DOMRADIO.DE: Durchschnittlich werden 15 Frauen pro Stunde Opfer von partnerschaftlicher Gewalt in Deutschland. Was sind die Gründe dafür?
Elisabeth Grumfeld (Vorstandsmitglied des Katholikenausschusses Köln): Das entsteht durch die gesellschaftlichen Veränderungen. Die Emanzipation von Frauen stellt für viele Männer eine Bedrohung dar. Zusätzlich nehmen die Hassbotschaften im Internet stark zu, das hat die Gewalt an Frauen erhöht. Das finde ich sehr bedrohlich.
Bedrohlich finde ich auch, dass jeder dritte junge Mann es okay findet, dass Frauen sexuelle Gewalt angetan wird.
DOMRADIO.DE: Die Zahlen steigen und die Dunkelziffer ist in offiziellen Statistiken nicht inkludiert, oder?
Grumfeld: 187.000 Frauen waren 2014 von häuslicher Gewalt betroffen. Das heißt, es gab einen Anstieg von 3,5 Prozent. Das ist nicht nur die häusliche Gewalt, es ist auch digitale Gewalt. Durch den Menschenhandel kommen nochmal andere Zahlen hinzu. Vor allem gab es einen Anstieg bei jungen Frauen ab 14 Jahren in Deutschland. Im Jahr 2024 wurden über 5.000 junge Frauen von Gewalt bedroht.
DOMRADIO.DE: Es fehlen massiv Frauenhausplätze, bundesweit sind es 12.000. Spielen Frauenhäuser bei Ihren Forderungen eine Rolle?
Grumfeld: In den letzten Jahren haben wir die Frauenhäuser durch unsere Kollekten unterstützt. Wir haben auch immer wieder auf verschiedenen Veranstaltungen darauf hingewiesen, dass es mehr Frauenhäuser geben muss, da die Opferzahlen stark erhöht sind.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Frauenschutz kostet Geld?
Grumfeld: Das ist richtig. Mal ein Beispiel: Spanien hat schon 2009 die Fußfesseln angeordnet. Dadurch ist in Spanien ein Drittel der Delikte an Frauen zurückgegangen. Warum das mit den Fußfesseln bei uns so lange gedauert hat und immer noch dauert, ist für mich unverständlich. Es müsste einen größeren Aufschrei aus der Gesellschaft geben, dass so wenig gegen Gewalt an Frauen getan wird.
DOMRADIO.DE: Wie kann ein interreligiöses Abendgebet helfen, die Situation zu verbessern?
Christine Winterhoff (Ehrenamtliche evangelische Seelsorgerin und Prädikantin): Vor allem können wir zeigen, dass Gewalt unabhängig von Religion stattfindet. Wir wollen, dass die Scham die Seite wechselt. Gisèle Pellicot hat es uns vorgemacht (Gisèle Pellicot erlangte im Jahr 2024 im Strafprozess gegen ihren geschiedenen Ehemann und 50 weitere Täter internationale Bekanntheit. Diese hatten sie systematisch und auf Einladung ihres Mannes schwer vergewaltigt, nachdem sie von ihm jeweils betäubt worden war, Anm. d. Red.). Nicht die Frauen, die geschlagen werden, sind schuld, sondern die Männer sollen sich schämen, die es den Frauen antun.
DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Arbeitskreis, der das organisiert? Wer sitzt da alles mit drin?
Winterhoff: Das sind freikirchliche Protestanten, die katholische Kirche mit verschiedenen Teilnehmerinnen sowie die evangelische Kirche, Bahai, Muslima und die Griechisch-Orthodoxen.
DOMRADIO.DE: Wie wird das Abendgebet gestaltet?
Winterhoff: Es ist wie ein Gottesdienst gestaltet. Es wird aber keine Predigt geben, sondern Statements von verschiedenen Frauen, die alle aus ihrem eigenen Erleben berichten. Es wird Musik geben. Außerdem wird eine Polizistin kommen, die aus ihrem Alltag über Gewalt an Frauen berichtet.
DOMRADIO.DE: Sie haben für das Abendgebet die Überschrift "Begrenzte Sicherheit" gewählt. Was bedeutet das?
Winterhoff: Selbst in angeblich sicheren Räumen wie dem eigenen Zuhause ist Sicherheit nicht gewährleistet. Das heißt, Sicherheit für Frauen gibt es nirgendwo.
DOMRADIO.DE: Reicht das Beten für Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind, aus?
Winterhoff: Es ist auf jeden Fall hilfreich. Wenn jemand gläubig ist, ist das Gebet immer eine Hilfe, aber das reicht natürlich nicht. Wir müssen uns alle als Frauen solidarisieren.
DOMRADIO.DE: Das heißt, in Ihrem interreligiösen Gebet geht es darüber hinaus. Sie engagieren sich auch im Katholikenausschuss in der Stadt Köln für Frauen.
Winterhoff: Ja, und es wird im Rahmen der "Orange-Days", die 15 Tage gehen, von allen Seiten, von den Kirchen, von der Stadt, Aktionen und Informationsveranstaltungen geben, Filme werden gezeigt und so weiter. Das ist schon sehr breit aufgestellt.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.
Weitere Informationen zu der Veranstaltung:
"Begrenzte Sicherheit“ – Christinnen, Musliminnen und Bahá‘í laden ein zum Internationalen Gedenktag
25. November 2025, 18 Uhr in der Kath. Kirche St. Agnes , Neusser Platz 18 · 50670 Köln.
Anlaufstelle für Betroffene:
Hilfetelefon: 116 016
Anrufende aus dem deutschen Telefon- und Mobilnetz erreichen das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 116 016. Das Beratungsangebot ist weiterhin anonym, kostenfrei, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen verfügbar.