Streit in den USA um Corona-Impfpflicht

Impfgegner pochen auf religiöse Gründe

In den USA haben immer häufiger Ungeimpfte keinen Zutritt mehr etwa zu Behörden oder Universitäten. Religiöse Impfgegner pochen auf ihr Recht, Impfungen abzulehnen. Unterstützung erhalten sie vereinzelt auch von kirchlicher Seite.

Autor/in:
Konrad Ege
Vor allem weiße evangelikale Christen verweigern sich der Impfung / © Paul shuang (shutterstock)
Vor allem weiße evangelikale Christen verweigern sich der Impfung / © Paul shuang ( shutterstock )

Immer mehr US-Behörden, Unternehmen und Universitäten erlassen Corona-Impfpflicht-Vorschriften. Diese Pflicht ist kontrovers und stößt auf Widerstand bei solchen religiösen Menschen, die ihre Glaubensfreiheit bedroht sehen. Zahlreiche Religionsvertreter befürworten Impfungen, doch der Staat nimmt auch Rücksicht auf die Minderheit der Verweigerer: US-Gesetze verpflichten Arbeitgeber und Behörden zu angemessenen Zugeständnissen an Menschen, die aus Glaubensgründen Ausnahmen von Vorschriften verlangen.

Verbreitete Impfskepsis

Impfskepsis ist in den USA laut Umfragen vor allem bei weißen evangelikalen Christen verbreitet. Der Jurist John Whitehead sagt, er habe zahlreiche Bitten um Beistand erhalten von Menschen, die Impfverweigerung mit ihrem Glauben begründen. Er ist Vorsitzender des "Rutherford Institute". Die Organisation in Charlottesville in Virginia setzt sich für Religionsfreiheit und Bürgerrechte ein. Schutz der Glaubensfreiheit sei in der US-Verfassung sehr breit gefasst, sagt er. Es sei hilfreich, wenn Impfverweigerer Anträge mit Bibelstellen oder Kirchenlehren untermauern. Notwendig sei das jedoch nicht.

Es sei eine individuelle Sache, sagt Whitehead. Entscheidend sei, dass ein Verweigerer geltend macht, dass er aufrichtig und ernsthaft überzeugt ist, Impfungen seien unvereinbar mit seinem Glauben. Es genüge zum Beispiel die Überzeugung, er wolle seinen vom Schöpfer geschenkten Körper nicht schädigen mit einem "experimentellen Medikament".

Unterstützung von Pastoren

Manche evangelikale Pastoren haben Gemeindemitgliedern Hilfe zugesagt. Der Pastor der Freikirche "Destiny Christian Church" in Rocklin (US-Staat Kalifornien), Greg Fairrington, sagte im örtlichen Fernsehsender KCRA, er unterstütze Anträge gegen Impfungen mit einem persönlichen Brief. Wer moralische Bedenken gegen die Immunisierung habe, dürfe nicht gezwungen werden. Die USA seien doch das Land der Religionsfreiheit.

Manche religiös motivierte Impfgegner machen sich angeblich Sorgen um Stammzellen von Embryonen bei der Impfstoffforschung. Mehrere römisch-katholische Bischöfe haben es Priestern jedoch untersagt, Verweigerern Hilfe zu leisten. Es gebe keine legitimen Beweggründe "für einen Priester, eine religiöse Ausnahme zu erteilen", hieß es laut der Zeitung "National Catholic Reporter" in einem Memorandum der Erzdiözese New York. Papst Franziskus hat Impfen als "Akt der Liebe" bezeichnet.

Impfpflicht für Regierungsmitarbeiter

US-Präsident Joe Biden hat Ende Juli eine Impfpflicht für Regierungsmitarbeiter vorgeschrieben. Die Regierung möchte aber offenbar Streit etwa um Religionsfreiheit vermeiden. Deswegen gibt es Ausnahmeregeln. Manche Beschäftigte, die sich nicht impfen lassen, können zu Hause arbeiten oder sie müssen sich regelmäßig testen lassen. Das US-Verteidigungsministerium etwa schreibt von Mitte September an Corona-Impfungen vor. Das Ministerium nehme Religionsfreiheit ernst, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby, erwarte jedoch, dass beispielsweise Soldaten das richtige tun würden.

Bei zahlreichen Großkonzernen, darunter Google und Facebook, müssen sich Beschäftigte vor der Rückkehr vom Homeoffice ins Büro impfen lassen. Mehr als 500 Universitäten verlangen nach Angaben der Zeitung "New York Times" Impfnachweise. Das evangelisch-lutherische "Augsburg College" in Minnesota zum Beispiel schreibt vor, Studierende, Professoren und Angestellte müssen vollständig immunisiert sein.

Impfen als allgemeine Gesundheitsvorsorge

Und in der kalifornischen Stadt San Francisco müssen Restaurantbesucher nachweisen, dass sie geimpft sind. Es gehe um die Gesundheit der Mitarbeiter und der Gäste, erklärte Bürgermeister London Breed kürzlich.

Der Jurist Whitehead hofft, dass Impfverweigerer und der Staat in Zukunft zu vernünftigen Kompromissen kommen. Bisher hat noch kein Gericht Impfpflicht-Vorschriften verworfen. Schon 1905 urteile das US-Oberste Gericht, der Staat dürfe Impfungen zum Schutz der allgemeinen Gesundheit vorschreiben. Damals ging es um Pockenschutzimpfungen im Staat Massachusetts. Der lutherische Pastor Henning Jacobson wollte sich nicht impfen lassen, denn eine staatliche Impfvorschrift verstoße gegen das "angeborene Recht" freier Menschen, über ihre Körper und ihre Gesundheit zu entscheiden. Jacobson verlor damals.


Quelle:
epd