Interkulturelle Woche feiert Vielfalt mit Kultur, Dialog und Begegnung

"Die DNA der Kirche"

Die Interkulturelle Woche feiert ihr 50. Jubiläum. Seitdem setzt sie ein Zeichen für Vielfalt, Menschenwürde und friedliches Miteinander. Die Begegnungen, Veranstaltungen und Diskussionen finden in rund 750 Städten und Regionen statt.

Autor/in:
Annika Weiler
Symbolbild Menschen mit guter Laune / © view apart (shutterstock)
Symbolbild Menschen mit guter Laune / © view apart ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Interkulturelle Woche läuft seit Sonntag und versteht sich in diesem Jahr als Gegenpol. Aber zu was denn genau? 

Beate Sträter (Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses (ÖVA) zur Interkulturellen Woche): Das Motto heißt "Dafür". Damit meinen wir erstmal, dass wir für eine vielfältige Gesellschaft eintreten, für ein respektvolles, friedliches Zusammenleben und für die Achtung von Menschenrechten und Menschenwürde. Das ist natürlich ein Gegenpol gegen alle politischen Kräfte, die das infrage stellen, die ein völkisch-nationales Weltbild haben, die ein Bild von Deutschland fantasieren, das so nie gab. 

Und das ist ein Gegenpol gegen diejenigen, die die Rechte von Frauen und queeren Menschen beschneiden möchten und die eine Grundüberzeugung haben, die die Ungleichheit von Menschen postuliert, was ihren Wert und ihre Rechte angeht. 

Wir stellen uns aber auch dagegen, dass ein Klima der Angst entsteht, das zum Teil schon konkret in Gewalt umschlägt. 

DOMRADIO.DE: Sie wollen Räume für Dialog und Begegnung öffnen. Wie klappt das, dass am Ende nicht immer die gleichen in der gleichen Blase bleiben, sondern wirklich ein Austausch stattfinden kann? 

Beate Sträter

"Ich glaube, es kommt darauf an, auch wenn es unbequem sein mag, freundlich Haltung zu beziehen."

Sträter: Das ist sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben. Aber ich weiß gar nicht, ob unser Land, unsere Gesellschaft, wirklich so gespalten ist. Es wird oft gesagt, aber ich glaube, es gibt nicht diese zwei Pole, sondern sehr viele unterschiedliche Meinungen und Lebenswirklichkeiten. Klar, es gibt eine wachsende Anzahl von Menschen, die nicht nur aus Protest rechts wählen, sondern aus Überzeugung. 

Wir erleben auch, wie an einigen Orten, wo die Rechten sehr stark sind, Strukturen wegbrechen und zerstört werden und die Interkulturelle Woche nicht mehr stattfinden kann. Ich frage mich: Leben wir wirklich alle nur in einer eigenen Blase? Wir sind doch viele Zeiten des Tages mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammen: in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit, im Sportverein. Wenn man mal ins Krankenhaus oder in ein Pflegeheim oder in eine x-beliebige Grundschulklasse schaut, dann sieht man doch, dass wir in großer Unterschiedlichkeit viele Zeiten unseres Tages verbringen.

Ich glaube, es kommt darauf an, auch wenn es unbequem sein mag, freundlich Haltung zu beziehen, wenn Menschen ausgegrenzt oder diffamiert werden – oder mal ein paar kluge informierte Fragen zu stellen. Die Räume, die geöffnet werden sollen und wofür wir uns bei der Interkulturellen Woche einsetzen, sind in erster Linie Gesprächs- und Begegnungsräume für diese unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten. 

Uns ist es wichtig, dass Raum dafür ist, dass Geschichten erzählt werden, dass jeder Mensch als Einzelner wahrgenommen wird und nicht als Angehöriger einer wie auch immer konstruierten Gruppe. Dafür will die Interkulturelle Woche einen Rahmen bieten, diese Vielfalt bewusst zu erleben. Zum Beispiel indem man sich begegnen kann, indem man etwas gemeinsam erlebt, ein Fest, eine Kulturveranstaltung oder indem man gemeinsame Interessen identifiziert, für die man sich einsetzen möchte, dort, wo man vor Ort ist. Es kann aber auch darum gehen, den Glauben und die Spiritualität des anderen wahrzunehmen. 

Es gibt ja so viel mehr, was wir Menschen teilen, als das, was uns trennt. Aber die Unterschiede zwischen uns werden eben dramatisiert und hochgespielt, um uns auseinanderzutreiben. Ich denke, das ist eine politische Strategie, die sich Ängsten, Vorurteilen und menschenfeindlichen Einstellungen bedient und diese füttert. Dagegen treten wir mit jeder Veranstaltung und mit jedem Programm, das jetzt in der kommenden Woche stattfindet, an. 

DOMRADIO.DE: Was für Veranstaltungen kann man da erwarten? 

Beate Sträter

"Humor ist ein wunderbarer Weg, gerade wenn es um Themen geht, die schmerzhaft sind, Menschen zu erreichen und zusammenzubringen."

Sträter: Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass die Interkulturelle Woche wächst. Mittlerweile sind es ca. 750 Städte und Landkreise, die sich beteiligen. Interessanterweise wächst es in Ostdeutschland. Es sind die kleineren, mittleren Städten und Regionen, wo die Interkulturelle Woche stärker wird. Die Bandbreite ist sehr groß. 

Auf unserer Website kann man sich das Programm genau angucken. Die einzelnen Kommunen stellen die Programme da ein. Es gibt sehr viel Kulturprogramme: Musik, Theater, Film. Es gibt viele Möglichkeiten, gemeinsam zu feiern, zu essen. Es gibt Aktionen für und mit Kindern und Jugendlichen. 

Natürlich gibt es Veranstaltungen zu wichtigen politischen Themen wie Flucht und Asyl, zu Rechtsextremismus, Menschenrechten und Demokratie. Schließlich gibt es auch interreligiöse Begegnungen wie Friedensgebete und interreligiöse Stadtrundgänge. Es ist ganz wichtig, dass so etwas in der Öffentlichkeit stattfindet, dass wir öffentlich sichtbar sind, dass wir diese Vielfalt öffentlich sichtbar machen können, damit wir möglichst viele Menschen niedrigschwellig zusammenbringen. 

Ich persönlich habe in der letzten Zeit immer besonders viel Freude an Comedy-Sachen gehabt. Wir haben ganz tolle internationale Menschen mit großen kabarettistischen Fähigkeiten. Humor ist ein wunderbarer Weg, gerade wenn es um Themen geht, die schmerzhaft sind, Menschen zu erreichen und zusammenzubringen. 

DOMRADIO.DE: Die beiden großen Kirchen haben 1975 die Interkulturelle Woche maßgeblich mit angestoßen. Wo sehen Sie die Rolle der Kirchen heute für ein interkulturelles Miteinander? 

Sträter: Der größte Unterschied ist, dass es damals darum ging, diese Fremdheit gegenüber der marginalisierten Gruppe der Arbeitsmigranten oder Gastarbeiter, wie sie damals hießen, zu überwinden. Es ging darum, eine Wahrnehmung dafür zu schaffen, dass dies Menschen sind, die zu uns gekommen sind und dabei Türen zu öffnen und ihre Lebenssituation zu verbessern und sie eben nicht als Gäste, sondern als Mitbürger zu sehen. Deshalb hieß es damals "Der Tag des ausländischen Mitbürgers". 

Beate Sträter

"Das gehört zur DNA der Kirche."

Vielleicht war das noch ein Anliegen, was diakonisch motiviert war. Heute ist es völlig selbstverständlich, dass es diesen Unterschied zwischen "denen" und "uns" in der Realität so nicht mehr gibt. Wir leben in einer Gesellschaft mit einer großen Diversität und wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam. Das heißt nicht, dass es nicht immer noch Diskriminierung und Ausgrenzung gibt. Das ist nicht konfliktfrei. 

Der Unterschied zu damals ist, dass unsere Demokratie noch nie so bedroht war wie heute. Vielleicht ist die Rolle der Kirche deshalb nochmal dringender, ihre Stimme gegen eine Erosion des demokratischen Grundkonsens' zu erheben – auch wenn ihr Einfluss schwindet. Ein Konsens, der davon ausgeht, dass Menschen Rechte haben. 

Als Kirchen tun wir das aus der Überzeugung heraus, dass jeder Mensch als Geschöpf Gottes eine unverbrüchliche Würde hat und dass Ungerechtigkeit den Zusammenhalt einer Gesellschaft zerstört. Deshalb denke ich, dass es weiterhin noch wichtiger ist, dass die Kirchen als Trägerinnen der Interkulturellen Woche ein deutliches Zeichen setzen. Das tun sie jedes Jahr mit einem gemeinsamen Wort zur Interkulturellen Woche.

Dieses gemeinsame Wort ist immer eine Zeitansage von dem, was jetzt wichtig ist. Das gehört zur DNA der Kirche, sich für die Würde und für die Rechte von Menschen einzusetzen. 

Das Interview führte Annika Weiler.

Was ist die Interkulturelle Woche?

Die bundesweit jährlich stattfindende Interkulturelle Woche (IKW) ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Sie findet seit 1975 Ende September statt und wird von Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Migrantenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen unterstützt und mitgetragen. In mehr als 500 Städten und Gemeinden werden rund 5.000 Veranstaltungen durchgeführt.

Interkulturelle Woche wirbt für Vielfalt / © Martin Schutt (dpa)
Interkulturelle Woche wirbt für Vielfalt / © Martin Schutt ( dpa )
Quelle:
DR

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