin (Palästina) Platz in Teheran bei einer anti-israelischen Versammlung. / © Vahid Salemi/AP ( dpa )
Demonstranten in Teheran mit einer iranischen Flagge

Aber dafür brauche man weder Trump noch Netanjahu, dass müssten die Iraner aus eigener Kraft schaffen. Dass sie das können, davon ist er überzeugt: "Unsere Kultur ist 2500 Jahre alt und wir haben viele Gelehrte, die im Exil oder im Gefängnis sitzen und in der Lage wären, das Land, vielleicht sogar die ganze Region in eine friedliche Zukunft zu führen. So wie einst König Kyros!“

Aber hilft Beten angesichts der schon Jahrzehnte andauernden politisch-religiösen Diktatur im Iran? "Unsere Gebete sind keine Aufträge an Gott, sondern für den Frieden müssen wir schon selbst sorgen." Keine Diktatur bleibe für immer, sagt er, und Diktatoren gingen nun mal nicht freiwillig. 

Ist das nicht ein Dilemma für ihn als Pastor? "Ich bin gegen Krieg und besonders als Pastor bin ich ein Botschafter des Friedens", antwortet er. "Aber manchmal kann man nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden, sondern nur zwischen "schlecht" und "noch schlechter". Und schlechter als derzeit geht es nicht.“

Quelle:
DR

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