Im Bücherherbst spielt Nazi-Deutschland eine große Rolle

Der Papst, die Nazis und der Adel

Es gibt immer noch was Neues zu finden: Die Nazizeit, der Zweite Weltkrieg, die Rolle von Papst und Adel sind die Themen verschiedener Neuerscheinungen im deutschen Bücherherbst 2016.

Autor/in:
Christiane Neuhausen
Frankfurter Buchmesse eröffnet / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Frankfurter Buchmesse eröffnet / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

Als Höllenfahrt charakterisiert der englische Historiker Ian Kershaw die europäische Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zwei Weltkriege, Faschismus und Stalinismus führten zu einem kompletten Zivilisationsbruch. Ein Wunder, so Kershaw, dass es danach gelungen ist, Frieden in Europa zu schaffen. Das ebenso brillante wie umfangreiche Werk gehört zu den Neuerscheinungen in diesem Bücherherbst, die sich mit der schwierigen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts auseinandersetzen.

Benito Mussolini, genannt il Duce, und Papst Pius XI. waren zwei Persönlichkeiten, die diese Geschichte mitgestalteten. Gestützt auf die vom Vatikan freigegebenen Akten zum Pontifikat Pius XI., schildert der US-amerikanische Forscher David Kertzer, wie der Papst und der Duce trotz tiefen gegenseitigen Misstrauens eine Weile miteinander paktierten. Der eine wollte einen durch und durch katholischen Staat, der andere einen faschistischen - und beide erreichten ihr Ziel: ein katholisches, faschistisches Italien.

Papst verlor Rennen mit Tod

Als aber Mussolini die Rassengesetzgebung nach deutschem Vorbild einführte, kündigte der Papst das Einvernehmen auf und versuchte mit letzter Kraft, vor seinem schon absehbaren Tod eine Enzyklika fertig zu stellen, die den Antisemitismus grundlegend verurteilte. Das Rennen mit dem Tod verlor der Papst, die Enzyklika wurde nie verkündet.

Beide wurden von Hitlers heimlichen Helfern umworben. Mit diesem Begriff charakterisiert Karina Urbach in ihrem spannenden Werk "Hitlers heimliche Helfer" eine besondere Form der Geheimdiplomatie, in der sich der Adel hervortat. Nach acht Jahren Recherche in europäischen Archiven schaffte sie es, aufzudecken, wie Mitglieder des europäischen Hochadels ihre verwandtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen zu Kaisern, Königen und Diktatoren nutzten, um Allianzen hinter den Kulissen zu schmieden.

Heimliche Helfer Hitlers

Gerade Adolf Hitler hat dieses Netzwerk gerne in Anspruch genommen. Der deutsche Hochadel half ihm, auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bestehen, und unterstützte seinen Aufstieg. Hitlers "liebe Prinzessin" - Stephanie von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst war nur eine von vielen Adeligen, die sich gerne in den Dienst der Macht stellten.

War Unity Mitford vielleicht auch eine von Hitlers heimlichen Helfern? Autorin Michaela Karl stellt die englische Adelige in ihrem Buch vor: "Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an." In England sind die sechs Mitford-Schwestern, zu denen Unity gehörte, so bekannt wie die Queen und Big Ben; in Deutschland ist Unitys Name bestenfalls Spezialisten vertraut.

Faible für englischen Adel

Unity Valkyrie Mitford, 1,80 groß und gerne stark geschminkt, kam zu einem Sprachkurs nach Deutschland und blieb, denn sie verfiel hoffnungslos dem "Führer" und den Nazis, so dass sie sogar die Briefe nach Hause mit dem Gruß "In Liebe Heil Hitler" beendete. Sie schaffte es tatsächlich, über Jahre hinweg zum engsten Kreis um Hitler zu gehören. Der mochte zwar keine geschminkten Frauen, aber er hatte ein Faible für den englischen Adel und hörte nie auf zu hoffen, dass es zu einem engen politischen Schulterschluss zwischen den beiden Ländern kommen würde.

Unity erhielt schon bald Gesellschaft von ihrer Schwester Diana, der angeblich schönsten Frau ihrer Generation, die ihren reichen Ehemann für den Faschistenführer Sir Oswald Mosley verließ. Diana heiratete Sir Oswald im Wohnzimmer der Familie Goebbels, Trauzeuge war Unitys geliebter "Führer". Michaela Karl gelingt der Spagat, die faszinierende Lebensgeschichte Unity Mitfords mit dem sich ständig verstärkenden Schrecken des Dritten Reichs zu kontrastieren und damit das massive Fehlverhalten Mitfords offen zu legen. An dem Tag, als England Deutschland den Krieg erklärte, fuhr Unity Mitford in den Englischen Garten in München und setzte die Pistole an. Der Selbstmordversuch ging schief.


Papst Pius XI. / © N.N. (KNA)
Papst Pius XI. / © N.N. ( KNA )
Quelle:
KNA