Im Gammelfleischskandal werden Vorwürfe lauter

Druck auf Seehofer wächst

Die Opposition wirft Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) Pflichtverletzung im Gammelfleischskandal vor. Seehofer hätte die Bürger bereits am 25. August unverzüglich vor dem Gammelfleisch warnen müssen, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Bärbel Höhn, der Zeitung "Bild am Sonntag".

 (DR)

Die Opposition wirft Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) Pflichtverletzung im Gammelfleischskandal vor. Seehofer hätte die Bürger bereits am 25. August unverzüglich vor dem Gammelfleisch warnen müssen, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Bärbel Höhn, der Zeitung "Bild am Sonntag". "Statt dessen hat er offensichtlich sechs Tage gebraucht um parteiintern abzustimmen, was zu tun ist, und damit den Skandal unter der Decke gehalten", kritisierte sie. Seehofer weist die Kritik zurück.

Antworten schuldig
FDP-Agrarexperte Hans-Michael Goldmann sagte der Zeitung: "Seehofer hat die Schlampereien in Bayern ganz offensichtlich vertuscht. Er hat schonungslose Aufklärung verhindert und die Bürger nicht rechtzeitig über mögliche Gefahren informiert." Das Parlament werde diesen Skandal mit aller gebotenen Härte aufklären. "Minister Seehofer ist uns mehrere Antworten schuldig", sagte Goldmann.

Seehofers beamteter Staatssekretär Gert Lindemann bestätigte dem Blatt, das Verbraucherschutzministerium habe seit dem 25. August durch Presseberichte von verdorbenem Fleisch in Bayern gewusst. Wie die Zeitung schrieb, verlegte das Ministerium den Zeitpunkt der ersten Information über die Vorgänge in Bayern in einem Bericht an den Bundestag nach hinten. In einem Schreiben an den Agrarausschuss des Bundestags vom 5. September habe Seehofers Parlamentarischer Staatssekretär Gerd Müller (CSU) erklärt, das Ministerium sei erst am 31. August durch Pressemeldungen informiert worden.

Parteipolitische Manöver?
Seehofer selbst hat die herbe Kritik der Opposition zurückgewiesen, er habe sich im Gammelfleischskandal einer Pflichtverletzung schuldig gemacht. Seehofer sprach von einem "durchsichtigen parteipolitischen Manöver". Grüne und FDP wüssten genau, dass die Bundesländer bei der Lebensmittelüberwachung zuständig seien. Der CSU-Politiker nannte am Sonntag Vorhaltungen, er habe die Bürger zu spät über den Skandal informiert, "absurd".

Seehofer erklärte, am 25. August sei erstmals in Meldungen von einem Verdacht auf Umetikettierung abgelaufener Lebensmittel in einem Betrieb in Gröbenzell die Rede gewesen. Hinweise auf den Umfang von beanstandeten Waren habe es nicht gegeben. Nach weiteren Meldungen über Beanstandungen in Bayern habe der Staatssekretär im Bundesverbraucherministerium, Gert Lindemann, am letzten Augustwochenende Mitarbeiter beauftragt, "in Bayern nachzuhören, ob man es mit einem größeren Geschehen zu tun habe". Aus dem Ministerium in Bayern sei jedoch lediglich zu hören gewesen, dass die Ermittlungen andauerten und nähere Informationen nicht vorlägen.

Erst am 31. August sei seinem Ministerium wieder über Agenturmeldungen bekannt geworden, dass in einem zweiten Betrieb in München "nicht verkehrsfähiges Fleisch" sichergestellt worden sei und die Staatsanwaltschaft davon ausgehe, dass Ware auch in andere Bundesländer und möglicherweise in das Ausland geliefert wurde. Nachfragen in Bayern hätten daraufhin "zu ersten belastbaren Informationen" am 1. September abends und zu ergänzenden Meldungen für das europäische Schnellwarnsystem am späten Abend geführt.

Regierung will Lebensmitteln zu Dumping-Preisen verbieten
Der Verkauf von Lebensmitteln zu Dumping-Preisen soll verboten werden. Das Bundeswirtschaftsministerium bereite derzeit ein Gesetz vor, das den Verkauf unter Einstandspreis untersagt, berichtete die "Berliner Morgenpost" am Sonntag. Das Gesetz, das eigentlich schon im Koalitionsvertrag habe stehen sollen, werde nun durch den Gammelfleisch-Skandal beschleunigt, hieß es. Der seit langem ruinöse Preiswettbewerb gilt als ein Grund dafür, dass immer wieder Fleisch mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum in den Handel gebracht wird.

Das Wirtschaftsministerium dringt in der Diskussion um ein Gesetz aber auf Ausnahmeregelungen etwa für Wochenmärkte. So müsse es möglich sein, dass ein Obsthändler kurz vor Ende des Wochenmarkts seine Waren günstiger anbieten kann, sagte ein Ministeriumssprecher der Zeitung. Eine Sprecherin von Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) ergänzte, man sei bereit, bei verderblichen Waren und Saisonartikeln die strenge Regelung zu lockern.

Zwar gibt es dem Bericht zufolge schon ein Verbot, Waren unter Einstandspreis zu verkaufen. Jedoch sei das gelegentliche Anbieten von Waren zu noch niedrigeren Preisen erlaubt. Diese Regelung hielten die Koalitionäre für zu weich, hieß es.
(ddp)