Humanitäre Lage verschlechtert sich in Afghanistan weiter

Millionen Menschen hungern

Mehrere Verbände beklagen anlässlich der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor einem Jahr, dass sich die Lage für die Menschen in dem Land immer weiter verschlechtert. Millionen leidern unter Hunger oder sind unterernährt.

Zwei afghanische Kinder sammeln wiederverwertbares Material von einer Müllhalde / © Ebrahim Noroozi (dpa)
Zwei afghanische Kinder sammeln wiederverwertbares Material von einer Müllhalde / © Ebrahim Noroozi ( dpa )

In Afghanistan haben der Welthungerhilfe zufolge etwa neun Millionen Menschen akuten Hunger. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, rund 23 Millionen Menschen, könne sich nicht mehr allein ernähren, hieß es am Freitag in einer Mitteilung anlässlich der Machtübernahme der Taliban am 15. August. Die humanitäre Lage in dem Land habe sich seit der Machtübernahme "extrem verschlechtert". Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden mehr als 50 Prozent der Kinder unter fünf Jahren bis zum Ende des Jahres unterernährt sein, so die Welthungerhilfe. Diese Zahlen hätten sich seit der Machtübernahme um bis zu 30 Prozent erhöht.

Die Landwirtschaft habe durch die Zerstörung von Infrastruktur infolge des Krieges sowie durch starke Dürren seit 2021 stark gelitten. Die Prognosen für die kommende Weizenernte gingen von einer Reduzierung von 50 bis 60 Prozent aus. Wirtschaftliche Sanktionen hätten dazu geführt, dass Afghanistan abhängig von internationaler Hilfe sei, betonte die Welthungerhilfe. Auch das Bildungs- und Gesundheitssystem sei wegen fehlenden Personals und fehlender Medikamente zusammengebrochen.

Desolate Lebensmittelversorgung

Auch die Hilfsorganisation terre des hommes weist auf die desolate Lebensmittelversorgung hin. "Es herrscht eine massive Hungersnot. Für die Kinder in Afghanistan geht es um ihr Überleben", erklärte der Vorstandssprecher von terre des hommes, Beat Wehrle. Nach seinen Angaben brauchen über die Hälfte der rund 40 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, davon sind mehr als zehn Millionen Kinder.

Zudem kritisierte Wehrle eine Einschränkung der Rechte von Frauen auf Bildung, Arbeit und Bewegungsfreiheit. In vielen Fällen seien sie sogar ganz aufgehoben. "Eine ganze Generation von Mädchen wird ihre Schulausbildung nicht abschließen können." Nach wie vor gingen Frauen und Mädchen, aber auch Journalisten und Menschenrechtsaktivisten auf die Straße, um dagegen zu protestieren. "Sie alle riskieren willkürliche Verhaftungen."

Forderungen an Bundesregierung

Die Bundesregierung dürfe die afghanische Zivilbevölkerung nicht vergessen und müsse sich an ihre Zusagen halten, forderte Wehrle. Die Unterstützung solle verstärkt über internationale und lokale Nichtregierungsorganisationen, die über langjährige Expertise in Afghanistan verfügten, umgesetzt werden.

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) dringt anlässlich des Jahrestags darauf, Aufnahmeprogramme aus Afghanistan und den Nachbarstaaten zügig anzugehen. Die Vorstandsvorsitzende des AWO-Bundesverbands, Brigitte Döcker, mahnte, Menschen in Afghanistan seien in akuter Lebensgefahr. Es sei dringend notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um Leben zu retten. Zehntausende zurückgelassene Menschen, die aufgrund ihrer Tätigkeit als Ortskraft, ihres Einsatzes für Demokratie oder wegen des Geschlechts oder sexuellen Orientierung besonders exponiert seien und um ihr Leben fürchteten, warteten auf Rettung.

Deutschland und andere Nato-Staaten hatten vor gut einem Jahr Afghanistan verlassen. Am 15. August 2021 eroberten die Taliban nahezu kampflos die Hauptstadt Kabul. Das Datum wurde unlängst von ihnen zum nationalen Feiertag ausgerufen.

Quelle:
KNA
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