Im Vatikan erörtern Direktoren großer Häuser die Zukunft der Kunstsammlungen

Tod oder Boom der Institution Museum?

Die einen sagen den Tod der Institution Museum voraus, andere beobachten einen Boom neuer Kunstgebäude und publikumswirksamer Ausstellungen. Zum 500. Jahrestag der Öffnung der vatikanischen Kunstsammlungen debattieren Direktoren weltbekannter Museen über die Zukunft ihrer Einrichtungen. Bei dem Kongress, der am Freitag zu Ende ging, stehen dabei politische Konzeptionen zeitgenössischer Kunst, etwa des Nigerianers Okwui Enwezor, den Analysen heutiger Museumsfunktionen europäischer und amerikanischer Kuratoren gegenüber.

 (DR)

Gebäude feiern sich häufig selbst
Aufsehen erregende Neubauten wie das Guggenheim Museum in Bilbao läuteten nach Auffassung der Konferenzteilnehmer eine neue Phase ein, in der die Architektur nicht mehr Funktionen des Museums erfüllt. Der Leiter der Vatikanischen Museen, Francesco Buranelli, beklagte gar, es mangle den Neubauten der letzten Jahre an Museumskonzepten. Spektakuläre Architektur ziehe zwar viele Touristen an, deren Bedeutung für die Finanzierung der Kunsttempel wächst. Doch häufig schienen die Gebäude vor allem sich selbst zu feiern und weniger geeignet als Ausstellungsräume.

Aufgabe der Museen sei es nicht, "mit der Mode Schritt zu halten", meinte der Direktor des Wiener Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften, Hans Belting. Anders als Kunstmessen reflektierten Museen keine Marktstrategien, sondern seien an Touristen und lokales Publikum gebunden. Belting warnte davor, Museen als reine Wirtschaftsfaktoren zu betrachten, die in der Bezeichnung "Restaurant mit Museum" gipfelten. Sie müssten vielmehr ein politisches Forum jenseits von politischen Einflüssen bieten, empfahl er.

Forschen statt Sammeln
Wie sich die Funktion von Museen im vergangenen Jahrhundert gewandelt hat, illustrierte Guido Gryseels, Direktor des Brüsseler Afrika-Museums, den Kongressteilnehmern. Mit einer umfassenden Ausstellung über die belgische Kolonialgeschichte im Kongo habe das 1910 eröffnete Königliche Museum für Zentralafrika im vergangenen Jahr eine lebhafte Debatte ausgelöst, berichtete Gryseels.

Die Sammlung wurde veranlasst von dem wegen seiner rüden Methoden bei der Ausplünderung des Belgisch-Kongo berüchtigten Königs Leopold II.
(1935-1909). Damals sollte das Kolonialmuseum demonstrieren, wie Belgien angeblich Zivilisation nach Zentralafrika exportiert habe.
Heute sieht Gryseels seine Aufgabe darin, "nicht nutzlose Dinge zu sammeln", sondern interdisziplinäre Forschungen zu fördern und Menschen nahezubringen, "dass wir alle Teil einer Welt sind".

"Wir können radikal sein"
Anders als staatliche Museen muss sich die private Getty Foundation in Los Angeles nicht gegenüber öffentlichen Geldgebern rechtfertigen.
"Das gewährt uns intellektuelle Freiheit", schwärmte Direktor Michael Brand vom renommierten Paul-Getty-Museum. Wegen des Streits zwischen seinem Museum und Italien über die Rückgabe von geraubten Antiquitäten wurde er in Rom frostig empfangen.

Doch der Direktor bekennt: "Wir können radikal sein." Das Museum sei nur eine Aktivität der Stiftung, die sich zuleich der Forschung und Sammlung von Kunstobjekten widmt. Zu seinen Hauptaufgaben zählte Brand in Rom die Beilegung der Auseinandersetzungen mit Griechenland und Italien über antike Kunstgegenstände, die als Raubgut gelten.