Bundesrat vor 1000. Sitzung mit Bundespräsident Steinmeier

Hoher Besuch im Hohen Haus

Was im Bundesrat passiert, ist entscheidend. Lebhafte Debatten mit Beifall und Zwischenrufen sucht man dort allerdings vergebens. In bald 1.000 Sitzungen kam es nur einmal zu einem richtig großen Eklat.

Autor/in:
Alexander Riedel
Bundesrat / © Wolfgang Kumm (dpa)
Bundesrat / © Wolfgang Kumm ( dpa )

In der öffentlichen Wahrnehmung steht der Bundesrat manchmal etwas im Schatten des Bundestags. Dabei kann kein Bundesgesetz in Kraft treten, ohne durch den Bundesrat gegangen zu sein - egal, ob es um Grundgesetzänderungen, ethische und gesellschaftliche Fragen oder Bereiche wie Infektionsschutz-, Pflege- oder Migrationspolitik geht.

Nun kommt die Länderkammer am Freitag zu ihrer 1000. Sitzung zusammen, mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Gastredner. Höchste Zeit für einen genaueren Blick auf das Verfassungsorgan.

Große Kontinuität

Schon das Jubiläum weist auf eine Besonderheit hin: Anders als Bundestag und Landesparlamente steht der Bundesrat für große Kontinuität. Seit seiner ersten Sitzung am 7. September 1949 besteht er ohne Unterbrechung, daher werden die Sitzungen auch fortlaufend nummeriert. Im Bundestag wird hingegen wie in den Landesparlamenten nach jeder Wahl neu mit dem Zählen angefangen, da sie sich jeweils neu konstituieren.

Doch auch der Bundesrat ändert sich mit der Zeit - über den Umzug von Bonn nach Berlin vor mehr als 20 Jahren hinaus. Wechselt nach einer Wahl die Regierungskoalition in einem Bundesland, wirkt sich das auch auf den Bundesrat aus. Über die Jahrzehnte spiegelt die Zusammensetzung die Veränderung der politischen Landschaft wider.

Aktuell sind die 16 Bundesländer mit 15 verschiedenen Koalitionen vertreten, die Hälfte der Regierungen setzt sich aus drei Parteien zusammen. Die Grünen sind ebenso oft beteiligt wie CDU/CSU und SPD.

Früher ging es auch im Bundesrat übersichtlicher zu: Die erste Große Koalition aus Union und SPD konnte Ende der 1960er Jahre zumindest parteipolitisch gesehen noch auf Rückhalt aus dem Bundesrat zählen.

Allenfalls unterschiedliche Ziele von Bund und Ländern führten damals zu Unstimmigkeiten. Anders lief es dann für die Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD). Der Bundesrat agierte in den 1990er und 2000er Jahren zeitweise mit jeweils anderen Vorzeichen als eine Art oppositionelles Bollwerk gegen Schwarz-Gelb und im Anschluss gegen Rot-Grün.

Das rot-grüne Zuwanderungsgesetz sorgte im März 2002 dann auch für den wohl größten Eklat in den sonst gesittet und etwas langweilig anmutenden Sitzungen. Bundesratspräsident Klaus Wowereit wertete damals das uneinheitliche Votum des rot-schwarz regierten Brandenburg - nach wiederholter Nachfrage bei Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) - als Zustimmung des Landes. Am Ende verließen die CDU-geführten Länder unter Protest die Sitzung - einmalig in den bislang 999 Bundesratsrunden.

Zwist hinter den Kulissen ausgetragen

In der Regel wird Zwist im Bundesrat hinter den Kulissen ausgetragen. Verwehren die Länder hingegen die Zustimmung zu einem zuvor vom Bundestag beschlossenen Gesetz, rufen sie den Vermittlungsausschuss an. Auch hier wird mitunter lange gerungen, wie es etwa bei den Verhandlungen um die "Agenda 2010" zur Einführung von Hartz IV der Fall war.

Wie Bundesregierung und Bundestag hat auch der Bundesrat das Recht, selbst Gesetze auf den Weg zu bringen. Ein jüngeres und viel beachtetes Beispiel dafür war die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben. Zwei Jahre dauerte es von der Initiative für die "Ehe für alle" bis zur Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2017.

Im föderalen System der Bundesrepublik fungiert der Bundesrat neben Bundestag und Gerichten auch als weiteres Korrektiv der Macht. Durch Widerstand aus den Ländern kann manches Vorhaben lange aufgeschoben werden, wie sich in jüngerer Vergangenheit etwa bei der Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten gezeigt hat. Die Aufnahme von Algerien, Marokko und Tunesien in die Liste hat es weder in der vergangenen noch in der aktuellen Wahlperiode durch den Bundesrat geschafft - obwohl der Bundestag beide Male Gesetzentwürfe der Bundesregierung beschlossen hatte.

In diesem Superwahljahr werden die Karten wieder einmal neu gemischt. Nach sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl können die Machtverhältnisse bei aller Kontinuität des Bundesrats am Ende ganz anders aussehen.


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Telefon / © Guido Bergmann/Bundesregierung (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Telefon / © Guido Bergmann/Bundesregierung ( dpa )
Quelle:
KNA
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